Samstag
M'Era Luna 2000
Konzertbericht
Der Sonntag startete für mich mit MILA MAR. Sehr gespannt war ich darauf, ob es möglich sein sollte die Atmosphäre der Club Shows auch in einem Hanger zur Mittagszeit herauf zu beschwören. Lautstark wurden Mila Mar bereits beim Betreten der Bühne von den ersten Reihen begrüßt. Besonders die faszinierende Stimme von Anke Hachfeld trug viel dazu bei, die Umgebung zu vergessen und in die musikalischen „Seelenbilder“ einzutauchen. Viel zu schnell verflog allerdings die Zeit und nach einer guten halben Stunde nahm die Realität wieder Hand über das Geschehen. Leider konnte auch trotz lautstarker Forderungen nach einer Zugabe dieser aufgrund der Einhaltung des Zeitplans nicht nachgekommen werden. Danach gab es die Mittelalterformation ESTAMPIE zu bewundern, deren gute halbe Stunde mit rhythmischem Getrommel eingestimmt wurde. Mittelalterliches Liedgut kombinieren Estampie gekonnt mit Elementen der Moderne, fernab dem „Trend“, mittelalterlich inspirierte Musik mit Metal zu verbinden, von dem man sich in einen Statement distanzierte. Eine halbe Stunde reichte bei weitem nicht aus, schien auch den wenigsten genügt zu haben, Estampie zu erleben. Nach dem Soundcheck für DIARY OF DREAMS musste das Publikum erst einmal zwanzig Minuten warten, damit man wieder mit dem Zeitplan konform ging. Diese Zeit des Wartens hätte vielleicht durch Zugabe einer der vorhergehenden Bands sinnvoller genutzt werden können, denkt man sich da, aber zwanzig Minuten sind natürlich keine Ewigkeit und ehe man sich versah standen Adrian Hates und Torben Wendt auf der Bühne. Faszinierend wie gut die beiden Sänger aufeinander abgestimmt sind, denn der Gesang klang wirklich wie aus einer Kehle. Zu dem balladesken Gothic Rock zeigten sich die beiden sehr bewegungsfreudig, so dass nicht nur etwas fürs Ohr sondern auch fürs Auge geboten wurde. Gegen halb vier erschien, in der Prallen Mittagssonne, das Duo ROSENFELS auf der Hauptbühne, das dort allerdings ein wenig verloren wirkten. Der Großteil der Zuschauer hatte es sich auf der Rasenfläche bequem gemacht, um zu den sanften Balladen den Sonntagmittag zu genießen. Die vertraute Wohnzimmerstimmung kam verständlicherweise nicht auf, da die Distanz zum Publikum bei einer solchen Veranstaltung doch größer ist als bei einer ihrer Einzel-Shows. Die charmanten Anekdoten zu den gebotenen Liedern der beiden Alben wurden, aufgrund der kostbaren Zeit, nur angeschnitten oder fielen ganz unter den Tisch. Mit dem aufwühlenden Song „Religion“ verabschiedeten sich Rosenfels und rüttelten die Menge wieder aus der mittäglichen Entspanntheit. Da traten sie doch wirklich beide auf dem selben Festival auf. Erstaunlich, dass sich Andrew Eldritch und Carl McCoy tatsächlich eine Bühne miteinander teilen, wenn auch an verschiedenen Tagen. Man könnte somit eigentlich fast schon von einem Wettbewerb sprechen, nämlich jenem um den Thron der Kult-Goth-Rock Band. Zeitweise waren die FIELDS ja aus diesem Wettlauf ausgeschieden, doch nun erscheint man wieder auf der Bildfläche, selbst wenn man bisher auch noch nicht sonderlich viel neues Material vorzuweisen hat und somit sich durchaus auf eine Stufe mit den am Vortag aufgetretenen Sisters stellt. Doch an diesem Abend wurde eine eindeutige Entscheidung gefällt: Die Gewinner sind Fields Of The Nephilim! Mit viel Hunger, Elan und Charisma brachten Carl McCoy ein Stück Gothic Historie auf die Bühne, welche selbst nach so vielen Jahren, trotz des vielen Mehls, kein bisschen angestaubt wirkt. „Moonchild“ ist immer noch ein geniales Stück und auch der Rest konnte rundum überzeugen. Besonders erstaunlich auch, daß die Band einige Stücke von dem ehemaligen McCoy Projekt „The Nefilim“ spielten, doch „Xodus“ oder „Shine“ live zu erleben vertrieb jegliche Festival-Müdigkeit, welche einer uneingeschränkten Euphorie weichen musste. Es machte wirklich Spaß dieser Band zuzusehen, besonders Carl bot eine fesselnde Show aus Mimik und Gestik, welche auch den Umstand, dass es eigentlich viel zu hell für dieses fulminante Konzert war, vergessen ließ. Carl bezog sogar die Sonne seine ausdrucksstarke Performance mit ein und versöhnt somit den geblendeten Zuschauer ob der Helligkeit. Viel zu schnell war dieses Erlebnis vorüber, mir unverständlich, wie man dieser Formation einen solch frühen Termin einräumen konnte. Doch das Wissen, eine geniale Band zurückbegrüßen zu dürfen, kann keiner mehr nehmen! ( Asmondeus ) Nach den begeisternden Fields zu spielen wäre auf diesem Festival bestimmt für niemanden ein leichtes gewesen. PROJECT PITCHFORK traten an diesem Abend die schwere Position des Headliners an, um das Festival offiziell zu beenden. Aus dem sich lichtenden Gedränge schließe ich allerdings, das bereits viele Besucher das musikalische Programm des Festivals vor dem Auftritt von Pitchfork für sich als persönlich beendet betrachteten. Pitchfork präsentierten sich in etwa so, wie ich sie von der Chakra Red Tour 1997 noch in Erinnerung hatte. Doch Tastenmann Scheubi hat allerdings dafür gesorgt, dass mir dieser Auftritt in bester Erinnerung bleiben wird. Ob er mit seinen Ich-imitiere-Flag-Einlagen, dem wiederholten, unkontrollierten eintreten auf eine Monitor Box oder den eher unglücklichen „Show- Duellen“ mit Herrn Spilles versuchte die Qualität als Headliner unter Beweis zu stellen oder der Gute einfach nur zu tief ins Glas geschaut hatte, wie man aus seiner eher holprigen Danksagung allen Bands und dem Veranstalter Scorpio nach dem Set, die mit dem ungefähren Wortlaut, alle Ärsche wären somit geleckt, endete, schließen könnte, bleibt offen.Von der musikalischen Seite gesehen, war das ganze eher unspektakulär und geriet für mich Dank Scheubi auch fast zur Nebensache. Fazit: Ein Festival, auf dem es viel zu sehen gab. Nicht nur Bands, sondern vor allem Menschen. Den Dreck nicht scheuende Kleidträgerinnen, in Lack oder Latex verhüllte Körper, die in der Mittagshitze schmorten, oder Mehltstaubmanteltragende Fields Fans zierten an diesem Wochenende den Hildesheimer Flughafen. Wen man im nächsten Jahr auf die Bühne bittet, um das diesjährige Billing der Goth Giganten The Mission, Sisters of Mercy und den Fields of the Nephilim zu überbieten würde mich jetzt schon brennend interessieren – aber der nächste Festivalsommer kommt schneller als man denkt.
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