Ruhrpott Metal Meeting 2019
Pott zu Asche und Death zu Mosh
Konzertbericht
Die Verzögerung hält an – und CARNIVORE A.D. nehmen’s gelassen
CARNIVORE A.D. haben indes einen etwas holprigen Start. Oder nennen wir ihn besser ruhmlos. Dadurch, dass das Programm noch immer Verzögerung hat, stehen die meisten Fans bereits erwartungsvoll vor der Bühne und auch schon die Fotografen im Graben, als die Thrasher, die aus der Asche von CARNIVORE 2017 auferstanden, gerade erst den Soundcheck angehen.
Die Musiker bleiben gelassen und nehmens mit Humor, ehe die würdige aber definitiv nicht leise Gedenkveranstaltung an Fahrt aufnimmt. Baron Misuraca, der in den gigantischen Fußstapfen Peter Steeles steht, sieht mit seinem „The Munsters“-Shirt, dem Frankenstein-Tattoo auf dem Oberarm, dunkel geschminkten Augen und muskulös-mächtiger Statur aus, als wäre er tatsächlich der Serie entsprungen. Auch wenn das Trio durch die Bank weg Leistung bringt: Das Rahmenwerk will heute nicht so richtig.
Nicht nur, dass der Lichtmischer scheinbar an Handkrämpfen zu leiden hat und keine Stimmung und keinen Rhythmus trifft, nein, als der Gig in das letzte Drittel startet, meint die P.A. immer wieder den Geist aufzugeben. Da hilft nur, näher an die Bühne zu rücken um den Rest, der aus den Monitor-Boxen schallt, besser zu hören und sich den mageren Sound wegzudenken. Genau so verfahren auch CARNIVORE A.D., die mit stoischer Ruhe auf das Können der Techniker hoffen und ihr Set am Ende auch wieder mit P.A. straight zu Ende zocken.
Galerie mit 13 Bildern: Carnivore A.D. - Ruhrpott Metal Meeting 2019Putting the MAIDEN into IRON MAIDEN – THE IRON MAIDENS
Nachdem es zuvor bei DEBAUCHERY noch eher machohaft zugegangen ist, übernimmt nun die holde Weiblichkeit hinter THE IRON MAIDENS das Ruder der zur 22 Acacia Avenue umgebauten und mit allerlei augenzwinkernden Referenzen an das Original versehenen Ruhrpott Stage, um das “MAIDEN” in IRON MAIDEN groß zu schreiben. Die All-Female-Tribute-Band lässt sich nicht lumpen und legt eine derart überzeugende Darbietung aufs Parkett, dass sich selbst ein wenn auch auf Taschenformat geschrumpfter (d. h. normalsterblich großer) Eddie die Ehre gibt.
Das stellen die Ladies aber auch ziemlich geschickt an, indem sie zur Eröffnung ihres Sets direkt “Aces High” in das selbstredend textsichere Publikum feuern und dieses so im Sturm erobern. Sängerin Bruce Chickinson (*kicher*) legt eine Performance hin, die sich lediglich vor dem Original zu verbeugen braucht, was irgendwie auch der Sinn einer Tributband ist. Im weiteren Verlauf kommen weitere Klassiker wie “Wasted Years” und “Hallowed Be Thy Name” ebenfalls nicht zu kurz.
Galerie mit 19 Bildern: The Iron Maidens - Ruhrpott Metal Meeting 2019Die Party wird von KISSIN’ DYNAMITE aufgeheizt…
Mit KISSIN‘ DYNAMITE hält auf dem RMM schließlich der Heavy-Glam Einzug. Der finale Abend wird eingeläutet mit einem Stimmungsgaranten, der selbst dann Laune macht, wenn man mit dem Genre sonst nichts an der Hutkrempe hat – sofern man sich darauf einlässt.
Die Songs der Schwaben sind so Eingängig, dass es kein Pardon gibt. Das weiß auch die Band selbst und fordert zum lauten Mitsingen von Refrains wie „Sex is War“ auf.
Die fünf Jungs, die quasi auf der Bühne groß geworden sind, wissen was sie tun und bekommen das Publikum mit einer beachtlichen Leichtigkeit animiert.
Das könnte auch am perfekt durchorchestrierten Set liegen, das nicht nur ordentlich Feuer-Pyro bietet, sondern auch unterhaltsame Showeinlagen. So will der eigenständig zum König gekrönte Sänger Hannes mit ausladender Robe Jubel vom Publikums sehen, das sein getretener Lakai gefälligst zu animieren hat. Erst als sich dieser zufrieden zeigt, lässt er sich auf seinem kurzerhand auf der Bühne deponierten Thron nieder. Es ist natürlich Zeit für „I Will Be King“.
Galerie mit 27 Bildern: Kissin' Dynamite - Ruhrpott Metal Meeting 2019… und schließlich von BATTLE BEAST gekrönt
Wer kann Show-Technisch nun noch einen drauf setzen? Das hat sich wohl auch das RMM-Team gedacht und kurzerhand BATTLE BEAST als Co-Headliner gesichert. Die Finnen knüpfen mit ihrem ebenso eingängigen Heavy Metal an die Stimmung nahtlos an. Sängerin Noora Louhimo – behörnt und kostümiert – steht mit einer wahnsinns Bühnenpräsenz fast schon im Publikum. Oder zumindest an der Bühnenkante. Jede Pose und jede Bewegung sitzt.
Apropos Bewegung: Die Bühne gehört ihr. Die Instrumentalfraktion, die Noora immer wieder umläuft, wirkt fast nur wie Beiwerk. Wir nennen Sie gleichermaßen scherzend und bewundernd die Jane Fonda des Metal. Wer weiß? Metal-Gymnastik könnte eine Marktlücke sein und die Frau hat einfach etwas unglaublich motivierendes an sich.
Besonders motiviert ist auch das Publikum, als gefragt wird, ob „faster heavy shit“ gewünscht ist. Natürlich ist es das. Und so gehts mit „Madness“ weiter, ehe „Bastard Son Of Odin“ wieder mehr „magic“ bietet. Oder ist es Kitsch? Ist egal. Es funktioniert.
Galerie mit 21 Bildern: Battle Beast - Ruhrpott Metal Meeting 2019Bei ENTOMBED A.D. feiert man etwas anders
Während BATTLE BEAST auf der Ruhrpott Stage eine bunte Heavy-Metal-Party feiern, begehen ENTOMBED A.D. als Abschlussact auf der Flöz Stage eine zwar etwas weniger farbenfrohe, aber nicht minder ausgelassene Gaudi. Klar, Death Metal steht natürlich auf dem Programm und deshalb ist “ausgelassen” relativ zu verstehen, aber allein L. G. Petrov dabei zuzusehen, wie er mit dem Mikrofonständer herumkaspert oder einfach so Grimassen schneidet, macht den Auftritt schon wert. Doch auch fürs Ohr gibt es was: Klassischer Schwedentod nämlich mit sägenden Gitarren, Druck und Attitüde, in dem natürlich auch ein Klassiker wie “Left Hand Path” nicht fehlen darf.
Galerie mit 5 Bildern: Entombed A.D. - Ruhrpott Metal Meeting 2019QUEENSRŸCHE mit undankbarem Slot?
Den Abschluss machen schlussendlich die Prog-Metal-Titanen QUEENSRŸCHE, zu denen vergleichsweise wenig Zuschauer erscheinen – besonders wenn man bedenkt, dass es sich hier um einen der Headliner handelt. Man bekommt den Eindruck, dass das Ruhrpott Metal Meeting für einen Großteil der Masse nach BATTLE BEAST zu Ende gewesen ist, was wirklich schade ist.
Denn QUEENSRŸCHE präsentieren sich wieder einmal in guter Form und erschaffen eine besondere Atmosphäre, auch wenn der Show-Aspekt der US-Amerikaner natürlich ungleich trockener anmutet als der ihrer beiden Vorgängerbands, bei denen natürlich eine feucht fröhliche Party angesagt war.
Doch bei einer routinierten Darbietung wie dieser und einem Todd LaTorre in stimmlicher Bestform nimmt man das zumindest als Genießer progressiverer Klänge gerne hin, vor allem weil die Songauswahl bestehend aus Neuem und Altem wieder einmal gelungen ist. “Walk In The Shadows”, “Operation: Mindcrime” und “Eyes Of A Stranger” funktionieren nach wie vor bestens und ergänzen sich praktisch nahtlos mit den neueren Stücken wie “Blood Of The Levant” oder “Man The Machine”. Passt also alles. Schade eben, dass das Publikum vergleichsweise ausgedünnt ist …
Galerie mit 21 Bildern: Queensryche - Ruhrpott Metal Meeting 2019Erfolgreich von zwei Tagen Metal-Familientreffen eingeäschert, bleibt die eine oder andere Erkenntnis: Zum Beispiel, dass das Ruhrpott Metal Meeting eine so angenehme Größe hat, dass man eher geneigt ist Bands auszuprobieren, für die man auf größeren Festival sicher keinen Fußmarsch zurückgelegt hätte.
Die Stimmung war wie gewohnt familiär entspannt, allerdings zeigten sich die Hallen in diesem Winter lichter, als noch im Jahr zuvor. Lag es am Line-up? An anderen Widrigkeiten? Egal. Kein Platz für Spekulationen. Nur für Spekulatius. Da kommt schließlich auch Pottasche rein.
Text: Michael Klaas und Saskia Zillekens
Bilder: Michael Mai
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