Rockharz Open Air
der große Festivalbericht 2011
Konzertbericht
EKTOMORF (17:05-17:50)
Deutlich mehr ist da schon bei EKTOMORF los. Auch wenn die Ungarn, die auch schon straight auf das zwanzigste Jahr ihres Bestehens zusteuern, ihre beste Zeit vermutlich hinter sich haben: Alles, was mit Core zu tun hat und/oder zu dem man unbekümmert feiern kann, kommt auf dem Rockharz 2011 gut an. Die gerade wieder komplettierte Truppe ist eine von verhältnismäßig wenigen Bands dieses Stils auf dem Festival und deshalb für eine Vielzahl junger Besucher interessant. Dass sich prinzipiell jeder EKTOMORF-Song wie der vorige und der nächste anhört und sich nur in puncto Rhythmisierung der ziemlich einfältigen Riffs unterscheidet, spielt da keine Rolle. Auch “God Will Cut You Down“, der auf dem im letzten Dezember erschienenen “Redemption“ zu finden ist, wird genauso dankbar mitgenommen und wie ein alter Freund behandelt wie alle Klassiker der mittlerweile recht umfangreichen Bandgeschichte.
Zu dem corigen Neothrash der Ungarn kann man einfach prima bangen und ab und zu auch mitsingen (was nicht richtig zu klappen scheint, von Bandkopf Zoltán Farkas aber trotzdem stets mit einem “awesome!!!“ quittiert wird). Circle Pits und andere Aktivitäten können EKTOMORF zwar nicht provozieren, haben aber trotzdem selbst eine Menge Spaß auf der Bühne. Szarbolcs Muvai hüpft mit seinem Bass im besten 90er-Crossover-Stil auf der Bühne umher, Drummer Gergely Tarin ist hinter seinem Kit mächtig begeistert und Zoltán Farkas gibt erfolgreich den erfahrenen Metalanimateur. Wer sich das alles nicht anschauen will, kann sich immer noch an der Freundin von Neu-Gitarrist Michael Rank satt sehen, die sich mehr schlecht als Recht hinter den Boxentürmen auf der Bühne verbirgt, um ihren Freund zu bestaunen. (Florian Dammasch)
HAIL OF BULLETS (17:55-18:40)
Mit der Stimme eines ernsthaft berührten niederländischen Museumspädagogen sagt Martin van Drunen auf der Hälfte des HAIL OF BULLETS-Sets einen der beiden Songs an, die für mich die brutalste Musik des ganzen Festivals ausmachen: Bevor die holländischen Allstar-Deather mit “Toyko Napalm Holocaust“ alles kurz und klein häckseln, belehrt der unglaublich authentische Frontmann, wohlgemerkt auf Deutsch, es ginge hier um “die Schlimmste, das je in die zweite Weltkrieg passiert ist“. Also: Alles doch nur Show mit der Brutalität und dem ganzen Death Metal-Gehabe.
Aber was für eine Show! HAIL OF BULLETS haben die am tiefsten gestimmten Gitarren, einen der besten und mächtigsten Sounds des Festivals und ausnahmslos Legenden an den Instrumenten. Dass die Kürbisse dieser altgedienten Herren noch so derart saftig sind, ist ein Wunder. Ihre Show zieht die Band mit vollem Elan durch und wirkt dabei begeisterter und spielfreudiger als so mancher Newcomer – freundlicher, entspannter und bescheidener noch dazu, wie sich später am metal.de-Autogrammstand zeigt. Die Truppe schöpft für ihre Dreiviertelstunde Bühnenpräsenz aus dem Vollen: Neben dem schon genannten “Toyko Napalm Holocaust“ fahren sie unter anderem die unglaubliche Walze “General Winter“ vom ersten Album “… Of Frost And War“ auf. Das ist der andere der beiden brutalsten Songs des Festivals. Eigentlich bewegt sich aber fast jeder Track qualitativ auf höchstem Niveau, sodass HAIL OF BULLETS ein Old School Death Metal-Set ohne Füllmaterial anbieten und dafür sorgen können, dass erstmal allen Anwesenden der Appetit auf Abendessen vergeht. Was da an Bassfrequenzen in der Luft liegt, gibt jedem Magen den Rest. Und so einigen pseudobrutalen Trendbands auch. (Florian Dammasch)
TURISAS (18:45-19:30)
Zu “Battle Metal”- und “The Varangian Way”-Zeiten mochte ich die Finnen TURISAS wirklich sehr, die Alben rotierten häufig in meinem CD-Player, ich konnte fast jeden Titel auswendig und live konnte ich von der Band sowieso kaum genug bekommen. In den darauffolgenden Jahren habe ich TURISAS jedoch irgendwie aus den Augen verloren. Die Finnen brachten eine Weile kein neues Album ‚raus, spielten selten bis gar nicht live und eigentlich hörte man von den sechs Musikern kaum noch etwas, sodass es mich fast etwas überraschte, als sie kürzlich mit “Stand Up And Fight” doch wieder ein neues Album am Start hatten, auf dem die Finnen gereifter, epischer und weniger trendorientiert wirkten.
In der Live-Peformance jedoch hat sich diese Entwicklung wenig niedergeschlagen, das bemerke ich zumindest sofort, als TURISAS in den altbekannten Kostümen und mit schwarz-roter Bemalung die Bühne entern, vor der bereits zahlreiche Fans auf sie warten und ihnen zujubeln. In Vergessenheit geraten sind die Finnen in den letzten Jahren also offenbar kaum, viele Zuschauer sind sogar mit ähnlicher Gesichtsbemalung bei der Show erschienen, die TURISAS fulminant und routiniert mit “To Holmgard And Beyond” eröffnen. Kein Wunder, auf der vergangenen Tour mit den APOKALYPTISCHEN REITERn konnten die Finnen sich wohl bereits wieder an Live-Shows gewöhnen und so lassen TURISAS in den folgenden 45 Minuten ordentlich die Sau raus, präsentieren ein aus Titeln aller Alben zusammengestelltes Set, das Fans aller Schaffensphasen der Band begeistern dürfte, animieren die Zuschauer in einer Tour zum Mitmachen, Bangen und Tanzen, worauf diese mit größter Freunde eingehen. Die Stimmung ist richtig ausgelassen, es wird gefeiert und gejohlt, was das Zeug hält, alles in allem also ein ziemlich gelungener Auftritt und ein beeindruckendes Comeback auf deutsche Festivalbühnen. (Katharina Beck)
LETZTE INSTANZ (19:35-20:35)
Die LETZTE INSTANZ sammelt wieder eine erstaunliche Menge an Fans vor der Bühne. Es ist immer wieder auf ein Neues beachtlich, wie viele Fans eine Band mit deutschen Texten motivieren und begeistern kann. Und Begeisterung scheint in diesem Fall genau das passende Wort zu sein. Die Instanzen betreten die Bühne und ein großer Jubel bricht unverzüglich über sie herein. Wie schon auf der Tour eröffnen das “Intro 2010“ und “Dein Gott“ den heiß gefeierten Auftritt der Band. Holly Loose testet nach kurzer Spielzeit zunächst die Fandichte der anwesenden Menschheit. “Ein Zeichen geht um die Welt. Die Pommesgabel kennt jeder, aber das hier?“ Mit ihm gemeinsam recken sich tausende Hände zum Himmel. Die rechte Hand bildet dabei ein L und die Linke ein I, die Initialen der Band. Die Meisten wissen worum es geht, und es kann weitergehen mit “Flucht ins Glück“.
Die LETZTE INSTANZ ist eine Band, die furchtbar viel positive Stimmung ausstrahlt, und das nicht nur in ihren Texten wiedergibt, sondern auch auf die Fans überträgt. Diese stehen überall verstreut umher und tanzen gedankenverloren zu der Musik der Band. Auch der ehemalige Drummer Specki kann es sich nicht entgehen lassen seine ehemaligen Bandkollegen vom Bühnenrand aus zu beobachten. In wenigen Stunden wird er dann selber einen Auftritt mit seiner neuen Band IN EXTREMO haben. Aber soweit ist es noch nicht, und wir sind noch bei den Instanzen. Die springen nicht nur selber, größtenteils barfuß, wie die Kängurus über die Bühne, sondern verleiten auch die Fans mit ihrer Musik zu stetigen Aktivitäten dieser Art. Bei “Tanz“ werden sie sogar dazu aufgefordert. Die erste Reihe erhält den Auftrag sich am Wellenbrecher fest zu halten, während die hinteren Reihen sich an den Schultern derjenigen festhalten, die vor ihnen stehen. So gewappnet kann die Massen-Hüpferei starten, auch wenn die meisten nach nur wenigen Sprüngen aufgeben. Als ursprüngliches Ende des Auftritts der LETZTEN INSTANZ sollte eigentlich die größte Rockballade aller Zeiten, “Rapunzel“, dienen, aber überraschenderweise folgt danach noch das ein oder andere Lied, zur Freude der Fans. (Sarah Fleischer)
J.B.O. (20:30-21:30)
Die Helden in Pink, die Verteidiger des wahren Blödsinns, J.B.O. steigen in den Ring. Als Begrüßung gibt es einen Bass, der nicht mehr feierlich ist. Ein klein wenig weniger wäre sicherlich wesentlich schöner gewesen, denn selbst mit Gehörschutz muss man sich noch die Ohren zu halten. Aber schwamm drüber, denn schließlich soll der Blödsinn jetzt die Gelegenheit bekommen sich ein wenig über dem Rockharz zu verbreiten. “I Don’t Like Metal“ ist nicht nur absolut aussagekräftig und die wohl beste Testfrage für einen Lügendetektor, sondern auch die Eröffnung eines amüsanten Auftritts. Die Stimmung ist unfassbar gut und jeder scheint die Texte zu kennen. J.B.O wollen es jedoch ganz genau wissen, erkundigen sich beim Rockharz-Publikum, ob nach ihrem vierten Besuch auf diesem Festival endlich der Text sitzt und stimmen “Mein Bounty“ an. Eigentlich ein überflüssiger Test. Wie die Fans während des Auftritts erfahren, sollten eigentlich SEPULTURA an der Stelle von J.B.O auf der Bühne stehen. Die mussten allerdings leider ihren Auftritt absagen und haben sie deshalb gebeten einzuspringen. Die Fans haben sich sicherlich nichts anderes gedacht, und sind immer dankbar für Späße dieser Art. Passend dazu gibt es “Geh’n wir halt zu SLAYER“.
Aber auch die besten Klassiker wie “Bolle“ lassen nicht lange auf sich warten. Zwischen den Songs sind die rosa Herren von J.B.O wahre Kabarettisten, reden furchtbar viel und machen auch noch Spaß dabei. Neben einer kurzen Exkursion in Sachen Konzert-Vorbereitungen, vorzugsweise in möglichst viel rosa, gibt es einen Lehrgang, in dem die besten Coversong-Ideen vorgestellt werden, die jedoch leider nicht auf die Bühne oder auf die Rillenscheibe gebracht werden dürfen, weil die entsprechenden Bands etwas dagegen einzuwenden haben. Zu letzterem Punkt stellt die Band beruhigt fest, dass sie mit den Fans ja unter sich ist und haut den eigentlich verbotenen “Rammstein Reggae“ raus, der ebenso wie die anderen Songs für mächtig gute Laune sorgt. Derweil bahnen sich unzählige Crowdsurfer in das große Loch des Bühnengrabens, und bei “It’s Raining Blood“ ist endlich auch der Mosh-Knoten geplatzt. Neben “Fränkisches Bier“ bleiben auch “Verteidiger des wahren Blödsinns“ und “Ein Guter Tag zum Sterben“ nicht aus. Denn was wäre schon ein J.B.O.-Konzert ohne diese Hits?!? (Sarah Fleischer)
U.D.O. (21:35-22:35)
U.D.O.-Shows stimmen mich immer ein wenig wehmütig, weil ich nicht mehr die Chance hatte, Herrn Dirkschneider gemeinsam mit ACCEPT auf der Bühne zu sehen. Das tut mir fast etwas leid, schließlich wandelt der sympathische Sänger mit dem Ausnahme-Organ bereits seit vielen Jahren erfolgreich auf Solo-Pfaden und hat erst jüngst mit “Rev-Reptor” wieder ein ziemlich fettes Album veröffentlicht, von dem er am heutigen dritten Tag des Rockharz-Festivals jedoch nur den Titeltrack und “Leatherhead” zum Besten gibt. Zwei weitere Titel gibt’s vom Vorgänger “Dominator”, die dem Publikum offensichtlich noch gut im Gedächtnis geblieben sind und ordentlich abgefeiert werden, auch wenn man leider sagen muss, dass der Publikumsandrang nicht besonders stark ist, die meisten Festival-Besucher haben sich bereits vor der Nachbarbühne versammelt und warten gespannt auf die Show des Headliners IN EXTREMO.
Drei weitere Songs stammen von früheren Alben und – wer hätte es gedacht – natürlich dürfen auch einige ACCEPT-Klassiker im Set von U.D.O. Nicht fehlen: “Princess Of The Dawn”, “Metal Heart” und zum Abschluss “Balls To The Wall” werden aus so gut wie jeder Kehle vor der Bühne mitgegrölt, die wallenden Mähnen verdoppeln sich urplötzlich und obwohl die gute Stimmung dem U.D.O.-Auftritt zu Gute kommt, so muss es Udo Dirkschneider und Band doch bestimmt ein wenig ärgern, mit ihren eigenen Titeln nicht ansatzweise solche Reaktionen erregen zu können. (Katharina Beck)
IN EXTREMO (22:40-00:00)
Während U.D.O. auf der Dark Stage noch spielen, scharen sich vor der Rock Stage immer mehr Fans, um einen möglichst guten Platz zu erwischen. Die letzten Töne sind gerade verstummt, als die Fans ihre Stimmen erheben und mit “In Extremo“-Rufen auf sich aufmerksam machen wollen. Doch zunächst haben ein paar andere Leute ihren großen Auftritt. Die Rockharz-Crew versammelt sich auf der Bühne, um ein paar dankende Worte an das äußerst friedliche Publikum zu richten. Den dicke Applaus, der daraufhin folgt, haben sie sich auch alle redlich verdient. Nachdem die sympathische Crew die Bühne geräumt hat, folgt endlich “Requiem“ vom vorletzten Album “Sängerkrieg“, das als Intro fungiert und die Spielleute auf die Bühne geleitet. Der Titeltrack des Chartstürmers “Sterneneisen“ folgt sofort und lässt gleich die ersten Pyro-Raketen in die Luft gehen. Die Fans kennen kein Halten mehr. Auch wenn man sie nicht singen hören kann, weil die Dezibelzahl mittlerweile etwas in die Höhe geklettert ist, kann man den Fans ihre Euphorie über den Auftritt der Band ansehen. Es ist vor der Bühne so voll wie bei keiner Band zuvor auf dem diesjährigen Rockharz-Festival, und die massige Anzahl an feierwütigen Menschen rockt zu “Frei zu sein“ und “Sieben Köche“.
Neben den Songs von “Sängerkrieg“ sind auch einige neue Stücke dabei. “Sterneneisen“ hat nämlich auch so manchen Hit hervorgebracht, auf den sich die Fans mittlerweile ordentlich freuen dürfen. Dazu gehört der unschlagbare Titel “Viva La Vida“, bei dem Micha mehr als gekonnt die ersten Strophen wie ein Betrunkener aus sich heraus brabbelt. Was die Fans zum allergrößten Teil jedoch noch mehr zu freuen scheint, sind die vielen alten Klassiker der Band, die sie ein Stück weit dorthin gebracht haben, wo sie heute stehen. “Herr Mannelig“, “Liam“ und “Omnia Sol Temperat“ sind nur drei dieser wunderbaren Lieder. Es versteht sich von selbst, dass auch der Harfenist Dr. Pymonte bei “Vollmond“ seinen Auftritt bekommt, und dass “Küß mich“ ebenfalls nicht fehlen darf. IN EXTREMO haben einfach furchtbar viele gute Songs hervorgebracht, die man am Liebsten alle live hören würde, und einige davon gehören einfach in jede Setlist. Es wäre wohl eine Todsünde sie einfach wegzustreichen und durch einen anderen Song zu ersetzen. Ob alter Song, ob neuer Song, eines haben sie alle gemeinsam: Eine Menge Pyros, verdammt viel Gefühl und Leidenschaft, und vor allem die Fähigkeit, die Fans glücklich zu machen. Als IN EXTREMO nach “Omnia Sol Temperat“ im Begriff sind die Bühne zu verlassen und die Fans gerade in wüste Zugabe-Rufe einstimmen, bekommt die Band das OK, dass sie noch Zeit hat, ein Lied zu spielen. Es folgt “Mein rasend Herz“, was ein überaus gelungenes Ende für einen wunderschönen IN EXTREMO-Auftritt, und ein wunderbares Rockharz-Festival 2011 ist. (Sarah Fleischer)
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