Rockharz Open Air
Der große Bericht - Das Rockharz Festival 2010

Konzertbericht

Billing: Die Apokalyptischen Reiter, Edguy, Kreator, Marduk, Overkill, Sonata Arctica, The Haunted, Therion, Vader und Van Canto
Konzert vom 2010-07-08 | Flugplatz, Ballenstedt

DONNERSTAG, 08.07.2010

MEINESTUNDENULL
Da die Retro-Rocker von JOHN TENNIS ihre Show beim diesjährigen Rock Harz Festival leider kurzfristig canceln mussten, haben MEINESTUNDENULL aus dem nahegelegenen Wenigerode nun die Ehre, den Festival-Donnerstag zu eröffnen. Als die Pforten des Geländes sich allerdings um 14 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn des ersten Acts, öffnen, strömen die ersten Zuschauer eher gemächlich auf das Festival-Gelände, die meisten bleiben zunächst an den zahlreichen Merchandise-Ständen hängen und so zählt der Raum vor der Bühne erst wenige Gesichter, als MEINESTUNDENULL ihr Set mit “O.M.G.”, einem Titel ihrer neuen Demo, beginnen. Persönlich sagt mir die mit elektronischen Elementen gespickte Mischung aus Metalcore und Death Metal so gar nicht zu und auch die nächsten Stücke “Alte Liebe Rostet Nicht”, “Hier Kommt Der Kraken”, “Lydia Liebt Absolut”, “Medusa”, “Einmal Mehr Ist Nicht Genug” und “Loreley” vermögen mich nicht zu beeindrucken. Den meisten Zuschauern scheint es ähnlich zu gehen, denn für mehr als sachtes Kopfnicken und Anstandsapplaus reicht es auch bei den wenigen Anwesenden Gästen nicht aus.

VICE
Bei dem nachfolgenden Act, VICE aus Berlin, ändert sich die verhaltene Grundstimmung des Publikums zwar nicht gänzlich, aber der Zuspruch steigt in jedem Falle enorm. Schon nach wenigen Takten des ersten Stückes “Blueprints To Havoc” sieht man die ersten Köpfe im zahlenmäßig angewachsenen Publikum kreisen und auch ich muss zugeben, dass die Musik der Berliner sofort mitreißt und auch die Präsenz und Performance der spielfreudigen jungen Band auf der Bühne ihnen eine ganze Familienpackung Sympathiepunkte einbringt. Weiter geht’s mit den Songs “Mixtape”, “Baptized In Blood” und “Finders Keeper”, bei denen sich weitere Zuschauer vor die Bühne wagen. So erreicht die Stimmung schnell ein ziemlich hohes Level für die noch recht frühe Tageszeit. Mit “Overdose” und “Behind Enemy Lines” beschließen VICE ihre Show, können sich einem zufrieden gestellten Publikum gegenüber sehen und haben bestimmt einige Fans dazu gewonnen.

VAN CANTO
Und schon steht für mich das erste Highlight des Tages bevor. Die A Capella-Metaller von VAN CANTO sind weiß Gott sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich konnte mich schon einige Male davon überzeugen, dass sie über ganz hervorragende Live-Qualitäten und trotz ihrer metal-ungewöhnlichen Musik über eine gigantische Fanbase verfügen. Dass sich der Platz vor der Bühne in der Umbaupause bis zum Bersten füllt, wie es an diesem Wochenende bei so manchem Headliner nicht der Fall sein wird, wundert mich also wenig. Dennoch ist die Show heute etwas Besonderes, denn VAN CANTO haben vor dem Festival zum Voting aufgerufen, bei dem die Zuschauer ihre Lieblingscover der Band in die Setlist wählen konnten. Los geht es aber erstmal mit den zwei Eigenkompositionen “Lost Forever” und “To Sing A Metal Song”, mit denen VAN CANTO dem Publikum schon ordentlich einheizen können. Als es mit “Kings Of Metal” von MANOWAR aber zur ersten Mitgröl-Hymne kommt, gibt es kein Halten mehr, die Zuschauer toben, feiern die Band ab und singen wie aus einem Munde mit. Gänsehaut garantiert das BLIND GUARDIAN-Cover “Bard’s Song” bis mit “One To Ten” und “The Mission” noch zwei eigene Stücke präsentiert werden. Mit IRON MAIDENs “Fear Of The Dark” beschließen VAN CANTO würdig ihr Set und können sich vor Jubel und Zugabe-Rufen kaum retten. Wie immer rundum perfekter Auftritt, bei dem mir persönlich nur leider GRAVE DIGGERs “Rebellion” gefehlt hat, aber darüber entschieden hat diesmal ja das Publikum, also bleibt kein Kritikpunkt übrig.

CAST IN SILENCE
CAST IN SILENCE aus Osterode sind die nächsten auf dem Plan, die beim Rock Harz Festival den Vorzug eines absoluten Heimspiels genießen können. Und dieser Bonus macht sich bezahlt, denn die ortsansässigen Fans der Truppe nehmen schon in der Umbaupause Aufstellung in den ersten Reihen und sorgen noch vor Beginn der Show für ausgelassene Stimmung, die ins unermessliche steigt, als die Band die Bühne entert und den ersten Song schmettert. Zwar zeigen sich die ortsfremden und somit mit der Band meist wenig vertrauten Festival-Gäste eher verhalten und sind auch nicht in allzu großer Zahl erschienen, das machen die ersten Reihen allerdings gut wett und ziehen so auch die Aufmerksamkeit weiterer neugieriger Zuschauer auf sich, die sich während der Show Stück für Stück vor die Bühne wagen. Mich rührt die Musik von CAST IN SILENCE zwar eher wenig, besonders mit Fronter Lowins cleanem Gesang wollen sich meine Ohren einfach nicht anfreunden, aber CAST IN SILENCE verstehen ihr Handwerk und bieten eine anständige und souveräne Show, bei der sie sowohl Songs ihres 2007er Debüts “First”, als auch neues Material präsentieren.

DEVILDRIVER
Bei DEVILDRIVER füllt sich der Platz erneut und als die Kalifornier die Bühne betreten und ihre Show mit “End Of The Line” eröffnen, kreisen sofort die ersten Köpfe, das Publikum feiert die Band ordentlich ab und auch das erste Moshpit lässt nicht lang auf sich warten. Die Band, besonders Fronter Bradley “Dez” Fafara, strotzt nur so vor Energie, saugt die gute Stimmung des Publikums geradezu auf und gibt sie den Zuschauern mit gleicher Kraft wieder zurück. Dabei präsentieren die Jungs aus Santa Barbara einen bunt zusammengestellten Querschnitt ihrer Diskographie, bei der kein Album zu kurz kommt: neben dem Opener-Stück von “The Fury Of Our Maker’s Hand” gibt es noch “Nothing’s Wrong?” und “I Could Care Less” vom selbstbetitelten Debüt, “Coulds Over California” und “Not All Who Wander Are Lost” von “The Last Kind Words”, sowie “Fate Stepped In” und den Titeltrack vom aktuellen Album “Pray For Villains”. Alle Songs gehen direkt auf die Zwölf und sowohl Band als auch Zuschauer genießen die Show in vollen Zügen. Leider ist schon nach 45 Minuten, die erstaunlich schnell vorbei gegangen sind, wieder Schicht im Schacht und DEVILDRIVER verlassen mit dem lang erwarteten “Meet The Wretched” die Bretter der Rock Stage.

THE HAUNTED
Auf THE HAUNTED bin ich besonders gespannt, denn sie zählen zu den wenigen Bands beim diesjährigen Rock Harz Festival, die mich sehr interessieren und die ich noch nicht live gesehen habe. Der Platz vor der Dark Stage ist gut gefüllt, die Sonne geht langsam unter, sodass auch die Temperaturen wieder erträglicher sind. Als die Schweden schließlich die Bühne entern, können sie das Publikum sofort auf ihre Seite ziehen. Besonders die emotionale Performance von Fronter Peter Dolving reißt sofort mit, während die Band während der folgenden 45 Minuten unentwegt MeloDeath/Thrash-Granaten aus allen Perioden der Bandgeschichte wie “Dark Intentions”, “Bury Your Dead”, “99”, “Trespass”, “The Flood”, “The Medication”, “Iron Mask”, “Bloodletting”, “Little Cage”, “Moronic Colossus” oder “The Guilt Trip” in die Menge schleudert, die ohne Ausnahme zünden. THE HAUNTED geben sich die größte Mühe, animieren die Zuschauer, performen routiniert und liefern an ihren Instrumenten eine geradezu geniale Leistung ab, besonders das Gitarrenduo Jensen/Björler und Drummer Per M. Jensen stechen dabei besonders hervor. Doch irgendwie scheint die Band trotzdem einfach keinen guten Tag erwischt zu haben. Die Musiker wirken oftmals müde, ausgelaugt und zum Teil sogar etwas lustlos. Dies ist allerdings mehr als verständlich, schließlich waren THE HAUNTED in den letzten Wochen fast durchgängig unterwegs auf Tour und bei jedem Auftritt alles zu geben, schlaucht über kurz oder lang ungemein. Insgesamt dennoch ein guter Auftritt, bei dem mir Stücke wie “Hate Song” oder “D.O.A.” aber ein wenig gefehlt haben.

SONATA ARCTICA
Die Musik der finnischen Power Metal-Kombo SONATA ARCTICA, deren Auftritt nun auf dem Programm steht, trifft eigentlich so gar nicht meinen Nerv. Damit stehe ich heute jedoch allein auf weiter Flur, obwohl dieser Ausdruck bei der Enge zwischen den Massen der für SONATA ARCTICA erschienenen Zuschauer geradezu lächerlich erscheint. Los geht es dann nach einem kurzen Intro mit “Flag In The Ground”, das das Publikum dankend annimmt, die ersten Reihen grölen sogleich wie aus einem Munde mit. Von nun an jagt eine Hymne die nächste, es folgen Stücke wie “The Last Amazing Grays”, “Juliet”, “Last Drop Falls”, “Black Sheep” oder “FullMoon”, bei denen SONATA ARCTICA zu keinem Moment nachlassen und alles geben, um die Menge bei Laune zu halten. Das wäre jedoch kaum nötig gewesen, denn auch so frisst das Publikum der Band bedingungslos aus der Hand. Ich muss allerdings ein weiteres Mal feststellen, dass die Band einfach gar nichts für mich ist, besonders gegen den Gesang von Tony Kakko sträuben sich meine Ohren einfach. Abgesehen von dieser persönlichen Abneigung habe ich an der Show der Finnen am heutigen Festival-Donnerstag allerdings überhaupt nichts auszusetzen, musikalisch als auch in Sachen Bühnenshow sehr gute Leistung, die die Fans nach der einstündigen Spielzeit mit tosendem Applaus und nicht enden wollenden Zugabe-Rufen honoriert.

DIE APOKALYPTISCHEN REITER
Nun sind DIE APOKALYPTISCHEN REITER am Zuge, eine Band, die ich mir zwar daheim nicht zwingend den ganzen Tag anhören könnte, die mich live allerdings fast immer überzeugen konnte und auf deren Shows man sich immer wieder aufs Neue freut. Die Zuschauer sind in Scharen erschienen und schon während der Umbau-Pause erreicht die Stimmung der vorfreudigen Menge ein hohes Level. Und vom ersten Moment an wird ausgelassen gefeiert und restlos jedes Stück von allen Anwesenden mitgesungen. Fuchs springt wie immer bestens gelaunt und wie angestochen über die Bühne, animiert das Publikum, das er problemlos im Griff hat und das auf jede Aktivität auf der Bühne geradezu ekstatisch reagiert. Doch obwohl die Band wie immer begeistert und mitreißt, habe ich auf jeden Fall schon bessere Shows von den Apos gesehen, denn es gibt weder lustige Mitmach-Aktionen fürs Publikum wie das traditionelle Schlauchboot-Rennen, noch auch nur irgendeine Überraschung im Set. Sicher treffen Stücke wie “Wir Sind Das Licht”, “Es Wird Schlimmer”, “Revolution”, “Rides On The Storm”, “Friede Sei Mit Dir”, “Adrenalin” oder “We Will Never Die” sowieso immer ihr Ziel, doch mittlerweile gleichen sich die Shows der APOKALYPTISCHEN REITER untereinander so stark, dass man langsam fast doch die Lust an ihnen verliert. Auch ist es wirklich schade, dass die Fünf mittlerweile nur noch aktuelle Songs spielen und kein einziges älteres Stück mehr Platz im Live-Set findet. Deshalb wird die Band zum Ende des Gigs zwar trotzdem abgefeiert, die Enttäuschung über eine weitere Durchschnitts-Show der Band steht vielen Reiter-Fans allerdings ins Gesicht geschrieben.

EDGUY
Und schon ist die Zeit für den ersten Headliner des Festivals gekommen: EDGUY. Von Beginn an treten die fünf Hessen um Mastermind und Fronter Tobias Sammet so richtig aufs Gas und beweisen sofort, dass sie ihrer Spielposition mehr als würdig sind. Die Band ist bestens gelaunt, hochmotiviert und begeistert nicht nur damit, dass musikalisch jede Note optimal sitzt, sondern auch mit symphatischen Ansagen und Dialogen mit dem Publikum und abwechslungsreichem, agilem, mal nicht übertriebenem oder hektischem Stageacting. Der Andrang vor der Bühne ist geradezu gewaltig, das Publikum feiert ausgelassen, singt jede Textzeile geübt mit und schon bald verwandelt sich der Platz vor der Bühne in ein einziges Meer wallender Mähnen. Die Band genießt die ekstatischen Reaktionen sichtlich und hat die Zuschauer völlig im Griff.
Dominiert wird das Set der Power Metaller vor allem von aktuellen Stücken wie “Dead Or Rock”, “Speedhoven” oder “Ministry Of Saints” vom aktuellen Album “Tinnitus Sanctus” oder “Save Me” und “Superheroes” vom Vorgänger “Rocket Ride”, doch auch Klassiker wie “Vain Glory Opera” oder “Tears Of A Mandrake” dürfen im Set von EDGUY an diesem Abend natürlich nicht fehlen. Lediglich auf den Live-Klassiker “Babylon” warten die Fans vergeblich, doch tut das dem Auftritt keinen Abbruch, ganz im Gegenteil, zumindest ich persönlich bin froh, dass es noch Bands gibt, die nicht bei jeder Show dasselbe Set gefühllos runter rattern. Zusammengefasst ein Wahnsinns-Auftritt, bei dem EDGUY mal wieder zeigen konnten, warum sie, ganz zum Trotz der vielen super-trven engstirnigen Hartmetaller, die die Band nur zu gern als Kasperletruppe abstempeln, einfach zu den besten Bands Deutschlands ihres Genres zählen. Vielen Dank!

FEUERENGEL
Den Abschluss des heutigen Abends bildet die RAMMSTEIN-Tribut-Formation FEUERENGEL, die ihren Idolen in einem Late Night-Special mit fetter Pyroshow nacheifern wollen. Und alle Achtung, selten habe ich so viele Gesichter bei einer Cover-Band vor der Bühne gesehen. Als die Sechs die Bühne betreten und mit “Rammlied” das erste Stück anstimmen, sind sie offensichtlich selbst ebenso überrascht wie ich, lassen sich allerdings kein bisschen einschüchtern und liefern in der folgenden Stunde eine sehr souveräne Show ab. Die Cover wie “Links 234”, “Du Hast”, “Sonne”, “Waidmanns Heil”, “Mein Teil”, “Asche Zu Asche”, Ich Tu dir Weh”, “Feuer Frei”, “Du Riechst So Gut” oder “Engel” tönen überraschend originalgetreu aus den Boxen und das Publikum grölt jede Zeile wie aus einem Munde mit, angefeuert von der bestens gelaunten Band. Als Highlight der Show gibt es natürlich jede Menge Pyro-Spezial-Effekte, die einer rundum überragenden Show nur noch die Krone aufsetzen. Meine Güte, ich bin zwar kein RAMMSTEIN-Fan, aber besser hätten FEUERENGEL ihren Job wirklich nicht machen können. Optimaler Abschluss des ersten Festival-Tages.

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31.07.2010

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