ROCKHARZ Open Air 2024
Der große Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: Brothers Of Metal, The Halo Effect, Spidergawd, Orden Ogan, Gutalax, Mammoth WVH, Bruce Dickinson, The O'Reillys And The Paddyhats, Hammerfall, Surgical Strike, League Of Distortion, Benediction, Suicidal Tendencies, Parasite Inc., Coppelius, Judas Priest, Lordi, Rage, Pain, Dominum, Amorphis, Dying Fetus, Storm Seeker, Heldmaschine, Callejon, Hatebreed, Unearth, Faun, Hypocrisy, Dimmu Borgir, Nestor, Avatarium und Draconian
Konzert vom 03.07.2024 | Flugplatz, Ballenstedt

ROCKHARZ 2024: Tag 1 – Mittwoch, 3. Juli

Anreise- und Aufbaustress sind für die meisten längst Schnee von gestern, vor dem Einlass am Infield versammeln sich lange vor 15 Uhr die ersten Ungeduldigen. Als es endlich so weit ist, strömen viele direkt zur DARK STAGE, denn mit POWER PALADIN gibt es direkt zu Beginn eine Power-Metal-Allround-Waffe.

POWER PALADIN: Isländer in kurzen Hosen:

Ob DRAGONFORCE-Fingerakrobatik, Midtempo-Stampfer oder Ohrwurmrefrains zum Mitsingen – die Senkrechtstarter aus Reykjavik bieten melodische Vollbedienung und sind somit auch die ideale Festival-Eröffnung, denn: Power Metal geht immer, vor allem auf dem ROCKHARZ. Wenn auch der Himmel noch nicht so richtig nach tropischer Hitze aussieht, bei dem Sextett auf der Bühne ist der Sommer ausgebrochen – mit Hotpants und Hawaiihemd.

Während das Publikum POWER PALADIN noch ordentlich abfeiert, fliegt von rechts bereits die erste Klorolle in die Menge. Na, wer kann es denn da nicht abwarten? Auf der ROCK STAGE übernehmen gleich die Toilettenpriester von GUTALAX.

Galerie mit 25 Bildern: Power Paladin - Rockharz Open Air 2024

GUTALAX: Stop talking, let’s dance

Gute Laune gefällig? Bühne frei für GUTALAX, die in ihren weißen Ganzkörperanzügen eine ganze Heerschar an Fans dirigiert – eine Meute, die mit Pömpeln, Seifenblasen, Gummitierchen, Klobürsten und Toilettenpapier … ja, was eigentlich macht? Gediegen abfeiern beispielsweise, denn schon das Baywatch-Intro ist ein Test für geschmeidige Hüftbewegungen. Der selbsternannte Gore’n’Roll ist jedenfalls ein Stimmungsgarant und der Fäkalhumor der Tschechen überfordert wirklich niemanden.

Aber: „Stop talking, let’s dance“, wie „Sänger“ Maty sagt. Zwar spaltet sein merkwürdiger Knarzgesang wie immer das Fanlager, aber vor der Bühne ist ordentlich was los, Circlepit und Crowdsurfer auf Mülltonne inklusive. Die Fans verk*cken zwar ihren Einsatz bei der Wall of Death, aber hey, das ist eben „Fart And Furious“. Weiter geht’s nebenan mit bierernstem Metal.

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BROTHERS OF METAL: Unterschallt statt überhopft

Die Klobürsten sind weggesteckt (wohin, das wissen nur die Träger:innen), die Pommesgabeln bleiben aber zahlreich in den immer noch unerwartet strahlenden Himmel gereckt.

Die Power-Glam-Heavy-Wikinger von BROTHERS OF METAL (samt stimmgewaltiger Sister) fangen die beste Stimmung vor der Bühne ein und schwingen standesgemäß den Schottenrock und die Lederwamse. Einziger Wermuts(Was-hat-Mats-Nilsson-gesagt?)tropfen: Bis zur Mitte des Sets finden die steten „Lauter! Lauter!“-Rufe kein Gehör im FOH. Erst später entfalten die Schallmembranen halbwegs ihre Vibrationskraft und die Wolkenhütte rockt.

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MAMMOTH WVH: Pures Understatement

Der erste, rein optische Eindruck von MAMMOTH WVH: Lasst die Musik sprechen. Jedenfalls ist der schlichte schwarze Dress der Musiker pures Understatement und nichts deutet darauf hin, dass in der Mitte wirklich der Sohn einer Gitarrenlegende steht. Der zweite und dritte Eindruck: Klingt nach AC/DC beziehungsweise grungig. Oder um Wolfgang Van Halen zu zitieren: „We play wild music!“

Jedenfalls hat die Band mit drei Gitarristen ordentlich Livepower, wobei Wolfgang am Songanfang mal einen Groove vorgibt, dann aber auch alle Soli übernimmt. Den einen oder anderen Kniff hat er sich von seinem berühmten Vater abgeschaut, von seinem klaren, angenehmen Gesang mal ganz abgesehen. Insgesamt ein Auftritt, der auch diejenigen überzeugt, die bislang noch nichts von der Band gehört hatten.

Galerie mit 29 Bildern: Mammoth WVH - Rockharz Open Air 2024

KÄRBHOLZ: Zwei neue Kapitel an Bord

Der Auftritt einer Deutschrockband auf dem ROCKHARZ ist ein Muss. Dieses Jahr geben sich KÄRBHOLZ die Ehre, die mit „Kapitel 11: Barrikaden“ und „Kapitel 10: Wilde Augen“ (in dieser Reihenfolge) zwei neue Alben im Gepäck haben. Vor der Bühne versammelt sich eine textsichere Meute, die alte wie neue Stücke aus dem Effeff mitsingen kann. Das trifft sich gut, denn die Technik zickt während des Gigs ein wenig, was durch das fleißige Publikum weniger auffällt. Die lockeren Ansagen und Spielchen der Band tun ihr Übriges.

Deutschsprachig geht es auf der Nachbarstage weiter, doch der Rock weicht dem Metalcore: CALLEJON stehen in den Startlöchern.

Galerie mit 25 Bildern: Kärbholz - Rockharz Open Air 2024

CALLEJON: Etwas Wehmut, viel Haltung

Doch erst einmal kommt es zu einem anderen stilistischen Bruch. Während sich KÄRBHOLZ mit Backstreet Boys-Klängen verabschieden und das halbe Infield tanzt, wird die Stimmung plötzlich düster. CALLEJON starten ihr Set mit dunklen Synthieklängen, um dann Vollgas zu geben. Es wartet eine Setlist voller Hits. Fans begleiten „Dieses Lied Macht Betroffen“, „Porn From Spain III“ und „Blitzkreuz“ lautstark und im Pit klatscht Körper an Körper.

Weiter geht es unter anderem mit dem DIE ÄRZTE-Cover „Schrei Nach Liebe“ – ein klares Statement und das Publikum zeigt sich textsicher. Dass CALLEJON auch noch „Snake Mountain“ im Set unterbringen, rundet den sympathischen Auftritt der Düsseldorfer ab. Ein gelungener Trost für alle, die die scheidenden Bandmitglieder Berni, Kotsche und Kotze in Zukunft vermissen werden. Es ist eine der letzten Shows in dieser Besetzung. Das Ende ist versöhnlich: An dem Auftritt gibt‘s wenig zu meckern und so blicken zufriedene Gesichter Richtung Nachbarbühne. Dort heißt es jetzt …

Galerie mit 26 Bildern: Callejon - Rockharz Open Air 2024

OOMPH!: Funktionieren auch mit neuem Sänger

… Augen auf, sie kommen! Den Kalauer müssen sich OOMPH! gefallen lassen. Seit 2023 treten sie mit ihrem neuen Sänger Daniel Schulz (ex-UNZUCHT) auf. Stand er letztes Jahr noch mit seinen ehemaligen Brötchengebern auf der Bühne, muss er heute beweisen, dass er die Stücke seines Vorgängers Dero Goi passend interpretieren kann.

Das fällt dem sympathischen Fronter nicht schwer: „Labyrinth“, „Träumst Du“, „Gekreuzigt“ und „Gott Ist Ein Popstar“ präsentiert „Schulle“ so, als hätte er in den zurückliegenden 30 Jahren nichts anderes gemacht, als die NDH-Kapelle zu fronten. Cr4p und Flux als Originalmitglieder halten sich zurück und überlassen das Feld dem neuen Kollegen, der neben den alten Krachern auch das neue Songmaterial von „Richter Und Henker“ tadellos meistert. Mit dem unvermeidlichen Hit „Augen Auf!“ verlassen OOMPH! die Bühne und machen Platz für eine der größten, noch aktiven Heavy-Metal-Legenden unserer Zeit.

Galerie mit 18 Bildern: Oomph! - Rockharz Open Air 2024

BRUCE DICKINSON: Scream for me ROCKHARZ!

Zeit für einen echten Kracher, denn erstens handelt es sich um den Frontmann von IRON f*cking MAIDEN und zweitens sind seine Soloalben keineswegs von schlechten Eltern. Wir sprechen über BRUCE DICKINSON, der an diesem Abend fast schon inkognito unterwegs ist: Mit Beanie auf dem Kopf statt freiliegender Zottelpracht. Optisch ist es eine andere Hausnummer als bei seiner Hauptband – darf es aber auch sein, denn er präsentiert ja heute Abend seine eigenen Songs.

Dass er Kollege Di Iorio kalt erwischt, hat aber andere Gründe. Der wundert sich nämlich: „Hä? Das klingt ja voll nach BRUCE DICKINSON!“ Junge, ist er ja auch! Manchmal sollte man die Sonnenbrille abnehmen, um den Zeitplan zu lesen.

Aber genug metal.de-Interna, auf der Bühne geht genug ab. Der Sänger hat eine vorzügliche Liveband um sich geschart, die nicht nur instrumental alles kann, sondern auch selbstbewusst agiert. Von vornehmer Zurückhaltung, weil der Frontmann eine lebende Metal-Legende ist, spürt man nichts. Vor allem Bassistin Tanya O’Callaghan und Tastenmann Mistheria machen ordentlich was her. Letzterer stürmt immer wieder mit seiner roten Keytar nach vorne. Zwar könnte sich Sänger Bruce von den Fans ordentlich feiern lassen, aber bis auf zwei „Scream for me ROCKHARZ!“ hält er sich mit derlei Selbstgefälligkeiten zurück.

Bleiben die Songs: Und da fällt auf, dass der Auftritt zwar unter dem Titel des aktuellen Albums „The Mandrake Project“ angekündigt wurde, die Show allerdings einen homogenen Querschnitt durch alle BRUCE DICKINSON-Soloalben bietet. Kleiner Funfact: „Eternity Has Failed“ gab es bereits in einer anderen Version auf dem „The Book Of Souls“-Album der „Eisernen Jungfrau“. Für wen nur IRON MAIDEN zählen, der kommt hier noch auf seine Kosten.

Galerie mit 29 Bildern: Bruce Dickinson - Rockharz Open Air 2024

DIRKSCHNEIDER: Zeitreise ins Solingen der frühen Achtziger

Nach BRUCE DICKINSON geht es klassisch weiter, denn Udo DIRKSCHNEIDER macht mit seiner ACCEPT-Klassiker-Tour halt auf der DARK STAGE. Heute Abend gibt es dementsprechend nur Songs der frühen Alben von „I’m A Rebel“ bis „Metal Heart“.

Der Altersdurchschnitt im Publikum steigt zwar merklich an, das heißt aber nicht, dass die Evergreens weniger abgefeiert werden. Ganz im Gegenteil: Songs wie „Midnight Mover“ oder „Princess Of The Dawn“ kennt jeder und grölt entsprechend laut mit.

Eines sei an dieser Stelle erwähnt: Udo DIRKSCHNEIDER wird in diesem Leben kein Partykönig mehr und seine Ansagen entbehren nicht einer dezenten Menge „Cringe“.

Letztlich stört das aber kaum einen, denn spätestens zu „Balls To The Wall“ liegen sich wieder alle glücklich in den Armen oder recken zumindest die Fäuste in den Himmel. Ein Hoch auf die Klassiker!

Kaum ist „My Way“ vom Band verklungen, geht es auf der ROCK STAGE mit AMORPHIS wieder 10 Jahre vorwärts in der Metalgeschichte.

Galerie mit 11 Bildern: Dirkschneider - Rockharz Open Air 2024

AMORPHIS: Eine Band für alle

Zehn Jahre sind, ausgehend vom Schaffensbeginn des Metal-Altvorderen DIRKSCHNEIDER, immer noch eine lange Historie: Immerhin haben AMORPHIS damit auch schon über dreißig Jahre auf dem Buckel und so manchen Stilwechsel durchgemacht.

Für die Generation 40plus ist Tomi Joutsen nach bald zwanzig Jahren Bandzugehörigkeit zwar immer noch der „neue“ Sänger, aber wie gewohnt nimmt der sympathische Frontmann das Publikum schnell für sich ein. Überhaupt sind AMORPHIS eine der Bands, auf die man sich immer gut einigen kann, egal, welcher Metal-Spielart man so frönt, und live sind die Finnen eine sichere Bank. Ob sie Klassiker wie „The Castaway“ und „Black Winter Day“ oder neuere Titel wie „Silver Bride“ und „Wrong Direction“ spielen, hier sitzt jede Bewegung und jeder Ton. Feel-Good-Metal in Perfektion, der unterhaltsam und kurzweilig daherkommt.

Dass zum Abschluss dann auch die melodischen Mitsing-Ohrwürmer „House Of Sleep“ und „The Bee“ ihren Platz erhalten, erfreut das Fanherz und rundet den Auftritt ab, bevor auf der DARK STAGE die Black-Metal-Senkrechtstarter KANONENFIEBER den ersten Festivaltag beschließen. Und die laden thematisch so gar nicht zum Wohlfühlen ein.

Galerie mit 22 Bildern: Amorphis - Rockharz Open Air 2024

KANONENFIEBER: Bieten eine große Show

Gerade einmal vier Jahre ist dieses Projekt alt, doch die Band um Fronter Noise beweist eindrücklich, warum sie sich bereits nach so kurzer Zeit einen derart prominenten Slot erspielt hat. Und hier ist sicher noch nicht Schluss.

Die Bamberger haben ein ausgeklügeltes Konzept auf Grundlage einer Weltkriegs-Thematik ausgearbeitet: Ein opulenter Bühnenaufbau mit Stacheldraht und Sandsäcken trifft hier auf eine bombastische Show, die effektvoll Pyrotechnik, Licht und Nebel einsetzt. Die Musiker sind entsprechend in Kriegsmontur gekleidet und schwarz maskiert. Noise leitet die Choreografie in seiner Generalsuniform gestenreich an und bringt sogar einen Flammenwerfer zum Einsatz. Zwar ist der Sound ein wenig verwaschen, aber der Gesamtauftritt entschädigt hierfür hinreichend: Ein insgesamt beachtlicher und beeindruckender Auftritt.

Galerie mit 21 Bildern: Kanonenfieber - Rockharz Open Air 2024

Damit hat Tag 1 des ROCKHARZ schonmal ordentlich vorgelegt. Jetzt heißt es: Kraft sammeln für Tag 2.

Fotos von den Autogrammstunden am Mittwoch:

Galerie mit 58 Bildern: Rockharz 2024 - Autogrammstunden Mittwoch 16:00-18:30

Galerie mit 47 Bildern: Rockharz 2024 - Autogrammstunden Mittwoch 18:45-21:30

Impressionen vom Mittwoch:

Galerie mit 50 Bildern: Rockharz Open Air 2024 – Impressionen vom Mittwoch

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21.07.2024

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