Rockharz Open Air 2023
Der große Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: Blind Guardian, In Flames, Arch Enemy, Amon Amarth, A Life Divided, All For Metal, Airbourne, Angus McSix, As I Lay Dying, Burning Witches, Die Apokalyptischen Reiter, Battle Beast, Bloodbound, Carcass, Children Of Grotesque, Delta Bats, Destruction, Einherjer, Equilibrium, Exhorder, Feuerschwanz, Fiddler's Green, Firkin, Hämatom, How We End, Infinitas, Kneipenterroristen, Knorkator, Korpiklaani, Kris Barras Band, Lacuna Coil, Legion Of The Damned, Letzte Instanz, Life Of Agony, Lord Of The Lost, Mono Inc., Moonspell, Mr. Hurley & Die Pulveraffen, Null Positiv, Ohrenfeindt, Onslaught, Paradise Lost, Phil Campbell and the Bastard Sons, Rauhbein, Saltatio Mortis, Septicflesh, Skáld, Sonata Arctica, Soulbound, Tanzwut, The Dark Side Of The Moon, The Legion:Ghost, Tribulation, Unzucht, Versengold, Voodoo Kiss, Wind Rose und Wolfheart
Konzert vom 05.07.2023 | Ballenstedt, Flugplatz

Samstag, 08.07.2023

Fotos der Autogrammstunden am Samstag

Galerie mit 64 Bildern: Rockharz Open Air 2023 - Autogrammstunden Samstag 13:00 bis 16:00 Uhr Galerie mit 65 Bildern: Rockharz Open Air 2023 - Autogrammstunden Samstag 16:00 bis 18:30 Uhr Galerie mit 48 Bildern: Rockharz Open Air 2023 - Autogrammstunden Samstag 18:30 bis 20:30 Uhr

VOODOO KISS rocken gemütlich los

(Rock Stage, 11:20-11:50)

Der Samstag wird heiß, richtig heiß. Der Morgen deutet es schon an und entsprechend entspannt schlendern die ersten Gäste Richtung Bühne. Dort werden sie groovig und ebenfalls sehr gelassen empfangen. Denn VOODOO KISS spielen Hardrock, der zwar zum Mitwippen anregt, aber noch keine große körperliche Anstrengung à la Moshpit einfordert. Es ist ein angenehmes „Geben und Nehmen“ an diesem Rockharz-Morgen: Auf der Bühne VOODOO KISS, die sich 2022 nach 20 Jahren Abstinenz wiedergefunden haben und souverän aufspielen, vor der Rock Stage ihr Publikum, das die ersten Tanz-Bemühungen vollzieht und jeden Song würdig-applaudierend honoriert. Mehr ist auch nicht nötig. Das Gesangsduo liefert hervorragende Arbeit, Fans dürfen sich auf neue Songs freuen und „Thousand Steps Of Goodbye“ ist ein schöner Schlussakt, bevor die Hitzeschlacht so richtig beginnt.

Galerie mit 14 Bildern: Voodoo Kiss - Rockharz Open Air 2023

SOULBOUND trumpfen auf

(Dark Stage, 11:55–12:25)

Es verwundert kaum, dass sich unter den Zuschauenden von SOULBOUND auch so einige Fans von LORD OF THE LOST befinden. Nicht nur hat deren Fronter, Christ Harms, das aktuelle Album „Addicted To Hell“ produziert, auch schlägt der Sound von SOULBOUND verdächtig in Richtung der ESC-Teilnehmer 2023 aus. Passend zum Kontext setzen die Modern-Metaller aus Bielefeld ein Zeichen für Vielfalt und gegen Ausgrenzung und Intoleranz, der sie mit ihrem Song „Fuck You“ und kräftiger gesanglicher Unterstützung der Zuschauenden den Mittelfinger zeigen.

SOULBOUND präsentieren sich sehr sympathisch, bodenständig und erstaunlich souverän für eine Band, die nach eigenem Bekunden zum ersten Mal auf einer derart großen Bühne steht. Zwar ist das Publikum nicht immer textsicher, aber mit viel Engagement und Inbrunst bei der Sache. Als Respektbekundung für die enthusiastische Reaktion knien die Musiker sogar kurz und geschlossen nieder – eine sehr authentische und ehrliche Geste der Bielefelder, die mit der aktuellen Soundformel und neuem Album im Gepäck in den Festivals-Slots durchaus weiter nach oben rutschen dürften.

Galerie mit 22 Bildern: Soulbound - Rockharz Open Air 2023

A LIFE DIVIDED präsentieren ihr neues Album

(Rock Stage, 12:30–13:10)

Auf den klangvollen Namen „Down The Spiral Of A Soul“ hört A LIFE DIVIDEDs neues Werk, das am Rockharz-Freitag das Licht der Welt erblickt hat und in diversen Versionen, prominent aufgestellt, am Hot Shot Records-Stand erhältlich ist. Nur logisch, dass die Band dieses Material während ihres Gigs auch präsentiert. Wie beim gestrigen Auftritt von BLOODBOUND werden Bierdeckel und Streichholzpackungen mit dem Albumcover als kleine Devotionalien verteilt. Da beide Bands bei AFM Records unter Vertrag sind, zeichnet sich hier ein Muster ab.

Die Zahl der Anwesenden ist überschaubar, aber Sänger Jürgen Plangger lobt sie fürs Weckerstellen, um rechtzeitig auf dem Gelände zu erscheinen. Wie viele tatsächlich kurz vor Start von A LIFE DIVIDED noch geschlafen haben, ist fraglich, da die Zelttemperaturen angesichts des heißen Samstags mittlerweile jenseits der 40°C liegen. Ist aber auch nebensächlich, denn Musiker und Fans haben ihre „Best Time“ mit dem Gig und A LIFE DIVIDED ihr neues Album souverän vorgestellt.

Galerie mit 21 Bildern: A Life Divided – Rockharz Open Air 2023

OHRENFEINDT sind mal hart, mal zart

(Dark Stage, 13:15–13:55)

Das ist wohl ein Novum: Die in stattlicher Anzahl erschienenen Fans von OHRENFEINDT fordern bereits vor Beginn des Sets eine Zugabe. Der „Vollgasrock aus St. Pauli“ funktioniert immer und auf die Herren um Chris Laut ist einfach Verlass. Klar, das klingt alles verdammt nach AC/DC, aber die Mischung aus Aussie-Hard-Rock und Hamburger Schnack hat etwas Ureigenes. Zum Start singt Chris erst einmal ein „Harley-Luja“ auf dicke Motorräder, bevor es in „Porschekiller“ und „Motor An“ weiterhin um Pferdestärken geht.

Apropos Motor, der des Publikums läuft dank OHRENFEINDT auf Hochtouren. Der Sympathie und Spielfreude der Paulianer kann man sich nur schwer entziehen. Diese Jungs sind einfach ehrlich auf der Bühne, egal ob es um dicke Boliden geht oder um ernste Themen, wie beim ungewöhnlichen Abschluss des Sets. Statt auf Party zu setzen, erzählt Chris Laut von Leuten, die sich aufgrund von Depressionen das Leben genommen haben und plädiert mit seiner emotionalen Ansage und dem nachfolgenden „Tanz Nackt“ dafür, immer ein wachsames Auge auf und ein offenes Ohr für seine Mitmenschen zu haben. Stark!

Galerie mit 13 Bildern: Ohrenfeindt - Rockharz Open Air 2023

EINHERJER: Wikinger in Ballenstedt

(Rock Stage, 14:00–14:40)

Wikinger in Ballenstedt! Was in früheren Zeiten ein Schockmoment gewesen wäre, erntet heute Jubel – jedenfalls bei den Fans auf dem noch etwas schütter gefüllten Infield. Und die sehen nicht nur ein großes Backdrop mit einem nach Walhalla aufsteigenden Krieger, sondern eine Show, die wie ein Überraschungsangriff von Seeseite beginnt: „Wir sind EINHERJER und dies ist ‚The Blood And The Iron'“, macht Frontmann Frode Glesnes sofort klar. Musikalisch überwiegen stampfende Midtempo-Hymnen, bei denen man gut den Kopf schütteln und die Fäuste recken kann.

Das macht Laune. Auch die Performance sorgt für Kurzweil, beispielsweise als Ole Sønstabø zu einem Gitarrensolo ansetzt und sich sein Saiten-Kollege Tom Enge von hinten heranpirscht, um Ole den Gitarrenhals unter dem Schritt hindurchzuschieben. Eieiei, das ist doch nicht jugendfrei. Wie gewohnt sind die Norweger um keine Rockstar-Pose verlegen, wenn der glatzköpfige Frontmann seinen Bass in die Höhe reckt oder sich die drei Herren der Saitenfraktion in einer Reihe aufstellen, um synchron zu bangen. Einzig Drummer Gerhard Storesund findet bei zu verrichtender Schwerstarbeit kaum Zeit für Sperenzchen, sondern versieht die grimmigen Wikingerhymnen mit teils vertrackten Rhythmen.

„Dragons Of The North“, „Ironbound“ und das abschließende „Odin Owns Ye All“ kommen beim Publikum gut an und als EINHERJER nach vierzig Minuten den Gig beenden, ernten sie noch einmal verdienten Extra-Applaus.

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WOLFHEART bringen den finnischen Winter in die Sommersonne

(Dark Stage, 14:45–15:25)

Tuomas Saukkonen ist seit Jahren gern gesehener Gast auf den Bühnen des Rockharz, zuletzt vor allem mit seinem aktuellen Hauptprojekt WOLFHEART. Da der letzte Besuch schon sechs Jahre her ist, wurde es mal wieder Zeit. Das denken sich offenbar auch die bereits in beachtlicher Anzahl versammelten Menschen vor der Dark Stage. Sind die Reaktionen anfangs aufgrund des ruhigen Starts – und der Bullenhitze – noch verhalten, entsteht schon bald ein erster Moshpit.

Fronter Saukkonen hält sich erst einmal im Hintergrund, für die Ansagen sind Bassist Lauri Silvonen und Gitarrist Vagelis Karzis zuständig. Letzterer sorgt mit seinen klasse Soli für tolle Akzente im riffdominierten Sound der Finnen. Als Tuomas Saukkonen dann endlich selbst zum Mikro greift und um etwas Wind zur Abkühlung bittet, ist das Publikum bereit. Eine riesige Freifläche bildet sich und der bislang größte Circle Pit des Tages sorgt vielleicht nicht unbedingt für Wind, aber für umso mehr Staub. Ob der atmosphärische Start geschickt gewählt war, darüber lässt sich streiten, denn vor allem mit der zweiten Hälfte ihres Sets setzen WOLFHEART die Messlatte in Sachen Melo Death auf dem Rockharz verdammt hoch.

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WIND ROSE trotzen der Hitze

(Rock Stage, 15:30–16:10)

Die Sonne am Nachmittag brennt unaufhörlich. Trotzdem stehen die fünf Herren von WIND ROSE in dicken Panzern und Fellbekleidung auf der ROCK STAGE. Die Power-Metaller aus Italien sind derartige Temperaturen anscheinend gewohnt und liefern ihren Fans einen ordentlichen Schwung Musik.

Sänger Francesco Cavalieri schwingt zu „Fellows Of The Hammer“ die Plastikimitation eines Hammers. Überhaupt ist es auf und vor der Bühne sehr ausgelassen und farbenfroh, denn die Fans von WIND ROSE feiern die eingängigen Melodien des Quintetts mit diversen quietschbunten Spielzeugattrappen.

Höhepunkt und Abschluss des 40-minütigen Sets ist das THE-YOGSCAST-Cover „Diggy Diggy Hole“ – den Refrain „I Am A Dwarf And I’m Digging A Hole, Diggy Diggy Hole, Diggy Diggy Hole“ grölen tausende Kehlen und zum Remix des großen Hits (vom Band) verlassen WIND ROSE die Bühne.

Galerie mit 15 Bildern: Wind Rose - Rockharz Open Air 2023

LEGION OF THE DAMNED spielen verdammt kurz

(Dark Stage, 16:15–17:00)

Ein Raunen geht über das gut gefüllte Infield: Der Gig von LEGION OF THE DAMNED verzögert sich. Grund: Die thrashenden Holländer sind bei der Anfahrt liegen geblieben und stehen erst mit gut zwanzig Minuten Verspätung auf der Bühne.

Ohne Intro geht es zwar nicht, aber mit „Legion Of The Damned“ legt der Fünfer einen Kickstart hin – die Menge geht von Beginn an mit. Und nachdem der Gesang endlich zu hören ist, stimmt auch auf der Bühne alles. Da geben sich die beiden grinsenden Gitarristen prompt einen Fistbump. Ganz offensichtlich haben die Holländer dennoch mächtig Spaß, ihren Thrash Metal in die Menge zu schreddern. Und da es auf dem Gelände eh schon knackig warm ist, kommt eine Abkühlung aus dem großen Wasserschlauch der Secus gerade recht.

Von hitzebedingter Zurückhaltung ist auf der Bühne aber nichts zu spüren: Die Gitarristen wechseln immer wieder ihre Seiten, während Frontmann Mucki Swinkels unentwegt über die Bühne tigert. Dabei schwingt er seine Matte, während er sein Mikro mit beiden Händen von sich weghält. Im Set landen auch ein paar Songs vom aktuellen Album „The Poison Chalice“, zu denen es sich ebenso einwandfrei headbangen lässt wie zu allen anderen Liedern – Hauptsache hart riffendes Midtempo.

Nach einer guten halben Stunde pirscht sich am Bühnenrand eine Mitarbeiterin ins Blickfeld und gestikuliert mit ihrer flachen Hand auf Halshöhe: „Jungs, das war’s!“ Somit beenden LEGION OF THE DAMNED mit den letzten Tönen von „The Poison Chalice“ keine Sekunde zu früh den Gig. Und auf der anderen Bühne geht es im Zeitplan mit MOONSPELL weiter. Hier war es jedenfalls kurz, aber intensiv.

Galerie mit 14 Bildern: Legion Of The Damned - Rockharz Open Air 2023

MOONSPELL verzichten auf die Geschichten aus der Gruft

(Dark Stage, 17:05–17:50)

Nach einem kurzen Intro steigen die Portugiesen standesgemäß mit ihrem Klassiker „Opium“ in ihren Auftritt ein und reisen anschließend quer durch die abwechslungsreiche, über 30-jährige Bandhistorie. Dabei fokussieren sich MOONSPELL bei bratender Sonne glücklicherweise nicht auf ihre Black-Metal-Titel, sondern auf die gothic-rockigeren Songs von „The Antidote“ und „Extinct“ und vom aktuellen Werk „Hermitage“. So kann insbesondere das Schlagzeug den mediterranen Touch mit tribal-artigen Übergängen betonen.

MOONSPELL zeigen, dass düsterer Gothic Metal auch bei strahlendem Sonnenschein bestens funktionieren kann, wenn er locker-lässig in Wild-West-Manier inszeniert wird. Und mal ehrlich: Auch wenn das Backdrop den Klassiker der Band anteasert und einen großen Vollmond zeigt, würden „Vampiria“ oder „Full Moon Madness“ hier sicherlich etwas seltsam rübergekommen.

Nach „Mephisto“ gibt es zum Abschluss die inoffizielle Bandhymne „Alma Mater“. Kurz vor Ende des Songs fällt der Sound jedoch aus – es bleibt unklar, ob das an technischen Problemen liegt oder an einer bewussten Abschaltung, weil sie die Spielzeit leicht überziehen. Das Publikum singt jedenfalls unverdrossen weiter. Und so kehrt der Sound für eine kurze Verabschiedung der Band glücklicherweise zurück.

Nach den gesundheitlichen Problemen und Sorgen um Frontmann Fernando Ribeiro im Frühsommer tut es richtig gut, die sympathischen Portugiesen wieder in guter Stimmung auf der Bühne und bei der anschließenden Autogrammstunde zu sehen.

Galerie mit 30 Bildern: Moonspell – Rockharz Open Air 2023

LACUNA COIL animieren die Fans

(Dark Stage, 17:55–18:40)

Manch einer fabuliert bei der brütenden Hitze von einer Strandbar mit dem Namen Laguna Cool … vergebens. Auf der Dark Stage machen sich vielmehr LACUNA COIL bereit, den Weg ins Totenreich zu gehen. So jedenfalls könnte man die optische Komponente des Auftritts deuten – vom minimalistischen Backdrop in Schwarz mit weißen Ornamenten über die Rorschach-Test-Kostümierung der fünf Italiener bis hin zu ihrem Grusel-Corpsepaint.

Dazu bildet die Musik einen gewissen Kontrast: Was Mitte der Neunziger mit Gothic Metal angefangen hat, ist mittlerweile immer moderneren Einflüssen gewichen. Da rattern die Drums eher maschinell, weshalb die ganz hohen Lagen von Cristina Scabbias Gesang im Sound etwas untergehen.

Macht aber nichts, denn die Sängerin trifft nicht nur alle Töne, sondern auch den Nerv der Fans, wenn sie immer wieder mit den Händen ein Herz in deren Richtung formt. Ganz nach dem Motto „Musik verbindet Menschen, Stimmen verbinden Menschen“ bittet sie die Fans zu „Heaven’s A Lie“, sie beim Refrain zu unterstützen. Die Meute lässt sich nicht zweimal bitten und singt aus Dutzenden Kehlen mit.

Ansonsten spielen sich Cristina und ihr Gesangspartner Andrea Ferro, der für die raueren Stimmlagen zuständig ist, die Bälle zu – nicht nur bei Songs vom Schlage „Layers Of Time“ und „Now Or Never“, sondern auch bei den Ansagen. Das Publikum feiert es und macht schließlich den kollektiven Scheibenwischer. Bei so viel Zuneigung ist jetzt aber Zeit für ein paar heftigere Klänge, oder?

Galerie mit 30 Bildern: Lacuna Coil - Rockharz Open Air 2023

CARCASS knüppeln entspannt drauflos

(Rock Stage, 18:45–19:30)

Die gröbste Hitze ist vorbei und in der Abendsonne können alle ihre letzten Kräfte mobilisieren. Kein schlechter Zeitpunkt, denn nach vielen Jahren hat es die britischen Death-Metal-Urgesteine von CARCASS endlich zum Rockharz verschlagen. Dabei agieren die Routiniers entspannt wie immer: Jeff Walker hat ein dickes Grinsen im Gesicht und ist nach wie vor kein Freund von langen Ansagen, während Bill Steer im Hippie-Outfit leichtfüßig über die Bühne groovt.

Stichwort „Groove“: CARCASS variieren ständig zwischen knarzendem Geballer aus früheren Tagen, melodischem Material von „Heartwork“ und Co. sowie einer Mischung daraus, die von den beiden bärenstarken Neuzeitalben „Surgical Steel“ und „Torn Arteries“ kommt.

Auch wenn der Altersdurchschnitt vor der Rock Stage zeigt, dass hier vor allem Klassikerfreunde zugegen sind, sorgt das skalpellscharfe Spiel der Männer aus Liverpool für viel Bewegung. Als Belohnung gibt es nicht nur garstiges Gekrächze von Jeff Walker, sondern auch Wasser für die vorderen Reihen.

Klar, im Dunkeln würde die schicke Lightshow von CARCASS deutlich besser kommen, aber der humorlose Todesstahl der Briten überzeugt trotzdem wieder vollends.

Galerie mit 13 Bildern: Carcass - Rockharz Open Air 2023

LIFE OF AGONY feiern ein Jubiläum

(Dark Stage, 19:35–20:35)

Wer in den frühen 1990er-Jahren öfter mal MTV eingeschaltet hat, kam um „River Runs Red“ kaum herum – ein monumentales Album, dessen Einflüsse sich nicht nur im Sound der legendären TYPE O NEGATIVE wiederfinden, sondern auch darüber hinaus bei vielen Modern-Metal-Bands. Im Zuge ihrer Jubiläumstour zum 1993er-Debütalbum spielt die Alternative-Metal-Crossover-Legende LIFE OF AGONY aus Brooklyn, New York, das Album in Gänze.

Stilistisch sind LIFE OF AGONY im diesjährigen Rockharz-Billing eher etwas Besonderes, sodass vor der Bühne aufgrund des zurückhaltenden Interesses noch ausreichend Platz ist. Schön aber, dass die Veranstalter beim Zusammenstellen des Billings den Mut hatten, vor LORD OF THE LOST und SALTATIO MORTIS eine etwas ungewöhnlichere Band zu platzieren, auch wenn „River Runs Red“ das Zielpublikum des Festivals vielleicht nicht zu 100 % trifft.

Frontfrau Mina Caputo ist jedenfalls ganz Profi und bedankt sich zu Beginn des Sets erstmal bei den Organisatoren und allen Mitarbeitenden hinter den Kulissen. Auch der Rest der Band weiß, wie man so eine Festivalbühne unterhaltsam beackert: Gitarrist Joey Z. und Bassist Alan Robert springen eifrig über die Stage, wann immer es die groovenden Klänge von LIFE OF AGONY zulassen. Mina Caputo bewegt sich dazu pausenlos, lässt sich auch von einem Stolperer samt Sturz nicht aus dem Konzept bringen und schleudert ihr Mikrofon künstlerisch-gekonnt durch die Luft.

Das Rockharz-Publikum nimmt die Energie von der Bühne zunächst etwas verhalten auf, doch im Laufe des Sets kommt doch noch der eine oder andere Circle Pit zustande. Und alle MTV-Kids von damals werden diese Darbietung sicherlich nicht so schnell vergessen.

Galerie mit 11 Bildern: Life Of Agony - Rockharz Open Air 2023

LORD OF THE LOST haben den ersten Platz im Herzen ihrer Fans

(Rock Stage, 20:40–21:40)

Wie bei ihrer Autogrammstunde sind auch vor dem Gig von LORD OF THE LOST viele Fans anwesend, die gespannt auf den Auftritt warten. Für die Hamburger Band war es bisher ein ereignisreiches Jahr – die Teilnahme am Eurovision Song Contest (mit einem total unverdienten letzten Platz) und diverse Auftritte im Vorprogramm von IRON MAIDEN sind nur zwei Highlights.

Nun ist aber Rockharz und der Gig von LORD OF THE LOST markiert das sechsjährige Bühnenjubiläum von Drummer Niklas Kahl, der 2017 an genau dieser Stelle seinen Einstand feierte. Gefeiert wird auch die Setlist der Band, die Songs aus allen Schaffensperioden bietet. Fans der ersten Stunde tanzen zu „Dry The Rain“ und „Blood For Blood“ vom dritten Album „Die Tomorrow“, das kürzlich im Rahmen seines zehnten Geburtstages neu aufgelegt wurde ist – sowieso immer ein Selbstläufer.

Eine Tanzstunde in drei Akten schafft es, auch nüchterne Festivalbesucher schwindelig zu drehen. Und neuere Stücke wie „Morgana“ und natürlich der ESC-Beitrag „Blood & Glitter“ kommen bei den Anwesenden ebenfalls sehr gut an.

Gegen Ende des Sets wird es mit „One Last Song“ sehr emotional – da kommt trotz der präsenten Wärme reichlich Gänsehautfeeling auf, bevor LORD OF THE LOST mit „Drag Me To Hell“ erneut alle Register ziehen.

Fünf Jahre noch, dann steht die Band auf Festival-Line-ups dieser Größe ganz oben – die musikalische Qualität und sehr respektable Fleißarbeit ist in jedem Fall gegeben!

Galerie mit 11 Bildern: Lord Of The Lost - Rockharz Open Air 2023

SALTATIO MORTIS verbrennen die Welt

(Dark Stage, 21:45–22:45)

Es gibt Namen, die eng mit einem Festival verbunden sind – für das Rockharz sind das Bands wie SALTATIO MORTIS, die nicht nur einmal auf den großen Bühnen standen. Sänger Alea ist seit Mittwoch auf dem Gelände unterwegs und war unter anderem bei der FEUERSCHWANZ-Show am Start.

Mit dem Erlöschen der Töne auf der Rock Stage wandern die Blicke zum anstehenden Gig von SALTATIO MORTIS: Auf der Dark Stage verhüllt eine Regenbogenfahne zunächst die Sicht, doch nach dem Intro fällt der Vorhang und Alea und seine Mitstreiter starten mit „Alive Now“. Der Track steht für die musikalische Entwicklung von SALTATIO MORTIS: weniger Mittelalter und Folk, mehr Party und englische Texte.

Dass Musik ein „Dorn Im Ohr“, aber wohl keine Lösung der sich türmenden Problematiken sein kann, thematisiert der entsprechende Titel. Nach „Wo Sind Die Clowns“ wendet sich Alea an das Publikum und vor allem an die Crowdsurfer.

Für das folgende „Loki“ bittet er, das Surfen einzustellen, da niemand im Graben landen darf. Warum das so ist, wird sofort klar: An den großen Masten vor der Bühne befinden sich etliche Flammenwerfer , die rhythmisch eine gewaltige Feuersbrunst inszenieren – insbesondere beim Refrain „Ich Bin Loki, Ich Verbrenne Die Welt“. SALTATIO MORTIS können nach der beeindruckenden Feuershow direkt nachlegen: „Heimdall“ ertönt und das Inferno geht auf der Bühne weiter.

Der nächste besondere Punkt ist das Gesangsduo aus Cristina Scabbia von LACUNA COIL und Alea, die zum Gedenken an den viel zu früh verstorbenen Dirk Lehberger vom Rockharz-Festival den Song „Dragonborn“ darbieten.

Mit der neuen Single „Taugenichts“ und dem beliebten ELECTRIC-CALLBOYS-Cover „Hypa Hypa” geht es auf die Zielgerade, bevor der „Spielmannsschwur” das Set beendet. Unter tosendem Applaus und „Remmidemmi“ vom Band verneigen sich Alea und Co. vor ihren Fans.

Galerie mit 17 Bildern: Saltatio Mortis - Rockharz Open Air 2023

AMON AMARTH bringen die Temperatur wieder auf 30 Grad und mehr

(Rock Stage: 22:50–00:15)

Niemand freut sich auf das Ende des Festivals. Viele freuen sich darauf, dass die Temperaturen mit der untergegangenen Sonne nun erträglicher sind – und darauf, dass der Headliner AMON AMARTH auf der Bühne steht. Die Wikinger starten direkt mit massig Pyro und „Guardians Of Asgaard“ in ihr Set, und im Pit geht es sofort wieder heiß her.

Leider werden die Alben vor 2002 schon lange nicht mehr live beachtet – selbst ein oft gespielter Kracher wie „Victorious March“ fehlt auch heute. Da 2002 aber schon 21 Jahre her ist und AMON AMARTH seitdem viele Hitalben veröffentlicht haben, schaffen sie es natürlich locker, die anderthalb Stunden Spielzeit mit genug Material zu füllen. Um uns das zu beweisen, zocken sie schon früh zwei absolute Must-Plays: „Death In Fire“ und „The Pursuit Of Vikings“ kommen nacheinander! Andere Bands hätten sich so einen Doppelschlag für die Zugabe aufgehoben.

Und es kommt noch so viel mehr auf uns zu: „The Great Heathen Army“ samt Schwertkampf auf der Bühne, gereckte Hörner bei „Heidrun“ und „Raise Your Horns“, eine kultige Ansage zu „First Kill“ und Blitzgewitter und Donner beim abschließenden „Twilight Of The Thunder God“.

Einzig das 2006er-Werk „With Oden On Our Side“ bleibt von den neueren Alben unbeachtet – obwohl „Runes To My Memory„ und „Asator“ doch immer als gesetzt gelten. Allerdings haben wir die Stücke inzwischen sehr oft live gehört. Da wir gerade bei dem Album sind: Als AMON AMARTH eine Powerballade ankündigen, hätte sich „Under The Northern Star“ gut gemacht. Doch die Ansage war scherzhaft gemeint und es ertönt “Destroyer Of The Universe“.

AMON AMARTH sind als Headliner eine sichere Bank, das ist klar. Mit dem heutigen Auftritt zeigen sie aber, dass sie ihrem Status auch gerecht werden. Somit bleibt der einzige Wermutstropfen, dass es schon der vorletzte Gig des Rockharz 2023 ist.

Galerie mit 26 Bildern: Amon Amarth – Rockharz Open Air 2023

PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS plays MOTÖRHEAD

(Dark Stage, 00:30–01:30)

Gibt es einen besseren Abschluss der diesjährigen Ausgabe, als einem der Wegbereiter der harten Gitarrenmusik zu gedenken? Die Anfänge sind bei HAWKWIND in den 70ern zu finden. Und MOTÖRHEAD ist und bleibt mit einem bestimmten Namen verbunden: Die Rede ist selbstverständlich von Lemmy Kilmister. Ein langjähriger Begleiter von Lemmy bei MOTÖRHEAD war Phil Campbell.

Dem Familienbetrieb PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS ist es vorbehalten, den musikalischen Schlusspunkt zu setzen. Es stehen vier Campbells auf der Bühne, nur Sänger Joel Peters gehört nicht zum Familienclan. Der Zusatz im Billing „plays MOTÖRHEAD“ macht klar, was es auf die Ohren gibt.

„Iron Fist”, „Damage Case“ und „Rock Out“: Der Geist von Lemmy feiert von der ersten Note an mit und reckt vor allem mit den Oldschool-Fans zur späten Stunde die Faust gen Himmel. Aber nicht nur MOTÖRHEAD-Coversongs stehen auf dem Programm. Lemmy und Co. hatten nach Aussage von Phil Campbell sehr viel Spaß mit „God Save The Queen“ von den SEX PISTOLS und auch die RAMONES mit dem gleichnamigen Titel sind Teil des Sets.

„Ace Of Spades“ sorgt für einen nochmaligen Circle Pit und eine mutige Dame geht auf den Schultern eines Mannes stehend zu der beliebten Nummer ab. „Going To Brazil”, „Killed By Death” und „Overkill” sind die letzten drei Songs der nostalgischen Reise mit PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS und des Rockharz 2023.

Galerie mit 20 Bildern: Phil Campbell and the Bastard Sons - Rockharz Open Air 2023

Impressionen vom Samstag

Galerie mit 24 Bildern: Rockharz Open Air 2023 – Impressionen vom Samstag

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21.07.2023

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