Rock im Park
Der große Festivalbericht vom 20. Rock im Park 2015
Konzertbericht
Auf der Zeppelin Stage pumpen eine halbe Stunde später mächtige, druckvolle Bassbeats in die Trommelfelle – THE PRODIGY sind der letzte Headliner der großen Hauptbühne und legen los mit „Breathe“. Ein Sound, zu dem irgendwie alle zusammen auf einen Nenner kommen und ihn gemeinsam abfeiern: diejenigen, die heute vor der Park Stage fast ausschließlich ihren Hip-Hop gehört haben (dort spielten Bilderbuch, Trailerpark, Prinz Pi, K.I.Z und Marsimoto, von denen wir rein gar nichts mitbekommen haben), als auch die ganzen verschiedenen Rock-affinen vor Ort und jene, die sich eher elektronisch orientieren. Der Doppel-Irokese Keith Flint und Dreadlockmann Maxim Reality machen wie immer jede Menge Alarm und springen von einer Bühnenseite zur anderen, während sich Mastermind Liam Howlett eher dezent im Hintergrund hält und der Gitarrero grimassenziehend in der Ecke. Natürlich qualmt dazu auch noch reichlich Nebel, verrauschte Videosequenzen flimmern über die Screens, hunderte bunte Lichtstrahler blitzen und Laser zucken in die Menge. Ihr Set orientiert sich stark am kürzlich veröffentlichten neuen Album „The Day Is My Enemy“, aus dem sie gleich acht Titel spielen, darunter „Nasty“, „Rok-Weiler“, „Roadblox“, „Get Your Fight On“ oder „Wall Of Death“. Das geht natürlich zu Lasten einiger alter Klassiker, für die keine Zeit mehr bleibt (etwa „No Good“, „Poison“ oder „Out Of Space“), aber auch davon haben sie trotzdem noch einige im Gepäck. Unter diesen besonders abgefeiert werden „Omen“, „Their Law“, „Invaders Must Die“ und vor allem „Firestarter“ (in einer leicht abgeänderten Version) und „Smack My Bitch Up“. Sie versprühen einfach eine Menge Power, das muss man ihnen lassen.
Danach bleibt Zeit für einen kurzen Zwischenstopp in der fast platzenden Alternarena bei den Kaliforniern von HOLLYWOOD UNDEAD. Die sechs sind ohne Frage besonders kreativ darin, verschiedenste Ideen und Einflüsse in flotte Abgehnummern zu verschmelzen, und so mixen sie munter Dancefloor-Beats mit Metal oder Rap und treffen dazu den Nerv der Besucher: das Festival ist fast vorbei, viele haben sich gerade erst bei The Prodigy verausgabt und wollen nun zum Abschluss nochmal richtig Kette geben, bevor es bald wieder in den schnöden Alltag geht. Die Amerikaner liefern dazu den passenden Soundtrack und die entsprechende Show, und die Abrissparty kommt von den Besuchern.
In dieser Art, aber das Ganze nochmal zum Quadrat spielt sich das Geschehen auch vor der Park Stage ab, zu der wir nach zwanzig Minuten wechseln. Niveau – weshalb, warum? Genau, die sympathischen Irren von DEICHKIND aus Hamburch sind am Start! Und sie liefern einen bis ins letzte Detail perfekt inszenierten Gig, zu dem der ganze Mob unisono wie ein Gummiball umherdotzt. Hinter ihnen steht eine Wand aus mobilen, sich ständig in Farbe und Position verändernden Quadern, und die Musiker bewegen davor in stetig wechselnden Gaga-Kostümen und Kopfbedeckungen exakt nach einer festgelegten Choreographie, bei der jede Bewegung optimal synchronisiert ist. Dabei werden sie natürlich natürlich stets in das optimale Licht getaucht. Dazu kommen von einer Hüpfburg über Sprünge an Bunjee-Seilen bis zum überdimensionalen Fass, in dem man rappend über die Köpfe der Besucher schwebt, noch allerlei nette Requisiten mit dazu – natürlich individuell für jeden Song wechselnd. Apropos Fass: Während dessen Fahrt durchs Publikum wird eine Fahne geschwenkt: „Refugees welcome“ – Flüchtlinge willkommen. Solche kleinen Details machen die Band noch interessanter: denn neben einer Bombast-Show der Superlative und dem ultimativen Partyprogramm mogelt sich, so ganz dezent am Rande, auch immer wieder eine Prise politischer Meinung und Kulturkritik hinein. Kommen wir zu den Songs, denn wenn die nicht zünden ist natürlich auch die beste Show wenig wert. Aber klar tun sie das, denn Deichkind haben auch in dieser Hinsicht diverse zwischen Hip-Hop und Electro changierende Kracher auf Lager: etwa „Like mich am Arsch“, „Arbeit nervt“, „Was habt ihr?“ (mit Ferris MC in königlicher Hauptrolle), „Powered By Emotion“ oder „So ‘ne Musik“. Und, zu guter Letzt als Zugabe, natürlich „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“, bei dem nochmal sämtliche Bühnenutenslien auf einmal ihren Einsatz haben. Um ein Fazit mit einem ihrer Songtitel zu ziehen: „Leider geil“.
Ein letztes Mal zwängen wir uns durch die Massen zur Alternarena, das letzte Konzert von Rock im Park läuft schon eine Weile, und die Ehre es zu bestreiten haben die vier Engländer von ENTER SHIKARI. Eine gute Wahl, gehören sie doch zu einer jener Live-Bands, bei denen es stets hoch her geht, und wie erwartet sehen wir die Crowd zwischen den zahlreichen gebündelten Lichtstrahlen, die über ihr kreisen, ziemlich ausgelassen toben. Zelebriert wird die typische, ganz eigenwillige Mischung aus (Post-)Hardcore, eingestreuten Dubstep-Elementen und Trance-Sounds vom Synthesizer, über die Leadsänger Roughton „Rou“ Reynolds die überwiegend politik- und gesellschaftskritischen Texte teils clean singt, teils herausschreit. Ein Großteil der gespielten Songs stammt vom Anfang des Jahres erschienenen Album „The Mindsweep“, die vielseitiger und trance-lastiger, dafür weniger aggressiv als die Stücke der früheren Jahre ausfallen. Sie zünden dennoch ebenso wie einige der älteren Werke à la „Mothership“, „Sorry, You’re Not A Winner“, „Juggernauts“ oder „Gandhi Mate, Gandhi“. Bei Letzterem ertönt auch der Schlussakkord, und das ist auch das Ende von Reynolds’ Keyboard, denn er zertrümmert es an den Boxen und wirft zum Abschied erst ein paar Tasten, dann die kläglichen Reste des Torsos in die Menge. Alles in allem ein gelungener Auftritt, der trotz drei langer Tage nochmal die verbliebenen Energiereserven aktiviert hat.
Das war es dann – eine, wie eingangs schon erwähnt, würdige Jubiläumsausgabe von Rock im Park geht zu Ende. Wir haben zahlreiche hochklassige Bands erlebt, von denen uns keine enttäuscht hat, und waren Teil eines trotz aller Wetterkapriolen äußerst feierwilligen und friedlichen Publikum. So darf es künftig gern die nächsten 20 Jahre weitergehen. Man sieht sich wieder 2016!
Text: Heiko Weigelt + Uwe Breidenbach
Fotos: Heiko Weigelt
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[Dem schließt sich „Everything’s Gone“ an, und es wird das einzige Stück vom aktuellen Album „Siren Charms“ bleiben. Stattdessen kredenzen sie einen gut ausgewählten Mix ihrer älteren Alben, darunter „Where the Dead Ships Dwell“, „Rusted Nail“, „Through Oblivion“ oder „Deliver Us“.]
In diesem Satz ist viel zu viel falsch:
1. Alle genannten Lieder sind von den aktuellsten beiden Alben
2. Rusted Nail und Through Oblivion (beide von Siren Charms) wurden nicht gespielt
Bitte ausbessern!