Rock im Park
Der große Festivalbericht vom 20. Rock im Park 2015

Konzertbericht

Billing: Lamb Of God, Parkway Drive, Slash feat. Myles Kennedy and the Conspirators, Tremonti und While She Sleeps
Konzert vom 2015-06-05 | Zeppelinfeld, Nürnberg

Vor der Park Stage folgt eine positive Überraschung: Der olle Schockrocker Brian Hugh Warner alias MARILYN MANSON hat sich doch tatsächlich wieder halbwegs in die Spur gekriegt! Nicht nur, dass er nach einigen mäßigen Alben mit „The Pale Emporer“ wieder an alte Glanzzeiten angeknüpft hat – sondern nach diversen miesen Konzerten der nicht allzu fernen Vergangenheit, auf denen er sich fett, lustlos und neben der Spur präsentiert hat, wirkt das Schreckgespenst des prüden Amerika heute deutlich schlanker und für seine Verhältnisse topmotiviert. Natürlich gibt er weiterhin die exzentrische Diva, aber nicht mehr konfus und angenervt, sondern mit Verve und Charisma. Fast wie in seinen besten Zeiten – geht doch! Das Publikum huldigt dem selbsternannten „God of fuck“ entsprechend und feiert nahtlos jeden Song vom Anfang bis zum Ende, was dem Meister das ein oder andere Lob entlockt („I love this motherfuckin’ city“).

Er haucht, kreischt und murmelt sich mit vielerlei Posen, aber jederzeit mitreißend und intensiv durch eine Auswahl seiner Songs, die wenig Wünsche offen lässt: Vom aktuellen Werk „The Pale Emporer“ spielt er gleich zum Auftakt „Deep Six“ und lässt später „Third Day Of A Seven Day Binge“ folgen; vom „Holy Wood“-Album serviert er „Disposable Teens“, vom „Golden Age Of Grotesque“-Album den Klassiker „mObscene“. Dazu kommen gleich drei Songs vom „Mechanical Animals“-Album, nämlich „Rock Is Dead“, „The Dope Show“ und als Zugabe „Coma White“, sowie einer vom „Born Villain“-Album in Form von „No Reflection“. Zwischendrin kommen mit „Personal Jesus“ (Depeche Mode) und „Sweet Dreams Are Made Of This“ (Eurythmics) zwei seiner sehr gut umgesetzten Coverversionen, und mit „Lunchbox“ ein Hit aus frühen Tagen. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf seinem wohl besten Werk „Antichrist Superstar“, von dem gleich fünf Titel stammen: neben dem Titelsong sind dies „Tourniquet“, „Angel With the Scabbed Wings“, „Irresponsible Hate Anthem“ und „The Beautiful People“. Apropos: Ganz ohne Drama geht’s dann aber doch nicht, das gehört zu einem Manson-Konzert wohl einfach auch dazu – zu „The Beautiful People“ (letzter Song des regulären Sets) räkelt er sich auf allen Vieren auf einer Monitorbox und stürzt plötzlich von dieser in den Fotograben. Minutenlange Verwirrung. Schließlich humpelt er zurück auf die Bühne, meint „I think I just broke my leg for you, but it was totally worth it“, lässt sich eine Weile behandeln, um dann mit einem umgeschwungenen Cape samt Kapuze nochmal für eine Zugabe zu erscheinen. Das Konzert wird wohl allen Anwesenden inklusive ihm selbst in Erinnerung bleiben.

Parallel dazu auf der großen Zeppelin Stage, vor der es ebenso wie bei Manson rappelvoll ist (nur eben noch mit ein paartausend Leuten zusätzlich): Der Ansager kündigt „Die Totengräber des guten Geschmacks“ an, dann flimmert ein grafisches Cowboy-Intro über die drei Leinwände links, hinter und rechts der Bühne und ein Intro im Stil eines Spaghetti-Westerns ertönt. Pyros zünden auf der Bühne, und die Explosionen setzen sich grafisch auf den Leinwänden fort. Andi, Breiti, Kuddel, Vom Ritchie und Campino alias DIE TOTEN HOSEN stürmen auf die Bretter, und los geht’s mit „Bonny & Clyde“, dem „Liebeslied“ und „Auswärtsspiel“ folgen. Wer die Hosen je live gesehen hat – unabhängig davon, ob man auf ihre Musik steht oder nicht – weiß, dass sie immer alles geben und stets eine ehrliche, mitreißende Show abliefern. Das ist an diesem Samstag in ihrem „Wohnzimmer“, wie Campino die Konzerte am Ring / im Park liebevoll bezeichnet (sie sind zum achten Mal dabei) natürlich nicht anders. Legendär wird das Konzert wohl nicht werden wie frühere von ihnen an gleicher Stelle, aber es gereicht dennoch zu den Höhepunkten des Festivals.
Gespielt wird natürlich die übliche Mischung aus neuen Songs, alten großen Hits, Saufliedern und Coverversionen, darunter „Hier kommt Alex“, „Wünsch Dir was“, „Alles Aus Liebe“, „Tage wie diese“ oder „Zehn kleine Jägermeister“, ebenso wie Iggy Pops „The Passenger“ oder „Should I Stay or Should I Go“ von THE CLASH. Dazu immer wieder Flanmmensäulen, Konfettikanonen, Luftschlangen und so weiter. Das 25 Jahre alte Stück „“illkommen in Deutschland“ wird in einer Zeile auf Pegida umgedichtet, worauf prompt laute „Nazis raus!“-Rufe erschallen. Zu „Paradies“ darf ein Mädel aus dem Publikum rauf auf die Bühne und eine Strophe mitsingen (was sie übrigenbs richtig gut macht), dann stagedivet Campino mit ihr gemeinsam in die Meute. Und bei einem Song gibt es tatsächlich den berühmten Gänsehaut-Moment: nämlich als Campino mit Kamera einen Gruß für den krebskranken Ex-Schlagzeuger Wölli aufnimmt und dann „Steh auf wenn Du am Boden liegst“ singt – und 50.000 Menschen brüllen im Chor mit, erst in der Hocke, dann springend. Nach 70 Minuten ist erstmal Pause, man lässt sich feiern, aber klar kommt die Band zurück und legt noch zwei Zugabenblöcke und fast eine weitere Stunde drauf. Mit „Freunde“ und dem Fußball-Klassiker „You’ll Never Walk Alone“ ist dann aber wirklich Schluss.

Für uns aber noch nicht: Weiter geht’s zur Alternarena, wo die Mannen um Rap-Ikone Ice-T die Halle komplett füllen: BODY COUNT sind am Start! Oder, wie sie es in ihrem ersten Stück selbst besingen: „Body Count’s in the House“. Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger waren sie Vorreiter des Crossover zwischen Hip-Hop und härterer Gitarrenmucke, und aus jener Zeit stammen auch ihre bekanntesten Stücke, die auch die Höhepunkte des Sets sind – unter anderem „KKK Bitch“, „Voodoo“ oder das kontroverse „Cop Killer“, auch „Disorder“ wird gerockt (das Exploited-Cover aus einer Kollaboration von Ice-T mit Slayer vom legendären „Judgement Night“-Soundtrack). Die Band ist verdammt laut, sehr aktiv, wuselt quer über die Bühne, macht mächtig Alarm und die Crowd tobt, aber es soll auch nicht verschwiegen werden: wirklich singen kann „Eistee“ nicht, er bellt die Lyrics monoton im immer gleichen Modus hervor und schaut dazu debil bis grimmig aus der Wäsche. Egal, auch wenn es bisweilen ein lauter aggressiver Brei war, Spaß gemacht hat der Auftritt dennoch.

Rock im Park

Einen setzen wir noch drauf für heute und bleiben in der nahezu vor verschwitzten und betrunkenen Leibern berstenden Alternarena: denn nun sind ASKING ALEXANDRIA „in da house“ und bilden den Abschluss des zweiten Festivaltages. Der Sound der fünf englischen Recken speist sich vornehmlich aus Metalcore, ist aber etwas vielschichtiger als das Gros des Genres und mit einer Prise Heavy Metal und vielen Keyboard-/Sythiepassagen erweitert. Sie werfen dem rumspringenden Publikum fünf Bretter wie „Closure“, „Breathless“ oder „I Won’t Give In“ zum Frass vor, dann folgt eine kurze Pause und die Besucher fordern „One more Song“. Darauf Sänger Denis Shaforostow entrüstet „One more song??? We got five more songs!“ Und weiter geht es mit der Single „Run Free“ vom aktuellen Album „From Death To Destiny“. Aufgrund einer Unwetterwarnung lichten sich die Reihen in der Alternarena dann sichtlich, auch wenn die Band ungestört weiter spielen darf. Doch auch wir sehen langsam zu, dass wir den sicheren Hafen erreichen, bevor die große Gewitter-Apokalypse losbricht.

Draußen zucken (noch weit entfernte) Blitze und es fängt an ungemütlich nass zu werden. Nachdem in der Nacht zuvor beim Zwillingsfestival Rock am Ring mehrere Blitze eingeschlagen und 33 Festivalbesucher verletzt worden sind, will man heute ganz auf Nummer sicher gehen: Eine Evakuierung steht an, Tausende werden gemäß eines Evakuierungsplans vom Gelände und den Zeltplätzen zu diversen Sammelplätzen gebracht; viele werden dafür aus dem Schlaf gerissen und aus den Zelten geholt. In einem nahegelegenen Parkhaus, einer Messehalle oder den Säulengängen des riesigen alten Nazi-Kongresszentrums (das heutige Zeppelinfeld war früher das Reichsparteitagsgelände) finden sie Schutz, aber zum Glück passiert – gar nichts. Es pisst wie aus Kübeln, aber das befürchtete Inferno bleibt aus. Was für eine Nacht!

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14.06.2015

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1 Kommentar zu Rock im Park - Der große Festivalbericht vom 20. Rock im Park 2015

  1. Der Kritiker sagt:

    [Dem schließt sich „Everything’s Gone“ an, und es wird das einzige Stück vom aktuellen Album „Siren Charms“ bleiben. Stattdessen kredenzen sie einen gut ausgewählten Mix ihrer älteren Alben, darunter „Where the Dead Ships Dwell“, „Rusted Nail“, „Through Oblivion“ oder „Deliver Us“.]

    In diesem Satz ist viel zu viel falsch:

    1. Alle genannten Lieder sind von den aktuellsten beiden Alben
    2. Rusted Nail und Through Oblivion (beide von Siren Charms) wurden nicht gespielt

    Bitte ausbessern!