Rock im Park 2022
Post-Corona-Euphorie trotz Aprilwetters

Konzertbericht

Billing: Volbeat, Green Day, Muse, Black Veil Brides, Airbourne, Shinedown, Bush, Bullet For My Valentine, Royal Republic, Beatsteaks, Billy Talent, Weezer, Måneskin, The Offspring, The Murder Capital, Broilers, Caliban, Stick To Your Guns, Scooter, Danko Jones, Sportfreunde Stiller, Baroness, Mastodon, The Linda Lindas, Ice Nine Kills, Placebo, Die Kassierer und Deftones
Konzert vom 03.06.2022 | Zeppelinfeld, Nürnberg

SONNTAG, der 5. Juni

SPORTFREUNDE STILLER

Der dritte und letzte Tag bei ROCK IM PARK brach an, und auch dieser sollte gespickt sein mit Highlights. Wie schon an den Vortagen waren schon um die Mittagszeit Tausende in Feierlaune. So waren etwa die bayrischen Indie-Rocker SPORTFREUNDE STILLER ziemlich baff, als selbst zu einer langsamen Ballade wie „Applaus, Applaus“ ein amtlicher Moshpit tobte. Wie eingangs schon erwähnt: Es war jederzeit spürbar, wie ausgehungert nach Konzerten das Publikum in den letzten beiden Jahren war und wie froh, dass es endlich wieder losgeht.

Amtlicher Moshpit bei SPORTSFREUNDE STILLER

Einen neuen, relaxt groovenden Song namens „I‘m Alright“ hatten die Münchner zudem mitgebracht und auch „Ein Kompliment“ durfte natürlich nicht fehlen.

BARONESS

Beim Gig von BARONESS öffnete der Himmel mal wieder seine Schleusen, aber das beeindruckte keinen vor der „Mandora Stage“: Die Band aus Georgia war gut aufgelegt, und die Crowd moshte dann eben pitschnass zur vielschichtig arrangierten Melange aus Progressive-Metal und Sludge. John Baizley und Gina Gleason lieferten beide nicht nur mehrstimmigen Gesang und fette Gitarrenriffs, sondern standen der Menschenmasse vor ihnen auch in puncto Einsatz in nichts nach. Als Highlights ihrer Songzusammenstellung aus den letzten 19 Jahren erwiesen sich „Take My Bones Away“ mit seinem eingängigen Refrain, sowie „A Horse Called Golgatha“ und „March To The Sea“.

Pitschnass moshen zu BARONESS

MASTODON

Das nächste Glücksgefühl für Freunde mächtiger Gitarrenriffs folgte auf gleicher Bühne in Form von MASTODON, die hinsichtlich Dynamik und komplexer Songstrukturen ihre Vorgänger noch ein stückweit übertrumpfen konnten. Hier trafen heftige monolithische Gitarrenwände, vertrackte Rhythmusvariationen, mehrstimmige Vocals, fett groovende Drums und ein Stilmix aus Metal, Psychedelic und Sludge in feinster Weise aufeinander, zudem lieferten die Protagonisten eine mitreißende Bühnenperformance ab. Die Crowd belohnte Meisterwerke wie „Blood And Thunder“, „Mother Puncher“ oder „Black Tongue“ mit kollektivem Ausrasten. Das Quartett aus Atlanta schafft es mit seinem gänzlich eigenständigen, sich gängigen Kategorien weitgehend entziehenden Sound immer wieder, alles platt zu walzen, wo sie aufkreuzen, und mag man einen Wermutstropfen suchen, dann findet man nur die kurze Spieldauer von einer Stunde.

Glücksgefühl für Freunde mächtiger Gitarrenriffs: MASTODON

THE LINDA LINDAS

Was sich parallel dazu auf und vor der „Orbit Stage“ abspielte war auf andere Weise ebenso fernab des Üblichen: THE LINDA LINDAS sind eine Allgirl-Band aus Los Angeles, deren vier Musikerinnen sich in einem Altersrahmen zwischen 11 (!) und 17 Jahren bewegen. Die vier blutjungen Teenagerinnen spielten, mit aufgemalten Katzenschnurrbärten und neonfarbenen Instrumentenkabeln, authentischen, rotzigen Punkrock mit Attitüde – als Referenz sei dazu ihr Song „Racist Sexist Boy“ genannt – und lieferten dazu eine wahnsinnig erfrischende und originelle Show. Viele vor der Bühne, die den Gig frenetisch feierten, dürften sie vorher nicht gekannt haben und werden sie danach wohl nie mehr vergessen.

ICE NINE KILLS

Zurück unter freien Himmel zur „Mandora Stage“, wo die Crowd ein weiteres Konzert der besonderen Art erleben durfte: die Kombination aus Metalcore und theatralischem Gruselkabinett durch ICE NINE KILLS aus Boston. Schon musikalisch hebt sich die Band von anderen Vertretern des Genres positiv ab, sei es durch komplexere, bisweilen fast schon orchestrale Arrangements, gute Hooks und mehrstimmigen Gesang, der das druckvolle Geprügel untermalt.

Top Five bei der Anzahl der Crowdsurfer pro Minute: ICE NINE KILLS

Die Show und das Storytelling tun ihr übriges: Auf der Bühne wurde fleißig gemetzelt, mit Spitzhacken, Motorsägen, Messern oder Beilen, es wurden Köpfe abgeschlagen und Kunstblut verspritzt. Filmfans erkannten in der Performance zahlreiche Referenzen an Genre-Klassiker, etwa den Jungen mit Luftballon samt bösem Clown („Es“), die in sich verrenkte Besessene („Der Exorzist“) oder den Psychopathen mit der Ledermaske („Texas Chainsaw Massacre“). Stimmig dazu die gespielten Songtitel, darunter „Welcome To Horrorwood“, „Stabbing In The Dark“, „IT Is The End“ oder „Funeral Derangements“.

„Theatralisches Gruselkabinett“

Ein packender Auftritt mit guten Songs und Musikern, einer hochklassigen, kurzweiligen Horrorshow und einer selbst für hiesige Verhältnisse außergewöhnlichen Stimmung im Publikum – würde man einen Auftritt rein nach der Anzahl der Crowdsurfer pro Minute beurteilen, würden ICE NINE KILLS zweifelsfrei unter den Top Five des Festivals landen.

PLACEBO

Weiter ging es vor der großen „Utopia Stage” mit den Londoner Alternative-Rockern PLACEBO, die zwar einige ihrer großen Hits wie „Every You Every Me“ nicht spielten, aber dafür mehrere andere der älteren, melancholisch angehauchten Perlen wie „The Bitter End“, „Special K“ oder das gelungene KATE BUSH Cover „Running Up That Hill“. Mit „Never Let Me Go“ veröffentlichten die Briten erst vor wenigen Monaten ein neues Album, aus dem sie gleich sechs Titel live vorstellten, darunter „Forever Chemicals“ oder „Beautiful James“, die überwiegend stimmungstechnisch etwas abfielen im Vergleich zu den bekannten Klassikern.

PLACEBO auf riesigen Videoscreens und im zuckenden Lichtermeer

Sänger Brian Molko und seine Musiker zeigten sich auf der Höhe, und letztlich wurden vor den riesigen Videoscreens und im zuckenden Lichtermeer die Songs eins zu eins wie auf den Alben dargeboten, nur unterbrochen von einigen Ansagen. Im Endeffekt wirkte das Konzert wie das Anhören einer Playlist, nur eben live.

DIE KASSIERER

Über DIE KASSIERER aus Wattenscheid muss man nicht viel schreiben, denn es dürfte bekannt sein, welche Songs und insbesondere Lyrics sie in petto haben und wie ihre Shows verlaufen. Mit dem lautstark vom Publikum mitgegrölten Schlachtruf „Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen“ und dem anschließenden Song „Besoffen sein“ ging es los an der „Orbit Stage“, und es folgten die üblichen Stücke wie „Blumenkohl am Pillermann“, „Mach die Titten frei, denn ich will wichsen“ oder „Mein Glied ist zu groß“. Sänger Wölfi Wendland musste, oder er tat zumindest so, die Songtexte vom Blatt ablesen, und um es vorwegzunehmen: Trotz stetiger Forderung seitens der Crowd hatte er diesmal keine Lust, blank zu ziehen. Der Stimmung tat das allerdings keinen Abbruch.

„Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen“: DIE KASSIERER aus Wattenscheid

DEFTONES

Parallel dazu bespielten die DEFTONES aus Sacramento, die einst als Mitbegründer des Nu-Metal galten, selbst aber diese Kategorisierung ablehnen, die „Mandora Stage“. Dort zelebrierten sie einen atmosphärisch dichten, intensiven Querschnitt durch alle Veröffentlichungen, wobei vor allem die Stücke aus früheren Schaffenszeiten, und hier insbesondere der ersten drei Alben, wie „My Own Summer (Shove It)“, „Change (In The House Of Flies)“ oder „Be Quiet And Drive (Far Away)“ für Begeisterungsstürme seitens der Fans sorgten.

Begeisterungsstürme bei den DEFTONES

MUSE

Vor der Hauptbühne wurde danach das große Festivalfinale eingeläutet, und diese Ehre gebührte den Headlinern von MUSE. Es sollte ein würdiges Spektakel zum Abschluss werden: Mit dem brandneuen Stück „Will Of The People“ vom gleichnamigen Album, das im August erscheinen soll, eröffneten die Briten ein Konzert der Superlative, bei dem alles passte – von der Songauswahl über die gigantische Bühnenproduktion bis hin zur mitreißenden Performance und der Stimmung, ja selbst das Wetter spielte mit.

Die bombastische Inszenierung setzte erwartungsgemäß Höhepunkte mit Hits wie „Supermassive Black Hole“, „Starlight“ oder „Madness“, aber Gänsehautmomente bildeten viele weitere Stücke wie etwa „Uprising“, zu dem Sänger Matthew Bellamy die Menge zum Mitsingen aufforderte und diese anschließend a cappella zu Zehntausenden den Refrain intonierte. Mit „Knights Of Cydonia“ und minutenlangen Ovationen endete ein erinnerungswürdiger Auftritt, und für viele auch das Festival, die nicht mit CASPER oder SONDASCHULE die beiden letzten Bands anschauen wollten oder konnten, da das Areal völlig überfüllt war.

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14.06.2022

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