Rock im Park 2022
Post-Corona-Euphorie trotz Aprilwetters

Konzertbericht

Billing: Volbeat, Green Day, Muse, Black Veil Brides, Airbourne, Shinedown, Bush, Bullet For My Valentine, Royal Republic, Beatsteaks, Billy Talent, Weezer, Måneskin, The Offspring, The Murder Capital, Broilers, Caliban, Stick To Your Guns, Scooter, Danko Jones, Sportfreunde Stiller, Baroness, Mastodon, The Linda Lindas, Ice Nine Kills, Placebo, Die Kassierer und Deftones
Konzert vom 03.06.2022 | Zeppelinfeld, Nürnberg

SAMSTAG, der 4. Juni

WEEZER

Kann man nach einer kurzen Nacht entspannter und angenehmer in einen neuen Festivaltag hineinkommen als mit WEEZER? Jedenfalls war das Konzert der etwas nerdig, aber überaus sympathisch wirkenden Alternative-Rocker aus Los Angeles bestens geeignet, um einerseits ruhig und ohne allzu viel Tohuwabohu wach zu werden, aber gleichsam auch, um schon mal ein gehobenes Stimmungslevel zu erreichen. Mit dem VAN HALEN Cover „Jump“ ging es los, und dann hangelte sich der Vierer quer durch verschiedene Hitsingles wie „Buddy Holly“, „Island In The Sun“ oder „Beverly Hills“, samt einem weiteren Cover in Form von TOTOs „Africa“, durch eine kurzweilige Dreiviertelstunde. Deutsch spricht Sänger und Gitarrist Rivers Cuomo auch ein wenig, und sorgte hier und da für Erheiterung, wenn er unversehens Zeilen wie „Ich heiße Peter, Du heißt Paul, ich bin fleißig, Du bist faul“ in die englischen Lyrics einbaute. Groovten sich die meisten vor der Bühne noch eher gediegen ein und spendeten nach jedem Song lautstarken Applaus, gab es am frühen Nachmittag aber auch schon wieder ein paar Hartgesottene, die abgingen wie Schmidts Katze.

Abgehen wie Schmidts Katze bei WEEZER

MÅNESKIN

Die Letztgenannten, und dabei insbesondere die jüngere weibliche Fraktion, bildeten beim nächsten Act MÅNESKIN (dänisch: Mondschein) die absolute Mehrheit. Das lag schon vor dem Konzert in der Luft, denn einerseits war der Platz vor der „Utopia Stage“, für diese Uhrzeit erstaunlich, schon mit Zehntausenden gefüllt, und andererseits hatten sich im Bereich des ersten Wellenbrechers vor der Bühne überwiegend weibliche Teenager gruppiert. Als die vier jungen italienischen Rocker – bekannt aus der Castingshow „X Factor“ und als Sieger des Eurovision Song Contest 2021 – schließlich die Bühne betraten, wurden sie mit einer ohrenbetäubenden Kreischorgie empfangen.

Galerie mit 5 Bildern: Måneskin - Rock im Park 2022

Die wiederholte sich jedes Mal, wenn Sänger Damiano David, Gitarrist Thomas Raggi oder Bassistin Victoria De Angelis den Steg von der Bühne Richtung Fans entlangschritten oder Dummer Ethan Torchio einen gelungenen Part zelebrierte – bisweilen genügten aber bereits ein Lächeln, ein Winken oder ein Hüftschwung als Auslöser.

Die Band zeigte aber, dass sie mehr ist als ein gehyptes Teenie-Phämomen mit kurzer Halbwertszeit, denn sie erwiesen sich als gute Musiker mit einigen klasse Songs im Gepäck, die genau wissen, wie man eine Crowd zum Ausflippen bringt. Natürlich spielten sie die bekanntesten Stücke wie „Zitti E Buoni“, „I Want To Be Your Slave“ oder „Beggin‘“, dazu ein knackiges STOOGES Cover von „I Wanna Be Your Dog“, und natürlich wurde jedes einzelne Stück abgefeiert ohne Ende. Wow.

THE OFFSPRING

Im Anschluss hatte es selbst eine Band wie THE OFFSPRING schwer, diese Stimmung zu halten, aber die Punk-Veteranen aus Orange County wissen natürlich auch, wie man eine Menge zum kollektiven Pogen bringt, und dazu haben sie eine lange Liste veritabler Smash-Hits im Lauf der letzten 36 Jahre angesammelt. Zwar ohne Gekreische, und mit einem gehobeneren Altersdurchschnitt in den vorderen Reihen, bliesen sie letztlich doch fast jeden weg mit druckvoll auf den Punkt gespielten Liedern wie „Come Out And Play“, „All I Want“, „Pretty Fly (For a White Guy)“, „Bad Habit“, „Gotta Get Away“ oder „Self Esteem“ zum krönenden Abschluss.

THE OFFSPRING: Gehobenerer Altersdurchschnitt in den vorderen Reihen

BROILERS

Als der erste Song „Zurück zum Beton“ von ihren Nachfolgern auf der „Utopia Stage“ erklang, erhellte sich die Miene eines Security-Mitarbeiters im laut kundgetanen Glauben, Peter Maffay würde spielen. Doch falsch gedacht, es waren die Düsseldorfer BROILERS, die seine Ohrmuscheln mit einer Mischung aus Oi-Punk, Rockabilly und Ska befüllten. Krankheitsbedingt nicht dabei war Bassistin Ines Maybaum, deren Part ersetzt wurde, und die zum Trost das Stück „Meine Familie“ gewidmet bekam. Wie üblich wurde neben der Musik viel Wert darauf gelegt, Nähe zu den Fans zu demonstrieren, und so suchte Frontmann Sammy Amara zwischen den Stücken immer wieder den Dialog oder leitete mit einem solchen einen Übergang ein. Beispiel: Plauderei über das Verliebtsein mit der Frage: „Ist hier gerade jemand verliebt? Dann nehmt Euch jetzt mal an den Händen“ als Brücke zum Song „Schwer verliebter Hooligan“. Dieses und noch drei weitere Lieder boten sie vom aktuellen Album „Puro Amor“, das auch das Backdrop zierte, und kredenzten dazu eine Art Best-Of früherer Alben mit Songs wie „Meine Sache“, „Tanzt du noch einmal mit mir?“ oder „Nur nach vorne gehen“, die durchweg abgefeiert wurden.

„Schwer verliebter Hooligan“: Sammy Amara von den BROILERS

 

THE MURDER CAPITAL

Auf der Indoor-Bühne „Orbit Stage“ boten anschließend die aufstrebenden THE MURDER CAPITAL aus Irland eine gelungene Abwechslung zum bisherigen Programm: Aus den Boxen tönte vielschichtiger Post-Rock mit streckenweise Anleihen aus Wave und Industrial, der irgendwo im emotionalen Spannungsfeld zwischen düster, wütend, fragil und leidenschaftlich angesiedelt war. Sind ihre diversen EPs und das Debutalbum „When I Have Fears“ schon durchaus eigenständig und hörenswert, sofern man mit dieser Art Sound etwas anfangen kann, so wirkten sie live noch um einiges intensiver.

GREEN DAY

Gemäß dem Monty-Python-Slogan „And Now To Something Completely Different“ folgte nach dem soeben Erlebten ein deutlicher Umbruch, denn GREEN DAY verwandelten als Headliner des zweiten Festivaltages mit ihren hymnischen Punkperlen das Gelände vor der „Utopia Stage“ in ein Knäuel aus Zehntauenden tobenden Leibern.

Energiegeladene Performance: GREEN DAY

Eine hervorragende Live-Band waren sie auch schon vor 28 Jahren, als sie mit dem Album „Dookie“ durchstarteten, ältere Semester mögen sich erinnern. Aber im Laufe der Zeit und nach vielen weiteren großen Alben haben sie sich längst zum Inbegriff der Stadionrocker entwickelt – mit perfekt inszenierten Shows, die nur schwer zu toppen sind. Und dieses große Kino wurde auch diesmal geboten: So ziemlich jeder Song eine Hitsingle, darunter „American Idiot“, „Know Your Enemy“, „Boulevard Of Broken Dreams“, „When I Come Around“ oder „Jesus Of Suburbia“, unisono stimmlich wie instrumental dargeboten ohne den kleinsten Wackler. Dazu eine Lichtshow vom Feinsten plus monumentale Video-Installationen, Pyro, Konfetti und Nebel. On top eine energiegeladene Performance, Plauderei mit dem Publikum oder Drumsoli von Tré Cool. Und wie üblich wurde auch wieder ein Fan auf die Bühne geholt: Die junge Julia durfte inmitten der Band ihre Gitarrenkünste demonstrieren und diese im Anschluss behalten.

Bei „21 Guns“ wurden nicht nur Feuerzeuge entflammt und mit Handys geleuchtet, sondern bei dem ein oder anderen flossen auch ein paar Tränen. Zwischen Ekstase und Gänsehaut, die ganz großen Emotionen. Als i-Tüpfelchen gab es am Ende noch „Good Riddance (Time Of Your Life)“ zu hören, und mit einem Feuerwerk fiel der imaginäre Vorhang.

CALIBAN

Parallel zu diesem Spektakel wunderten sich die kurzfristig für das Festival nachnominierten CALIBAN auf der „Orbit Stage“, dass „doch verdammt viele Leute hier sind. Ihr habt wohl keinen Bock auf GREEN DAY? Wir nehmen es jedenfalls als großes Kompliment“. Wer schon Konzerte des Metalcore-Fünfers aus Hattingen erlebt hat, kann sich vorstellen, was im Publikum los war: Wall Of Death, Crowdsurfing ohne Ende, Circle Pits, das volle Programm. Dabei wurden natürlich die bekannten Überschall-Kracher à la „Paralyzed“ geboten, mehrfach der Erleichterung kundgetan, dass es nach Corona-Lockdowns endlich wieder in die Vollen gehen kann, und ein Geburtstagsständchen für einen Fan initiiert.

CALIBAN, oder: Wall Of Death, Crowdsurfing ohne Ende, Circle Pits, das volle Programm

STICK TO YOUR GUNS

Die Metalcore-Fans blieben anschließend gleich in der Halle, wo es sowohl stimmungstechnisch als auch musikalisch eine vergleichbare Fortsetzung gab: Die kalifornischen STICK TO YOUR GUNS lieferten einen tollwütigen Bastard aus Metal und Post-Hardcore ab, der vor Energie förmlich triefte und bei der Crowd ähnliche Reaktionen wie zuvor bei CALIBAN hervorrief. Einige Highlights darunter: „Such Pain“, „Amber“ oder „Doomed By You“.

Tollwütiger Bastard aus Metal und Post-Hardcore: STICK TO YOUR GUNS

SCOOTER

Vor der „Mandora Stage“ folgte erneut ein musikalischer Bruch, der kaum größer hätte sein können, und der schon vor dem Konzert mit „Döp dödöpp dödö döppdöppdöpp“-Gesängen eingeleitet wurde: SCOOTER was in the house! Es ist bekanntlich nicht sonderlich anspruchsvoll und ziemlich trashig, was das platinblonde Mastermind H.P. Baxxter anzubieten hat, aber vermutlich begründet gerade das einen gewissen Kultfaktor. Flankiert von diversen leichtbekleideten Tänzerinnen wurde die gesamte Hitpalette von „God Save The Rave“ als Opener über „How Much Is the Fish?“ oder „Maria (I Like It Loud)“ bis hin zu „Hyper Hyper“ zum Abschluss geliefert und abgefeiert.

Döp dödöpp dödö döppdöppdöpp: SCOOTER is in da house!

DANKO JONES

Nach diesem schrägen, aber äußerst unterhaltsamen Ausflug in die Gefilde des stumpfen Raves gehörte der musikalische Schlusspunkt des zweiten Festivaltages den Kanadiern DANKO JONES. Mit ihrem druckvollen Garage-Rock, samt alten Hits und neuem Material, sowie einer leidenschaftlichen Show verwandelten sie die auf dem Parkett wie auf den Rängen bis auf den letzten Platz vollgequetschte Halle zum Finale nochmal in eine Art Riesensauna.

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14.06.2022

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