Rock im Park 2019
Strahlender Sonnenschein und eine stilistische Breite sondergleichen
Konzertbericht
Rock im Park 2019 – Sonntag, 9. Juni
Auch am dritten und schon wieder letzten Tag geht’s nachmittags direkt groß in Form von ALICE IN CHAINS los. Die Grunge-Veteranen, derzeit bestehend aus den Gründungsmitgliedern Jerry Cantrell (Gitarre, Vocals) und Sean Kinney (Drums) sowie Basser Mike Inez und Sänger William DuVall (seit 2005 Nachfolger des verstorbenen Layne Staley), liefern zwei Songs vom aktuellen Album („The One You Know“ und „Rainier Fog“) und ansonsten überwiegend Stücke aus der Frühphase. Es weckt Erinnerungen, alte Perlen wie „Rooster“, „Man In The Box“ oder „Them Bones“ live zu erleben, und mögen die vier auch nicht die charismatischsten Entertainer sein, so sind sie ausnahmslos grandiose Musiker und lassen ihre Musik ohne jeglichen Schnickschnack wirken.
Nach diesem schönen Start geht’s kurz Zeite später auf der Zeppelin Stage mit SLASH FEAT. MYLES KENNEDY & THE CONSPIRATORS weiter. Wer angesichts des berühmten Gitarristen mit dem Zylinder als Markenzeichen darauf gehofft hat, auch einige Hits von GUNS´N ROSES aufgetischt zu bekommen, wird zumindest einmal ein seliges Grinsen im Gesicht gehabt haben, denn immerhin „Nightrain“ ist vertreten. Und zwar vermutlich besser, als es die Originale hinbekommen hätten, denn ALTER BRIDGE-Frontmann Myles Kennedy mit seiner drei Oktaven umfassenden Stimme stellt Axl Rose – zumindest heutzutage – gesanglich durchaus in den Schatten. Aber auch der zylinderbehütete Gitarrengott mit der Fluppe im Mundwinkel ist immer noch eine Klasse für sich, ob er nun demonstrativ lässig sein bluesiges Riffing klampft oder mit flitzenden Fingern komplexe Soli scheinbar mühelos in technischer Perfektion darbietet. Die Setlist umfasst die wichtigsten Songs dieser Kollaboration quer durch die bisherigen Veröffentlichungen sowie einige Stücke von SLASH wie „Back From Cali“ oder „Doctor Alibi“. Mit „Anastasia“ endet schließlich ein Gig auf Hard-Rock-Höchstniveau.
Vor der Alternarena spielen sich danach turbulente Szenen ab: Eine immense Menschentraube drückt und drängelt in die Halle, aber die ist bereits so brechend voll, dass keiner mehr hineingelassen wird, was für lautstark artikulierten Unmut sorgt. Der Grund für diesen Andrang sind WHILE SHE SLEEPS, die vom Opener „You Are We“ bis zum letzten Stück „Hurricane“ förmlich den Saal zerlegen mit ihrem drückenden Metalcore, in den hin und wieder progressive Passagen einfließen. Nimmt man die Taktrate an Crowdsurfern und die Größe und Intensität der Circlepits als Maßstab, bildet ihr Gig – zumindest in der Halle – die Speerspitze des diesjährigen Festivals. Pure Energie, sowohl auf als auch vor der Bühne.
Ein ebenso opulentes wie pittoreskes Bühnenbild untermalt den Gig von THE SMASHING PUMPKINS auf der Zeppelin Stage: Drei überdimensionale Figuren, die an Matrjoschka-Puppen erinnern, sind im Hintergrund positioniert und ändern im Laufe des Konzerts sowohl ihre „Bekleidung“ als auch den Gesichtsausdruck, die Farben und die Beleuchtung. Die Alternative-Rocker aus Chicago um Mastermind Billy Corgan, mit Kriegsbemalung und langem Mantel ausstaffiert, und die seit einigen Jahren wieder in die Band zurückgekehrten Gründungsmitglieder James Iha (Gitarre) und Jimmy Chamberlin (Schlagzeug) können aus über dreißig Jahren Bandgeschichte und neun Alben schöpfen und kreieren daraus einen gelungenen Querschnitt. Darunter befinden sich unter anderem Songs wie „Ava Adore“, „Cherub Rock“, „Bullet With Butterfly Wings“ oder die dramatische Hymne „Disarm“. Wirkt die Band anfangs noch etwas verhalten bei ihrem Gig auf diesem „legendary festival“ (Billy Corgan), taut sie im Verlauf des Konzerts immer mehr auf und steigert peu à peu den Draht zum Publikum („awesome, as we say in America“), Spielfreude und Intensität gleichermaßen. Mit „Tonight, Tonight“ fällt schließlich der imaginäre Vorhang.
Boten SLIPKNOT am gestrigen Tag eine Show der Superlative, sind es nun TOOL, die Headliner des dritten Abends, die dies mit anderen Mitteln erreichen. Auch die Progressive Metaller aus Los Angeles haben einen nahezu perfekten Sound, die Stimme von Maynard James Keenan ist optimal eingebunden und spieltechnisch sitzt jeder Ton – der Drumteppich wummert ungemein druckvoll hypnotisch, die vielschichtigen Bass- und Gitarrenlinien sind massiv und sezierend, das ist lässt sich nicht viel besser mischen. Nicht minder beeindruckend ist der visuelle Part der Show: Im Hintergrund und auf den Leinwänden neben der Bühne flimmern psychedelische Sequenzen, dazu schießen Laserstrahlen und variierende Lichterkaskaden exakt zur Musik getaktet in die Menge. Das Wichtigste aber ist natürlich die Musik selbst, und auch hier zünden TOOL ein intensives Feuerwerk: beginnend mit „Ænema“ hangeln sie sich über „The Pot“, „Parabola“, „Descending“ oder „Schism“ bis hin zu „Stinkfist“. Ein beeindruckender Auftritt dieser Ausnahmeband, deren letztes Album nun schon dreizehn Jahre zurückliegt und deren Auftritte ziemlich rar sind. Man darf sehr gespannt sein auf ihr kommendes Werk, das bald erscheinen soll.
Auf der Park Stage heißt es nun (vorerst?) Abschied nehmen von einer der Big Four des Thrash Metal: SLAYER sind auf ihrer „Final World Tour“ und lösen sich danach nach 38 Jahren auf, das heutige Konzert ist ihr vorletztes in Deutschland. Zum Intro „Delusions Of Saviour“, das aus dem Off vom Band ertönt, lodern Flammen über einem SLAYER-Pentagramm, dann erscheinen Sänger und Bassist Tom Araya, die Gitarreros Kerry King und Gary Holt sowie Drummer Paul Bostaph vor dem martialischen Backdrop aus Totenschädeln, schier gegrillt von zahlreichen hochschießenden Flammensäulen, und legen los mit „Repentless“. Es ist nochmal ein klassischer SLAYER-Gig, gespickt mit ultraschnellen und druckvollen Klassikern wie „Postmortem“, „Raining Blood“, „Seasons In The Abyss“, „South Of Heaven“, „Dead Skin Mask“, „Evil Has No Boundaries“ oder zum Abschluss „Angel Of Death“; aber trotz des genialen Monster-Moshpits, der angemessen dazu tobt, kommt fast ein wenig Wehmut auf, denn hier geht gerade eine Ära zu Ende.
Zu Ende geht in musikalischer Hinsicht auch das diesjährige ROCK IM PARK Festival, und zwar mit einem Gig von ARCH ENEMY. Die schwedischen Melodic-Death-Metaller um die stetig herumflitzende und headbangende Frontröhre Alissa White-Gluz macht energetisch einiges her und hat auch diverse guttural geröhrte Fetzer im Gepäck, darunter „The World Is Yours“, „Ravenous“ oder „War Eternal“, die gleich zum Auftakt serviert werden. Der Fünfer liefert eine charismatische Show ab, zu der nicht nur die eingefleischten Fans in den vorderen Reihen ordentlich abgehen, auch auf den Rängen werden kräftig Mähnen geschüttelt und die Fäuste im Takt gereckt – das Fest ist auf der Zielgeraden, und man spürt, dass jeder hier nochmal alles rauslassen will, was noch an Körnern vorhanden ist. Den gelungenen Schlusspunkt setzen gegen zwei Uhr nachts „We Will Rise“ und „Nemesis“.
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