Rock im Park 2019
Strahlender Sonnenschein und eine stilistische Breite sondergleichen
Konzertbericht
Rock im Park 2019 – Freitag, 7. Juni
Den Startschuss für die metal.de-Belegschaft auf dem ROCK IM PARK 2019 setzen TRIVIUM am Nachmittag auf der Park Stage, der etwas kleineren von zwei Open-Air-Bühnen. Das Metal-Quartett aus Florida zeigt sich von den ersten Takten an gut aufgelegt und gibt mächtig Gas, und mehrere tausend Metalheads auf dem für diese Uhrzeit schon erstaunlich vollen Areal stehen dem in nichts nach – hin und wieder tobt ein Circlepit und zahlreiche Crowdsurfer drehen ihre Runden. Auffällig ist die für ein Festival eher untypische Setlist: Bekommt man auf großen Festivalshows im Regelfall eine Art Best-Of des bisherigen Schaffens kredenzt, konzentrieren sich die Amerikaner hingegen überwiegend auf Songs vom aktuellen Album „The Sin And The Sentence“ – neben dem Titeltrack spielen sie mit „Beyond Oblivion“, „Sever The Hand“, „Beauty In The Sorrow“, „Betrayer“ und „The Heart From Your Hate“ gleich sechs Stücke davon, vom älteren Material gibt es nur „Until The World Goes Cold“, „Down From The Sky“ und „In Waves“ auf die Ohren.
Auf der größeren Open-Air-Bühne, der Zeppelin-Stage, geht derweil im wahrsten Sinne des Wortes der Punk ab, und vor derselben sind noch deutlich mehr Besucher noch ausgelassener am Feiern: die sympathischen Meck-Pomm-Punks von FEINE SAHNE FISCHFILET liefern hier ein mitreißendes Potpourri aus eingängigen Punk-Ska-Smashhits der Marke „Komplett Im Arsch“, reichlich Biergespritze, launigen Ansagen und konsequenter Anti-Fascho-Attitüde. Egal ob in kleineren Clubs oder vor dieser Kulisse von Zehntausenden, sie bleiben einfach stets authentisch und Garanten für eine grandiose Stimmung. Am Ende sind alle nassgeschwitzt und happy, da wird es Sänger Monchi leicht verschmerzen können, angesichts der Ovationen „harte Nippel“ bekommen zu haben und „barfuß zu Rock im Park weiterzufahren“, weil im Eifer des Gefechts seine Flipflops verloren gegangen sind.
Auf diese Sause folgen ARCHITECTS, die beginnend mit „Modern Misery“ durchschlagend wie eine Abrissbirne ihren gleichsam druckvollen wie atmosphärischen Metalcore herunterprügeln. Auch sie kredenzen gleich mehrere Stücke von ihrem aktuellen Album „Holy Hell“, erweitern diese aber durch viele altbekannte Granaten wie etwa „A Match Made In Heaven“, „Gravedigger“, „Naysayer“ oder „Gone With The Wind“. Den Abschluss des Sets bildet „Doomsday“, der sicherlich ein besonderer Song für den englischen Fünfer ist – war er doch der Letzte, den ihr Gitarrist und Gründungsmitglied Tom Searle zu schreiben begann bevor er starb, und der schließlich von der Band vollendet wurde. Gehuldigt wird das Stück mit einem besonders fetten Moshpit.
Ähnlich wie FEINE SAHNE FISCHFILET sind auch die acht irisch-amerikanischen Folk-Punkrocker von DROPKICK MURPHYS bekannt dafür, auf jedem ihrer Konzerte die Crowd rasch für sich einzunehmen und komplett durchzurocken – es macht stets einen Heidenspaß, sie live zu erleben. Dies trifft auch auf den heutigen Auftritt zu, und mit einer Mischung aus Hits wie „I’m Shipping Up To Boston“ oder „The Boys Are Back“, eingestreuten Traditionals wie „The Irish Rover“ sowie reichlich Energie und Charisma – insbesondere von Sänger Al Barr – liefern sie ein klasse Konzert auf der Park Stage ab. Da dies leider parallel zu dem von BRING ME THE HORIZON auf der Zeppelin Stage stattfindet, erhaschen lässt sich von den Briten um Frontsau Oli Sykes nur noch der letzten Song „Drown“ erhaschen, zu dem die Crowd mächtig abgeht. Auch hier allseits verschwitzte Leiber und ein glückliches Grinsen im Gesicht zwischen Bühne und den ersten beiden Wellenbrechern.
Zurück zur Park Stage, die sich in ein infernalisches Kriegsszenario verwandelt hat: Sandsäcke, Stacheldraht und Betonpfeiler mit Gravuren darauf wie „Verdun“ oder „Hill 223“ umrahmen das schwedische Power-Metal-Quintett von SABATON. Sie liefern einen bunten Strauß an Songs quer durch die Bandhistorie wie „Ghost Division“, „The Lost Battalion“ oder „To Hell And Back“ – also überwiegend treibende Songs, die sich thematisch mit den Kriegen der Neuzeit befassen und zu denen Pyros aus allen Rohren gefeuert werden.
In der Mitte des Sets rüber zur „besten Band der Welt“, die sich nach langer Live-Abstinenz mal wieder die Ehre gibt. Generationen von Besuchern vor Ort, ob über 50 oder erst 15 Jahre alt, dürften mit ihren Songs aufgewachsen sein, und das Reservoir an prägnanten Ohrwürmern, die jeder kennt, ist immens; entsprechend proppenvoll ist das riesige Areal vor der Zeppelin Stage, als sich DIE ÄRZTE aus Berlin anschicken, selbige zu rocken – passenderweise mit dem Opener „Unrockbar“. Was folgt, sind Klassiker der Kategorie „Schrei Nach Liebe“, „Junge“, „2000 Mädchen“, „Schunder-Song“ oder „Zu spät“, ein eingestreutes TOTEN HOSEN-Medley („Bonnie & Clyde / Eisgekühlter Bommerlunder / Das Wort Zum Sonntag“) und natürlich, das darf auf keinem Konzert der Herren Doktoren fehlen, jede Menge Gelaber – schwankend zwischen bemüht und wirklich witzig, zwischen klug und flach, mal mit sich untereinander oder direkt mit dem Publikum. Dieses geht auch überaus euphorisch ab, feiert Farin Urlaub, Bela B und Rod González frenetisch und intoniert lautstark viele Songs textsicher mit. Im Vergleich zu früheren Konzerten wirken sie etwas statischer und abgeklärter, aber das soll nur als Beobachtung und nicht als Kritik verstanden werden – sie haben es immer noch drauf und schaffen es, rund zweieinhalb Stunden zu einer sehr kurzweiligen Angelegenheit zu machen. Als Zugabe des Trios gibt’s den Metal-Slapstick „Dauerwelle vs. Minipli“ und vom Publikum ohrenbetäubende Ovationen.
Ebenso proppenvoll ist parallel zu ihrem Konzert das Areal vor der Park Stage gefüllt, und auch die Stimmung dort ist ebenbürtig: DIE ANTWOORD aus Südafrika sind am Start und beweisen, dass sie nicht nur auf ihren Videos cool rüberkommen, sondern live noch eine Schippe drauflegen können. Ihr Motto „ZEF“ prangt in bunt leuchtenden Lettern auf dem Bühnenaufbau mit zwei Ebenen, und nach einstimmenden Intros und einer Vorahnung, welch opulente Lichtshow gleich auf einen hereinprasseln wird, tänzelt erst Ninja auf die Bühne, dem bald darauf Yolandi Visser und DJ Hi-Tek folgen, später noch einige Tänzer und Tänzerinnen. Mit „Pitbull Terrier“ gehen Band und Publikum gleich in die Vollen, fast jeder ist am Zappeln und Springen und zahlreiche Crowdsurfer sind Richtung Fotograben unterwegs. Der unkonventionelle Mix aus HipHop und Rave, schrägen Frisuren und Tattoos, prolligen Texten und einer Prise Sexposing zündet mächtig, und von dem Querschnitt aller Alben, der gespielt wird, sind es insbesondere „Baby’s On Fire“, „I Fink U Freeky“ (aus tausenden Kehlen mitgegröhlt), „Cookie Thumper“, „Banana Brain“ und „Ugly Boy“, zu denen die Crowd alle Energiereserven rausfeuert. Als die originellen, schwer gehypten Crazyasses die Bühne verlassen, fehlt noch ihr größter Hit, den sie schließlich als Zugabe nachliefern: „Enter The Ninja“, den Ninja streckenweise crowdsurfend im Publikum rappt, setzt dem Spektakel die Krone auf. Dieses Highlight setzt ein fettes Ausrufezeichen hinter einen sehr abwechslungsreichen ersten Festivaltag.
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