Rock im Park 2018
Das Zwillingsfestival öffnet die Pforten
Konzertbericht
Sonntag, 3. Juni – Rock im Park 2018
GenAU – dies ist der anfangs erwähnte Tag, an dessen Ende sich unsere voll mit Fotos gepackte SD-Karte ins Nirvana verabschiedete. Zwar können wir Euch deshalb leider nicht visuell, aber zumindest textlich von unseren Eindrücken berichten.
Zum Auftakt erhaschen wir noch ein paar Songs von BLACK STONE CHERRY aus Kentucky, die auf der Park Stage eine treibende Mischung aus Hardrock, Southern Rock und Country servieren, darunter „Me And Mary Jane“ und das abgewandelte Hendrix-Cover „Foxy Lady“. Auf der Zeppelin Stage bringt im Anschluss BETH DITTO, ehemals Sängerin der Band GOSSIP bis zu deren Auflösung, die Crowd zum Tanzen. Sie punktet nicht nur mit groovigen Songs zwischen Rock und Disco, die sie mit begnadeter Stimme schmettert, sondern auch mit ihrer sympathischen und einnehmenden Art: stets ein Lächeln im Gesicht, sichtlich Lust auf das Konzert und einen lockeren Spruch auf den Lippen, mit dem Publikum flirtend oder sich über die Eiseskälte bei 30 Grad Hitze beschwerend („So cold here, I’m freezing“). Die Highlights ihres Gigs bilden das RED HOT CHILI PEPPERS-Cover „Under The Bridge“ und zum Abschluss „Heavy Cross“, der Mega-Hit von GOSSIP.
SHINEDOWN aus Jacksonville, Florida, ziehen mit ihrem Post-Grunge viele tausend Leute vor die Park Stage, die trotz der Bullenhitze am frühen Nachmittag und dem Kater vom Vortag schon eifrig dabei sind, ihre Energiereserven zu minimieren. Der Vierer hat mit „Attention Attention“ ein brandneues Album im Gepäck, aus dem sie „Devil“ und „Kill Your Conscience“ präsentieren. Dazu rocken sie sich durch die wichtigsten Single-Auskopplungen aus den letzten Jahren wie „Diamond Eyes“, „Unity“, „Enemies“, „Cut The Cord“, oder „State Of My Head“; die frühen Jahre werden songtechnisch ausgelassen. Man setzt also auf eine sichere Setlist, und das zahlt sich aus: Sowohl die bestehenden Fans feiern ausgelassen und mit dem beherzten Gig dürften ein paar neue hinzugekommen sein.
Zu einem Cover von SLAYERs „Raining Blood“ stürmen BODY COUNT feat. ICE-T die Park Stage und legen in puncto Stimmung nochmal eine Schippe drauf. Seit fast dreißig Jahren kombiniert die Band um ihren charismatischen, bisweilen betont prolligen Frontrapper nun schon Hip-Hop mit Metal, und musikalisch hat sich seit ihrem Debutalbum bis hin zum aktuellen Werk „Bloodlust“ wenig verändert. Positiv formuliert: Man weiß was man zu erwarten hat, und genau das bekommt man! Die Crowd ist sofort am Toben, aber ICE-T mault, dies sei der mieseste Moshpit, den er je in Deutschland erlebt habe, und alle „Pussymotherfuckers“ da unten sollen sich gefälligst mehr anstrengen. Resultat: Fortan wird die Schlagzahl nochmal deutlich erhöht. Neben Hits wie „Body Count“, „KKK Bitch“ oder das vom Judgement-Night-Sampler bekannte EXPLOITED-Cover „Disorder“ wird mit Verve gegen Rassismus gewettert, ebenso aber auch (Stichwort Prollfaktor) gegen all die „Pussys“ unter den Männern, die sich von Frauen bevormunden lassen. „Manhood is dead“ konstatiert ICE-T, und das gefällt ihm gar nicht. Er proklamiert deshalb, ihn als „echten Mann“ künftig mit „ICE-T BITCH“ zu titulieren und hat auch gleich einen passenden Song dazu parat: „Manslaughter“.
Ein wahres Family-Event ist das Konzert zudem, denn einerseits rappt neben ihm sein Sohn Litte Ice, an der Gitarre rifft sein alter Schulfreund Erni C, und seine zweijährige Tochter samt Mama rocken am Bühnenrand mit und bei einem Song auch mitten unter den Musikern. Wer Schwierigkeiten hat, BODY COUNT musikalisch einzuordnen, bekommt von ICE-T (BITCH) die Lösung serviert: „Is it Rock? Is it Metal? Is it Punk? No, it’s BODY motherfuckin‘ COUNT, that’s fuckin‘ it“. Und ein paar Lebenstipps gibt’s obendrein. Wie reagiert man am besten auf Konfliktsituationen? Genau: Wenn man schräg von der Seite angemacht wird, langsam umdrehen, demjenigen tief in die Augen schauen und ihm ins Gesicht sagen „Talk shit, get shot“, und der gleichnamige Song folgt natürlich sogleich. Zum Abschluss des Gigs wird dann noch „Cop Killer“ kredenzt, nicht ohne den Hinweis, dass dies die neue Deutsche Nationalhymne werden sollte.
Weiter geht’s auf der Park Stage mit den Essener Thrashmetal-Pionieren von KREATOR, die nicht nur eine gigantische Kulisse samt Videoscreens hinter sich aufgetürmt haben, sondern mit ihrem Gig auch alle Pyro-Enthusiasten restlos glücklich machen: Regelmäßig schießen Feuersäulen oder Nebelkanonen in den Himmel, und wenn die mal pausieren füllt Konfettihagel die Lücke. „Wir waren noch nie bei ROCK IM PARK und haben gehört, hier gibt es die größten Moshpits im Süden Deutschlands“ brüllt Mille Petrozza, und die Crowd will sich natürlich nicht lumpen lassen und sorgt für eine mächtige Staubwolke über den Köpfen. Auch KREATOR bieten ein technisch wie gewohnt solide gespieltes, typisches Festival-Best-Of quer durch über dreißig Jahre Bandgeschichte und vierzehn Alben – darunter „Enemy Of God“, „Satan Is Real“, „Gods Of Violence“, „Pleasure To Kill“ oder das düstere und eingängige „Phobia“, unseren Favoriten der Show, bei dem auch pyrotechnisch alles rausgehauen wird, was machbar ist.
Ihre Nachfolger von BULLET FOR MY VALENTINE können zwar nicht ganz mithalten, was Bühnendeko und Effekte betrifft, in puncto Energie und Stimmung gelingt den einstigen Shootingstars das aber allemal. Ihren schnellen, melodischen Metalcore, der mit einer Prise Emo gewürzt und phasenweise von Altmeistern wie IRON MAIDEN oder METALLICA inspiriert ist, prügeln sie sowohl mit reichlich Leidenschaft als auch handwerklichem Können in die moshende Crowd. Vor einer riesigen Lautsprecherfront über die ganze Breite der Bühne herumflitzend, bieten sie eingängige Ohrwürmer der Marke „Tears Don’t Fall“, „Your Betrayal“ oder „Waking The Demon“, und einen Sonderapplaus gibt’s auch noch für Jason Bowlds ausgiebiges Drumsolo, das nahtlos in „Army Of Noise“ übergeht. Wer über die nicht ganz unumstrittenen Waliser (Stichwort: Hype, Rip-Off…) die Nase rümpfen möchte, kann das weiter tun, songtechnisch und live stehen ihre Qualitäten allerdings außer Frage.
Ein völlig anderes Szenario spielt sich derweil parallel auf der Zeppelin Stage ab, und zumindest etappenweise nehmen wir einen Eindruck davon mit: Die schottisch-irischen Indie-Rocker SNOW PATROL kreieren dort ruhigen, atmosphärischen Gitarrenpop mit einem melancholischen Grundtenor, der sich samtweich in die Gehörgänge schraubt. Die Band scheint überwiegend versunken in die eigenen brillanten Kompositionen, die souverän gespielt werden, und auch das Publikum ist für diese Größe ungewöhnlich still – es ist ein Konzert für die Ohren und weniger für die Augen, zum intensiven Lauschen und ein wenig mittänzeln anstatt zum ausgelassenen Feiern. Damit setzen sie inmitten all des Partyprogramms, das ansonsten ROCK IM PARK dominiert, einen angenehmen Konterpart.
Auf der Park Stage geht es dafür sogleich wieder heftig zur Sache, denn die australischen PARKWAY DRIVE geben sich die Ehre. Die ungekrönten Könige der Gitarren-Downstrokes prügeln gekonnt einerseits ihren typischen wütenden Metalcore der Marke schneller und härter, aber streuen auch mehrere Songs der letzten beiden, deutlich weniger brachialen und dafür umso eingängigeren Alben „Ire“ und „Reverence“ ein, mit denen sich der Fünfer um Shouter Winston McCall mal eben ein stückweit neu erfunden hat und die sich dementsprechend musikalisch deutlich abheben. Aber was heißt einstreuen: Gleich fünf Songs von „Reverence“ haben es auf die Setlist geschafft und bilden damit den Schwerpunkt des vierzehn Stücke umfassenden Gigs, nämlich „Wishing Wells“, „Prey“, „Absolute Power“, „Cemetery Bloom“ und „The Void“. Das mag polarisieren und jenen nicht gefallen, die auf die frühen Stücke der Band stehen, aber auch aus dieser Phase kommt einiges der Marke „Karma“ oder „Idols And Anchors“ – letztlich fügt sich alles zusammen zu einem mitreißenden und abwechslungsreichen Gig mit einer energiegeladenen Performance samt zahlreicher Pyro-Effekte, zu dem der Mob ausrastet als gäbe es keinen Morgen mehr.
Ganz großes Kino inszenieren derweil parallel dazu die Grammy-prämierten Briten von MUSE auf der Zeppelin Stage, als letzter Headliner des diesjährigen Festivals auf der Hauptbühne. Um es vorwegzunehmen, was der Vierer darbietet ist ein großartiges Gesamtkunstwerk, bei dem einfach jedes Detail passt: Perfekter Sound, hervorragende Musiker, klasse Songs, ein hohes Maß an Intensität und dazu eine Lichtshow der Superlative. On top kommt noch einiges an Animationsprogramm, beispielsweise in Form riesiger Luftballons, die über die Köpfe Zehntausender bouncen, oder XXL-Luftschlangen, die in die Menge regnen – sowas braucht es nicht unbedingt, schadet aber auch nicht. Die Songs des Vierers sind atmosphärisch ungemein dicht und vielschichtig, pendeln irgendwo im Spektrum zwischen sphärischem Artrock, spacigem Prog und heavy Alternative-Rock, zwischen feingliedrigen Kompositionen und ausufernden Emotionen wie Verzweiflung, Depression, Wut oder Melancholie.
Eingängige Gitarrenriffs und breite Synthesizer-Flächen, groovende Drums und Percussion, gekoppelt mit prägnantem Gesang – die Zutaten sind so simpel wie altbekannt und man hat sie in schier endlosen verschiedenen Variationen gehört, aber was MUSE daraus zaubern ist einzigartig. Was die Songauswahl betrifft, wird natürlich auch alles aufgefahren, was die Band groß gemacht hat, darunter „Undisclosed Desires“, „Supermassive Black Hole“ oder das von der Ennio-Morricone-Filmscore zu „Spiel mir das Lied vom Tod“ eingeleitete Meisterwerk „Knights Of Cydonia“. Die Stimmung dazu ist unter den Besuchern ebenso grandios wie das Set, und nach anderthalb Stunden dürfte jeder das Gefühl mitnehmen, hier einem außergewöhnlichen Konzert eines würdigen Headliners beigewohnt zu haben.
Auch die Metal-Gemeinde kriegt danach noch ihr Sahnehäubchen, denn AVENGED SEVENFOLD aus Orange County bespielen als letzte Band des Festivals die Park Stage. Zu einem Intro von AC/DCs „Back In Black“ vom Band kommen die Protagonisten auf die Bühne und ledern mit „The Stage“, „Afterlife“ und „Hail To The King“ gleich mächtig los. Vor einem opulent bestückten Bühnendesign, samt mehreren Videoscreens und immer wieder stakkatohaft aufschießenden Flammensäulen im hinteren und vorderen Bereich der Stage, liefert der Fünfer eine agile Show, bei der weder die Musiker noch die Crowd auch nur eine Sekunde innehalten. Metalcore auf Höchstniveau, und die Liste der Highlights ist entsprechend lang; herausgehoben werden sollen dennoch „Nightmare“ und „Bat Country“, die auf den Punkt gespielt ungemein druckvoll und brachial rüberkommen. Mit den nicht minder guten Zugaben „Shepherd Of Fire“ und „Unholy Confessions“ beenden sie nicht nur einen packenden Gig, sondern setzen zugleich für uns den Schlussakkord vom diesjährigen ROCK IM PARK.
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