Rock im Park 2018
Das Zwillingsfestival öffnet die Pforten
Konzertbericht
Samstag, 2. Juni – Rock im Park 2018
In den zweiten Tag starten wir mit den japanischen BABYMETAL, die eine ebenso trashige wie mitreißende Show abliefern. In ihrer Heimat sind sie ohnehin riesige Stars, und auch über Nippon hinweg ist der Hype längst mit hohen Wellen nach Europa geschwappt. Dementsprechend voll ist das Areal vor der Park Stage trotz der frühen Uhrzeit, und dementsprechend viele Crowdsurfer sind sofort parallel unterwegs, als die weißgeschminkte Instrumentalfraktion (die sogenannte „Full Metal Band“ oder auch „Gods Of Metal“) das Set riffend und trommelnd eröffnet. Die jungen Sängerinnen in ihren schicken Kostümen (eigentlich sind es deren drei, aber während Yuimetal fehlt, sind dafür zwei Backgroundtänzerinnen mit am Start) zelebrieren dazu erstmal eine kleine Messe und huldigen Kitsune, um schließlich mit Pieps-Stimmchen im Sechzehnteltakt einzusteigen. Was folgt, ist eine komplett durchchoreografierte Show, die eine Geschichte erzählt mittels diverser Einspieler aus dem Off, synchronen Tanzschritten, Karate-Moves und eine Art Manga-Metal, der sehr eigen und ungewöhnlich klingt, aber ordentlich fetzt. Das Publikum geht dazu ab ohne Ende. Ein spektakulärer Start, der jede Menge Spaß gemacht hat – unbedingt mal live anschauen wer sie noch nicht gesehen hat, es lohnt sich!
Ein weiteres Highlight kommt gleich im Anschluss in Gestalt von JONATHAN DAVIS, der acht Songs von seinem erst kürzlich veröffentlichten Solo-Debut „Black Labyrinth“ serviert sowie „Forsaken“ von „Alone I Play“. Natürlich erinnert einiges an KORN aufgrund des prägnanten Gesangs, der zwischen flehentlich clean und finsteren Growls changiert, und dem energetischen Bühnenacting von Davis; im Gegensatz zu seiner Hauptband fehlen allerdings die tiefgestimmten, verzerrten Riffs und machen Platz für Streicher und einen etwas dezenteren, nicht ganz so wuchtigen Groove mit einer Prise Gothic und Industrial. Waren die letzten KORN-Alben nicht jedermanns Sache, bringt das Soloprojekt von Davis hier durchaus frischen Wind und weiß live noch einen Tick mehr zu überzeugen als schon auf dem Longplayer. Das gilt insbesondere für einen Track wie „Happiness“. All thumbs up!
Wir bleiben noch für drei weitere Bands vor der Park Stage, die nächste davon ist ENTER SHIKARI. Sie halten das hohe Stimmungslevel mühelos und liefern die gewohnt agile Show mit viel Gezappel und Gespringe, Clean-Gesang und Gekreische, zuckenden Lichtern und einem in den besten Momenten sehr intensiven Mix aus Trance-Core, Dubstep und Emo, wobei vor allem die frühen, vertrackten Songs der Marke „Sorry, You’re Not A Winner“, „Anything Can Happen In The Next Half Hour“ oder „Destabilise“ herausstechen. Doch auch die aktuelleren Tracks können fast durchweg mit Eigenständigkeit, Originalität und reichlich Energie aufwarten – es ist zündet zwar nicht alles, aber vieles. Mit „Live Outside“, das übergeht in „The Embers“, beenden die Briten um den quirligen Sänger Roughton „Rou“ Reynolds ihren überzeugenden Gig.
HOLLYWOOD UNDEAD scheinen irgendwie ein Magnet für minderjährige Groupies zu sein, jedenfalls stehen mehrere davon in der ersten Reihe mit explizit sexuellen Botschaften auf Schildern und manche platzen schier vor Hysterie, andere sind der Ohnmacht nahe, als die maskierten Rapper auf der Bühne erscheinen. Die armen Mädels haben aber bald ganz andere Sorgen, denn im Stakkato-Takt trudeln Crowdsurfer vorne bei ihnen ein und hin und wieder wird ihr Kopf zum Punchingball, was die Ekstase für ein paar Sekunden dämpft, aber einmal kurz geschüttelt und dann wird kräftig weiter gerockt. Interessant und amüsant zu beobachten.
Die sechs kalifornischen Energiebündel mit ihrem Bastard aus Rap-Gesang, tighten Beats, einem Schuss NuMetal und melodischen Refrains machen vom ersten bis zum letzten Akkord eine Menge Alarm und mächtig Laune. Zwischen eigene Party-Kracher wie „Undead“ oder „Hear Me Now“ packt man als Extra-Feature noch ein ziemlich cooles Medley aus „Enter Sandman“ von METALLICA und „Du Hast“ von RAMMSTEIN – letzteres auf Deutsch gesungen und mit Funkenregen authentisch aufgepeppt. Der Drummer wird dann auch noch gezwungen, einen Song von BON JOVI zu singen („Fucking sing or you’re fired“), und genau wie am Tag zuvor THY ART IS MURDER haben auch sie ein paar deutsche Vokabeln gelernt, die oft und gern in Kombination mit ihrem Lieblingswort „Fuck“ in die Menge gebrüllt werden. Beispiel: „If you fucking think we suck a big assfucking dick, you fucking suck like Flitzekacke“. Natürlich ist die ganze Show von vorne bis hinten eine demonstrativ zur Schau gestellte Dicke-Eier-Attitüde, aber eben mit einem gewissen Augenzwinkern und letztlich Geschmacksache, gutes Entertainment ist es aber allemal.
And now to something completely different: A PERFECT CIRCLE um TOOL-Frontmann Maynard James Keenan haben kürzlich nach jahrelanger Schaffenspause das Album „Eat The Elephant“ veröffentlicht und geben sich nun auch live wieder mal die seltene Ehre. Sie legen los mit „Counting Bodies Like Sheep To The Rhythm Of The War Drums“, gefolgt von „Hourglass“ vom neuen Longplayer. Keenan, im hellblauen Anzug mit schwarz geschminkten Augen, steht dabei und während des kompletten Auftritts grimmigen Blickes und in gebückter Haltung auf einem kleinen Podest im Hintergrund, und begleitet seinen Gesang mit exzentrisch-kauzigen Tanzschritten. Man durfte einiges erwarten von diesem raren Auftritt, und die Prog-Rock-Heroen liefern! Es ist musikalisch höchstes Niveau, was Keenan mit seiner prägnanten Stimme, Gitarrist Billy Howerdel und Co. zelebrieren: Vielschichtige, atmosphärische Klanglandschaften mit zahlreichen Wechseln von Stil, Rhythmik und Dynamik, mal wie ein Sturm im Wasserglas, bisweilen wie ein Orkan hervorbrechend. Die Setlist beinhaltet einen gelungenen Querschnitt aus allen Schaffensphasen, und mit „The Doomed“, dem AC/DC-Cover „Dog Eat Dog“ und „The Outsider“ setzt man den würdigen Schlusspunkt eines großartigen Konzerts.
Vor der großen Zeppelin Stage liegt es nun an THIRTY SECONDS TO MARS, den Headlinern des zweiten ROCK IM PARK-Tages, die Masse zu begeistern. Mit einem großen Teil davon gelingt ihnen das auch, bei uns jedoch nicht. Wurde eingangs des Berichts davon gesprochen, dass es auch Enttäuschungen gab, so trifft das genau hier zu – zumindest überwiegend, denn phasenweise gibt es auch Highlights zu vermelden. Zu zweit stehen Sänger Jared Leto und sein Bruder, Drummer Shannon Leto, auf der Bühne und liefern ein Festival-typisches Set aus ihren bekanntesten Alternative-Rocksongs, von denen durchaus viele Potential haben und unter die Haut gehen. Allerdings wirkt es streckenweise so, als solle Zeit geschunden werden: Jared Leto, der mit wallendem Haar und Hippie-Gewand wie die Reinkarnation von Jesus aussieht, redet ungemein viel mit dem Publikum und animiert es stetig mit den immer gleichen Floskeln („Jump“, „How are you tonight?“, „Rock im Paaaaark“ etc.), verschwindet bisweilen von der Bildfläche um dann wieder aufzutauchen, oder holt sich immer wieder Leute auf die Bühne, mit denen er ausgiebig plaudert und Selfies schießt. Obwohl eine große Menge die Band und insbesondere Songs wie „The Kill (Bury Me)“, „City Of Angels“, „This Is War“ oder „Kings And Queens“ feiert, strömt ein nicht unerheblicher Teil im Lauf des Konzerts davon und hinterlässt große Lücken auf dem weitläufigen Terrain. Wenn man mit „Closer To The Edge“ und rund hundert Besuchern auf der Bühne zwar noch ein versöhnliches Finale hinlegt, bleibt dennoch festzuhalten, dass der prominente Headliner-Slot an diesem Tag eine Nummer zu groß geraten war.
Zurück vor der Park Stage, wo STONE SOUR um SLIPKNOT-Röhre Corey Taylor zeigen wie man es besser macht, denn hier geht es richtig rund auf und vor der Bühne. Beginnend mit „Whiplash Pants“ (einem von vier gespielten Songs vom aktuellen Album „Hydrograd“) und dem treibenden „Absolute Zero“ zeigen sich STONE SOUR und allen voran Taylor, der ständig in Bewegung ist, überaus agil auf der Bühne, und der Funke springt sofort über auf das Publikum, inmitten dem phasenweise mehrere Circle Pits gleichzeitig toben. Dass Taylor ein richtig guter Sänger ist (was bei SLIPKNOT nur phasenweise zum Tragen kommt) ist bekannt, und mit seiner zweiten Band kann er das auch in voller Pracht demonstrieren. Zwar ist nicht jeder Song der Alternative-Rocker eine Granate, aber das wird mit der energetischen Show und einigen echten Krachern a la „Say You’ll Haunt Me“ oder „30/30-150“ gekonnt ausgeglichen. Insgesamt ein mitreißender Mix aus balladesken Stücken und SLIPKNOT-artigen Heavy-Rockern, wobei letztere deutlich mehr abgefeiert werden.
Der letzte Gig auf der Park Stage und für uns gleichzeitig der Abschluss des zweiten Festival-Tages gehört MARILYN MANSON, bei dem man nie so recht weiß, was von ihm zu erwarten ist – in der Vergangenheit haben wir manch lustlos-uninspiriertes Konzert von ihm gesehen. Heute ist er allerdings gut drauf und liefert eine charismatische Show unter Nebelschwaden und düsterer Lichtstimmung, während der er mehrfach in den Songpausen die Garderobe wechselt. Zwischen zwei Songs vom neuen Album „Heaven Upside Down“ in Form von „Kill4Me“ und „Say10“ packt er einen bunten Strauß seiner altbekannten Hits, die streckenweise lautstark vom Publikum mitgesungen werden: Darunter „mObscene“, „This Is The New Shit“, „Rock Is Dead“, „The Dope Show“, „Sweet Dreams (Are Made Of These)“, „Antichrist Superstar“ oder „The Beautiful People“. Im Gegensatz zu seinem letzten Konzert bei ROCK IM PARK fällt er diesmal nicht von der Bühne in den Fotograben, und Jonathan Davis am Bühnenrand mosht kräftig mit (Manson, als er das registriert: „I fuckin‘ love this guy!“). Nach der letzten Zugabe, dem Gerard McMann-Cover „Cry Little Sister“, ist der Jubel ohrenbetäubend und eine mitreißende Rock-Oper geht zu Ende. Im Gegensatz zu THIRTY SECONDS TO MARS war MARILYN MANSON seinem Headliner-Part auf der kleineren Park Stage eindrucksvoll gewachsen.
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