Rock im Park
Der Festivalbericht mit Bildergalerie
Konzertbericht
3. Tag Rock im Park – SONNTAG, 4. JUNI
Der letzte Tag des Festivals beginnt für den Autor dieser Zeilen persönlich um 15 Uhr mit SKINDRED auf der Zeppelin Stage, die einlaufen zum „Imperial March“ aus Star Wars. Und wenn es eine Band schafft, schon um diese Uhrzeit etwa zehntausend Leute vor die Bühne zu locken und fast jeden davon zu begeistern, dann sind sie das. Der Fünfer hat nicht nur einige klasse Songs mit dem typischen Mix aus Reggae, Metal und HipHop im Gepäck, sondern sie sind – allen voran Sänger Benji Webbe – einfach auch gnadenlos gute Entertainer. Immer wieder peitscht er die „Motherfuckers“ an mitzumachen, zu springen, mit den Händen zu rudern („Keep your motherfuckin‘ hands movin‘ you bitches“), oder den bei ihren Konzerten obligatorischen „Helicopter“ zu machen (T-Shirts ausziehen und damit rumwedeln – ein beeindruckendes Bild bei einer riesigen Menschenmenge). Die Setlist speist sich aus so ziemlich all ihren Singles („Rat Race“, „Under Attack“, „Nobody“, „Warning“…) sowie dem beherzten AC/DC-Tribute „Back In Black“. Welch vielversprechender Auftakt!
Gleich im Anschluss zeigen 2 CELLOS auf der Park Stage, dass man auch mit Geigen mächtig abrocken kann. Die beiden Protagonisten Sulic (ausgebildet an der Royal Academy Of Music in London) und Hauser (ausgebildet am Royal Northern College Of Music in Manchester), beide mit zahlreichen Musikpreisen dekoriert, nehmen sich diverse Rock-Klassiker vor und zelebrieren sie mit reichlich Verve und Klasse auf ihren Cellos – darunter etwa „Satisfaction“ von den ROLLING STONES oder „Highway To Hell“ und „You Shook Me All Night Long“ von AC/DC.
Auf der Zeppelin Stage beschallen derweil IN FLAMES, die längst vom Death Metal zum massentauglicheren Modern Metal konvertierten Schweden, die zahlreichen Metalheads im Publikum. Die Band um Sänger Anders Fridén, die in den letzten Jahren über die Hälfte ihres Stammpersonals ausgetauscht hat, beginnt mit „Wallflower“ und „Before I Fall“ ein solides bis phasenweise mitreißendes Konzert; mitreißend ist es vor allem dann, wenn alte Hits wie „Only For The Weak“ oder „Cloud Connected“ ertönen und ein gigantischer Circle Pit dazu kreiselt. Den würdigen Abschluss bildet das epische „Take This Life“.
Zeitlich etwas vorverlegt ist das Konzert der rüpelhaften Britpop-Ikone LIAM GALLAGHER, der samt Band die Park Stage bespielt. Wer gehofft hat, diverse OASIS-Klassiker von deren ehemaligem Sänger kredenzt zu bekommen, liegt richtig – schon die ersten beiden Songs sind „Rock’n’Roll Star“ (vom 1994er-Album „Definitely Maybe“) und „Morning Glory“ (vom 1995er-Album „(What’s the Story) Morning Glory?“); im Lauf des Gigs werden weitere OASIS-Lieder wie „D’You Know What I Mean?“, „Slide Away“ oder „Be Here Now“ in der typischen Art von Liam Gallagher serviert – leicht gebückt, mit einem Tamburin in der Hand, Gesichtsausdruck zwischen arrogant, angepisst und schwer gelangweilt schwankend, aber tolle Stimme und ein gewisses Charisma. Der Rest seines Sets sind Songs aus der Post-Oasis-Zeit als Solokünstler, etwa „Greedy Soul“, „Universal Gleam“ oder sein brandneues Solo-Stück „Wall Of Glass“. Was fehlt? Songs aus seiner Zeit bei BEADY EYE, vor allem aber einige der ganz großen Stadionhits von OASIS a la „Wonderwall“, „Don’t Look Back in Anger“ oder „Supersonic“. Dennoch ein sehenswerter Gig.
Der nächste große Slot gehört FIVE FINGER DEATH PUNCH, diesmal auf der großen Zeppelin Stage, nachdem sie vor ein paar Jahren in der Alternarena mächtig abgeräumt haben. Das gelingt ihnen natürlich auch diesmal wieder brillant mit ihrem Mix aus hart groovendem Psycho-Metal a la „Jekyll And Hyde“ oder „Burn Motherfucker“, bei denen es turbulent zugeht in der Crowd, sowie ruhigen, eindringlichen Balladen, die nur von der Akustikgitarre begleitet werden, darunter „Wrong Side Of Heaven“ und „Remember Everything“. Mit drei ihrer Single-Auskopplungen, zu denen nochmal ein riesiger Circle Pit tobt, der von Sänger Ivan „Ghost“ Moody dirigiert wird, endet der Gig: „Coming Down“, gefolgt von „Under And Over It“ und zum Abschluss der zehn Jahre alte Kracher „The Bleeding“.
Zum Teil ist es sicherlich den BROILERS aus Düsseldorf geschuldet, die als nächstes auf der Zeppelin Stage spielen, vermutlich werfen aber eher die nachfolgenden Headliner von RAMMSTEIN bereits ihre Schatten voraus: Jedenfalls herrscht direkt vor der Bühne bis nach ganz hinten ein Wahnsinnsgedrängel, jeder will es so weit wie möglich nach vorne schaffen und es drückt und schiebt von allen Seiten. So vollgepackt war die Fläche vor der Hauptbühne noch auf fast keinem Rock im Park. Definitiv nichts für Leute mit Platzangst. Die BROILERS liefern, beginnend mit „Zurück Zum Beton“, ein gefälliges Konzert mit einem Best-Of quer durch ihre Karriere, inklusive „Wie Weit Wir Gehen“, „Tanzt Du Noch Einmal Mit Mir?“, „Die Beste aller Zeiten“ oder „Keine Hymnen Heute“; zwischen dem eigenen Punk-Oi-Rockabilly-Kuschelschlager-Mix punktet Sänger Sammy Amara mit seinen sympathischen Ansagen, und komplettiert wird das Ganze vom SLIME-Cover „Zusammen“.
RAMMSTEIN
Nun ist es endlich soweit: Das einzige Konzert von RAMMSTEIN hierzulande in diesem Jahr (da der Gig auf dem Schwesterfestival Rock am Ring ja nicht stattfinden konnte) bahnt sich an. Die Bühne ist mit einem Vorhang verhüllt, auf der Leinwand tickt ein Countdown ab 60 die Sekunden herunter, „Rammstein, Rammstein“ skandieren viele tausend dazu. Der Vorhang fällt bei null, der noch recht frische Song „Ramm 4“ (textlich eine Aneinanderreihung aus Songtiteln und Liedzeilen der Band) ertönt, und vom Bühnendach schießen gewaltige Fontänen glitzernden roten Rauchs in die Luft. Das Spektakel hat begonnen – die Besucher erwartet eine gigantische Bühnenshow mit opulenten Pyro-Effekten und bis ins Detail perfekt choreografierten Abläufen.
Die sechs Berliner um Frontmann Till Lindemann (der allein während der ersten Songs dreimal blitzschnell sein Outfit ändert) liefern dazu so ziemlich alle großen Hits: „Keine Lust“, „Feuer frei“, „Seemann“, „Du Riechst So Gut“, „Mein Herz Brennt“, „Links 2-3-4“ oder „Du Hast“, um nur einen Auszug zu nennen, werden druckvoll und auf den Punkt gespielt und von der Menge gnadenlos abgefeiert und mitgesungen. Und stets omnipräsent: Feuer! Es schießt seitlich aus den Gitarren, Lindemann kippt es, auf einem hochfahrenden Podest stehend, aus einer Milchkanne funkenschlagend auf den Bühnenboden, es wird aus Flammenwerfern gesprüht, bei „Ich Tu Dir Weh“ fliegen Pyrogeschosse über die Köpfe des Publikums hinweg, und Feuerfontänen explodieren nicht nur vor der Bühne, sondern auch auf weit gegenüber stehenden Masten. Rund 80 Kilo enorm teures Lycopodium (Bärlappsporen) verblasen RAMMSTEIN schon mal während einer Show, damit die Feuersäulen hübsch heiß und sonnengelb emporschießen. Dazu kommt die aufwendige Lichtshow, reichlich Nebel und ein Bühnenacting, das bisweilen Züge einer finsteren Oper trägt – in puncto Show sind RAMMSTEIN von nahezu keiner Band zu toppen.
Das DEPECHE MODE-Cover „Stripped“ ist der letzte Song des regulären Sets, danach folgt das große Finale Furioso in Form von drei Zugaben: Bei „Sonne“ ertrinkt die Bühne nahezu in einem Flammenmeer, zu „Amerika“ explodiert ein gewaltiger Konfettiregen in die Menge, und bei „Engel“ streift sich Lindemann fünfzig Kilo schwere Flügel aus Stahl über, stapft eine Treppe hoch, schwebt „Gott weiß ich will kein Engel sein“ singend über dem Boden, bis die Flügel schließlich erst Funken und dann lodernde Flammen sprühen. Ganz großes Kino.
Das Konzert war sicherlich DAS Highlight des diesjährigen Rock im Park, aber noch ist der Abend nicht zu Ende. In der proppenvollen Alternarena gibt’s noch CLUTCH zu sehen, die mit ihrem bluesigen Stonerhardrock die letzten Reserven aus dem Parkmob quetschen. Auch sie liefern eine Art Best-Of mit leichtem Schwerpunkt auf dem letzten Album „Psychic Warfare“. Draußen vor der Park Stage ist das Getümmel noch um einiges größer beim Auftritt von MARTERIA, und es ist bereits sein zweiter heute – der Rostocker hat nachmittags sein aufgrund des Terrorverdachts abgesagtes Freitagskonzert bei „Rock am Ring“ nachgeholt, ist danach gen Nürnberg gedüst und steht nun hier wieder auf der Bühne, topfit und wie aus dem Ei gepellt, Respekt! Zu seinen bekannten Hits, die er abliefert, etwa „Lila Wolken“ oder „Marteria Girl“, laufen auf einer großen Leinwand passend auf den jeweiligen Song zugeschnittene Clips, begleitet wird er zudem von tänzerischen und gesanglichen Sidekicks und natürlich dem eifrig Hände schwingenden und mitrappenden Publikum. Sein Alter Ego „Marsimoto“ im silbernen Dress darf auch ein grasvernebeltes Geschichtchen über eine kleine Bühne performen, und das witzig aufgemachte „Kids (2 Finger an den Kopf)“ setzt den Schlusspunkt.
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