Rock im Park
Der Festivalbericht mit Bildergalerie
Konzertbericht
2. Tag Rock im Park – SAMSTAG, 3. JUNI
Am zweiten Festivaltag geht’s um kurz vor 14 Uhr mit CODE ORANGE auf der Zeppelin Stage los. Viele liegen zu der Zeit vermutlich noch mit dickem Schädel im Zelt, aber die noch relativ überschaubare Anzahl von Menschen vor der Bühne (in Rock-im-Park-Dimensionen sind das „nur“ knapp zweitausend) feiert den Vierer aus Pittsburgh, Pennsylvania, und dessen druckvollen, brutalen Hardcore-Punk mit brutalem Pressgesang dafür umso amtlicher ab – inklusive der üblichen Circle Pits, Crowdsurfing etcetera.
Die folgenden Deathmetaller GOJIRA aus Frankreich haben das Pech, dass just zu ihrem Auftritt der Himmel seine Schleusen weit öffnet, den nicht mit Matten belegten Teil des Geländes in einen schlammigen Acker und die Klamotten der Besucher in klitschnasse Lappen verwandelt. Aber sie haben das Glück, dass dies die meisten herzlich wenig kümmert: Weit mehr Besucher als bei den Vorgängern moshen zu den vielschichten, spieltechnisch anspruchsvollen Songs mit ihren unorthodoxen Strukturen und dem Mix aus cleanem Gesang und finsteren Growls, die Texte abseits des Üblichen transportieren – etwa zum Thema Umweltschutz, in dem die Band auch abseits der Musik durch ihren Support für Sea Shepard engagiert ist. Besonders beeindruckend, sowohl was den Song an sich als auch Performance und Stimmung betrifft, geraten „L’Enfant Sauvage“ und „Vacuity“.
Die vier Musiker von AIRBOURNE kommen nicht nur wie AC/DC aus Australien, sie klingen ihren Vorbildern auch noch verdammt ähnlich. Stichwort: Kick-Ass Hardrock’n’Roll mit einer Prise Blues und Texten mitten aus dem Musikerleben, startend mit „Ready To Rock“ und „Too Much, Too Young, Too Fast“ – und das Ganze stilecht vor einer Wand aus Marshall-Verstärkern, die sich über die gesamte Bühnenbreite erstreckt. Sänger und Lead-Gitarrero Joel O’Keeffe flitzt irgendwann von der Bühne, springt im Publikum herum und spritzt mit Dosenbier, die Menge geht ab und einige Frauen ziehen obenrum blank – es ist eine fast schon klischeehafte, aber dennoch oder gerade deswegen mitreißende und authentische Rock’n’Roll-Stadionshow, bei der selbst die Sonne wieder zu strahlen beginnt. Vom neuen Album „Breakin‘ Outta Hell“, dessen Covermotiv auch als Backdrop im Bühnenhintergrund hängt, gibt es nur drei Songs zu hören („Rivalry“, „It’s All For Rock’n’Roll” und das Titelstück); der Rest der Setlist besteht Festival-typisch aus einer Art Best-Of der altbekannten Abgehnummern wie „Stand Up For Rock’n’Roll“ oder – zum Abschluss – „Runnin‘ Wild“.
Auf der Park Stage haben derweil FEINE SAHNE FISCHFILET aus Meck-Pomm damit begonnen, ihr Publikum zum kollektiven Ausrasten zu verleiten. Die Zutaten: Eingängige Ska-Punk-Songs mit schrammeligen Gitarren und tanzbaren Blechbläsersätzen, eine unmissverständliche Antifa-Attitüde („Gegen rechts und sonstige Arschlöcher“), Biergespritze, Farbgesprühe, Schlauchbootgesurfe und sechs hochsympathische Protagonisten. Bekanntgeworden auch dank Verfassungsschutz, der sie als „explizit anti-staatlich“ einstuft, sind sie zwar immer noch eng verwurzelt im musikalischen Underground und höchst authentisch, aber mittlerweile längst auch sehr bekannt und über die klassische Punkszene hinaus beliebt – gut zu beobachten auf diesem Gig, bei dem etwa eine riesige Menge textsicher Songs wie „Komplett im Arsch“ mitgröhlt.
In der Alternarena spielen parallel OKTA LOGUE aus Darmstadt entspannten Indie-Retro-Rock mit bisweilen progressiver und psychedelischer Note, speziell was ihr älteres Songmaterial vor dem „Diamonds And Despair“-Album betrifft, dessen Songs zwar wunderschön, aber etwas straighter klingen. Träumerischer Gesang schwebt hier über einem flirrenden Orgelsound, unaufgeregten Rhythmen und einem sehr warm und organisch klingenden Gitarrenspiel, alles serviert auf spieltechnisch und kompositorisch hohem Niveau. Es sind Stücke, denen man eher intensiv lauscht und zu denen man eher dezent tanzt, ergo eine dankbare Abwechslung zum bisherigen Vollgas-Party-Programm.
Derweil OKTA LOGUE ihr Set mit dem Song „Diamonds And Despair“ vom gleichnamigen Album unter lautem Applaus und vergeblichen Zugabe-Rufen beenden, starten ALTER BRIDGE auf der Zeppelin Stage ihres gerade mit „Come To Life“. Sänger Myles Kennedy, der die Band 2004 mit ehemaligen CREED-Mitgliedern gegründet hat, zählt stimmlich sicherlich zur Créme de la Créme der derzeitigen internationalen Rockszene. Er kann einfach alles fantastisch singen mit seinem mehrere Oktaven umfassenden Gesangsorgan – die schnellen, metallischen Arschtritt-Rocknummern, die sanfteren emotionalen Balladen, die grungigen Parts… selbst als er im letzten Jahr bei Rock im Park mit SLASH mehrere Klassiker von GUNS’N ROSES intonierte, klang das deutlich besser als vom heutigen Axl Rose. Genug der Schwärmerei: Sämtliche Hits wie „Blackbird“, „Metalingus“ oder „Isolation“ werden dargeboten und abgefeiert, zum großartigen „Rise Today“ samt Ovationen fällt schließlich der imaginäre Vorhang.
Ein völlig anderes Szenario spielt sich derweil parallel in der Alternarena ab: Die beiden Hamburgerinnen Alice Martin und Maike Mohr alias CHEFBOSS samt ihrer Gang feiern eine elektronische Abrissparty par excellence: Glitzerfummel, nackte Haut, Latexmasken, Blitzlichtgewitter, sexy Tanzmoves und quäkender Gesang auf der Bühne und ein waberndes Tollhaus davor – zu trashigen Songs mit Techno-Bässen wie „Zombie Apokalypse“ oder „Blitzlichtgewitter“ verwandelt sich der ganze Saal mit zigtausend Leuten in einen riesigen Dancefloor.
PROPHETS OF RAGE
Zurück zur Zeppelin Stage: Dort bahnt sich Historisches an, nämlich der erste Auftritt in Europa von der 2016 gegründeten Supergroup PROPHETS OF RAGE. Und die Bezeichnung Supergroup ist wahrlich nicht übertrieben: Die Besetzung besteht aus ehemaligen Mitgliedern von RAGE AGAINST THE MACHINE (Gitarrist Tom Morello, Drummer Brad Wilk und Bassist Tim Commerford), den Gesang teilen sich B-Real (CYPRESS HILL) und Chuck D (PUBLIC ENEMY), und von Letzteren ist auch noch DJ Lord mit am Start und sorgt für die Beats. Mit hochgereckten Fäusten, B-Real mit Palästinensertuch über dem Kopf, betreten sie die Bühne und legen los mit dem alten, jetzt namensgebenden Song „Prophets Of Rage“ von PUBLIC ENEMY, gefolgt von mehreren RATM-Klassikern wie „Testify“ und „Take The Power Back“ – und dicht gedrängt flippen Zehntausende vor der Bühne dazu völlig aus. Neben weiteren RATM-Hits, die den Schwerpunkt bilden (darunter „Bombtrack“, „Bullet In The Head“ oder „Killing In The Name“) feuern sie einen weiteren PUBLIC-ENEMY-Klassiker („Fight The Power“) und ein grandioses HipHop-Medley in die Meute, das sich unter anderem aus „Insane In The Mem Brain“ und „I Ain’t Goin‘ Out Like That“ (CYPRESS HILL), „Bring The Noise“ und „Welcome To The Terrordome“ (PUBLIC ENEMY) oder „Jump Around“ (HOUSE OF PAIN) zusammensetzt.
Zwischen dieses überragende und auch überragend gespielte Set platzieren sie noch ein ganz besonderes Highlight: In Erinnerung an den kürzlich verstorbenen SOUNDGARDEN-Sänger Chris Cornell, mit dem die drei anwesenden Ex-RATM-Musiker zusammen für ein paar Jahre die Band AUDIOSLAVE bildeten, spielen sie das wunderschöne, düster-melancholische AUDIOSLAVE-Stück „Like A Stone“ – inbrünstig gesungen von keinem geringeren als SYSTEM OF A DOWN-Sänger Serj Tankian, der eigens für diesen Song dazu stößt. Piloerektion! Und nahtlos zwischen diesen Reigen an Highlights fügt sich ein neuer Song der Band namens „Unfuck The World“ ein, der auf ein baldiges Album hoffen lässt.
SYSTEM OF A DOWN
Es ist schwer, dieses Konzert noch zu toppen und es wäre eines Headliners absolut würdig gewesen. Aber der Samstagabend hält dennoch ein weiteres i-Tüpfelchen bereit, das dem Ganzen die Krone aufsetzt, zumindest aber das Level hält: SYSTEM OF A DOWN geben eines ihrer seltenen und mit Spannung erwarteten Konzerte hierzulande! Ihr Bühnenacting ist im Vergleich zu den Vorgängern zwar sehr statisch, auch was die Ansagen betrifft hält man sich bedeckt (wenn ein paar Worte an die Crowd kommen, dann meist von Gitarrist Daron Malakian), dafür sind die insgesamt dreißig gespielten Songs quer durch alle Alben fast durchweg absolute Burner und werden bis auf kleine Ausnahmen (etwa der dezent veränderten Einleitung zum vielschichtigen „Cigaro“) nahezu 1:1 auf die Bühne gebracht. Und das will etwas heißen angesichts der überaus komplexen Songstrukturen und des unnachahmlichen Gesangsstils von Serj Tankian, die nicht einfach live zu reproduzieren sind. Höhepunkte des Sets sind wie zu erwarten Songs wie „Radio/Video“, „Chop Suey!“, hyperschnelle Kracher wie „Bounce“ oder „Prison Song“, sowie die zum Abschluss nacheinander gespielten „Toxicity“ und „Sugar“, um nur ein paar herauszupicken.
Danach leert sich der Platz vor der Zeppelin Stage von den verschwitzten Leibern und die Menge strömt zu den anderen Bühnen, wo es entsprechend brechend voll wird. Vor der Park Stage spielt das HipHop-Duo MACKLEMORE & RYAN LEWIS aus Seattle auf, das einen Querschnitt ihrer Alben „The Heist“ (Grammy-gekrönt) und „This Unruly Mess I’ve Made“ mit einer bombastischen Show samt zahlreichen Tänzern liefert.
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