Rock Hard Festival
Der große Bericht - Rock Hard Festival 2007
Konzertbericht
Sabaton
SABATON starten unter denkbar miesen Voraussetzungen in einen noch immer latent regnerischen und ungemütlichen Sonntag. Die Meute ist von der Nacht durchnässt und durchgefroren, und vom Himmel ergießen sich immer noch kleinere Schauer über die zunächst übersichtliche Schar vor der Bühne. Um die Stimmung ein bißchen aufzuheizen, treibt die ohnehin völlig geniale Security an der Bühne ihre Spielchen mit dem Publikum. Einer der Sicherheitsmänner testet die wartende Menge auf ihre Crowdsurfing-Tauglichkeit, indem er sich selbst ein paar Augenblicke über die Menge tragen lässt. Dafür verdienen sich die Zuschauer zwei Bälle, mit denen die Wartezeit auf SABATON überbrückt wird. Als die Band dann auf die Bühne findet, gibt es eher unspektulären, aber partytauglichen Heavy Metal mit unerträglich billigen Keyboards und einem fies sonnenbebrillten Sänger, der Ansagen und Gesang in schönstem Schwedo-Englisch rüberbringt. Das größer werdende Publikum ist zwar recht begeistert vom Dargebotenen, mir selbst ist die Musik der Schweden aber ein bisschen zu gleichförmig, so dass ich in der Mitte des Sets auf dem Gelände lieber nach etwas Essbarem suche.
Hardcore Superstar
HARDCORE SUPERSTAR genießen als einzige Glam-Rock-Band Ausnahmestatus auf dem Billing des Festivals, sind aber hoch motiviert, die Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen. Was zunächst trotz des schön dreckig rockenden Sounds nur zeitweise gelingt, soll im Verlauf des Gigs immer besser werden. Gleich zwei neue Songs pfeffern die Rocker in die Menge, nämlich „Bastard“ und „Medicate Me“, welche gut aufgenommen werden, aber auch Hits wie „We Don’t Celebrate Sundays“ finden ihren Weg in den Set und lockern das Eis zusätzlich auf. Frontmann Jocke ist bestens aufgelegt und wirbelt emsig über die Bühne, und auch der Rest sieht nach gutklassiger Rockshow aus. Eine sehr gute Band, ein cooles Konzert, kann man sich durchaus geben!
Dew Scented
Jetzt wäre eigentlich die Vollbedienung in Sachen Black Metal an der Reihe gewesen, doch die erste Schwarzwurzelband, NAGLFAR, muss aufgrund eines Streiks der Airline leider zuhause bleiben. Schade, denn nicht wenige hätten jetzt gerne eine Best-Of-Show der grimmigen Prügelmeister genossen. So ist es dann an DEW SCENTED, den frei gewordenen Platz adäquat zu füllen. Auch nicht schlecht, denn so kann man direkt mal abchecken, wie sich der neue Trommelhorst der Überschall-Thrasher so macht. Und der knüppelt mächtig los, hat die treibenden Thrashparts und Blastbeats genauso drauf wie die schwer groovenden Mitbangteile und macht – wie auch der Rest der Band – eine überzeugende Figur. Sänger Leif lässt bei Songs wie „Soul Poison“ (Knaller!) und „Acts of Rage“ mächtig Aggressionen ab und treibt die wegen der Absage enttäuschte Menge ordentlich an. Insgesamt kein absoluter Überflieger und auf Dauer wenig abwechslungsreich, aber eine sehr vergnügliche und brutale Dreiviertelstunde.
Dark Funeral
Die nun folgenden DARK FUNERAL ernten den Negativpreis für den mit Abstand beschissensten Sound des Festivals. Sorry, aber in dem tiefendominierten Brei aus verwaschenem (aber geil gespieltem!) Schlagzeug, teils mörderisch schiefem Bass und ein bisschen Gekreische ist absolut keine Musik ausfindig zu machen. Außerdem spielt der finster bepinselten Combo ausgerechnet jetzt die Sonne einen bösen Streich und lacht zu dem satanischen Gewitter von der Bühne fröhlich über Gelsenkirchen. Da hilft es leider auch nicht, dass die Band um Emperor Magus Caligula bemüht ist, einen würdigen Querschnitt durch ihr bisheriges Schaffen zu präsentieren, denn die meisten Songs lassen sich nur anhand der knappen, pseudobösen Ansagen erahnen und entfalten im entspannenden frühsommerlichen Sonnenschein nicht die rechte Wirkung.
Tankard
Wenn es einen Frontmann auf der Welt gibt, der es schafft, jede Bühne nach Leibeskräften auszufüllen, dann ist es Gerre, seines Zeichens Heulboje und Oberwuchtbrumme bei den (glücklicherweise) unsterblichen Alkoholthrashern von TANKARD. Ähnlich wie die Hummel schert sich die Liebeskugel am Mikro einen Dreck um die Gesetze der Aerodynamik und fliegt wie ein hyperaktives Michelinmännchen über die Bretter. Zwischen Klassikern wie „Zombie Attack“ und „Chemical Invasion“ verkündet Gerre seine Verlobung mit SODOM-Drummer Bobby als Beweis ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe oder schlägt Götz Kühnemund und Joey DeMaio als Kompromiss vor, DOCH für den Metal zu sterben, aber wenn, dann mit einem Bier in der Hand. Ganz großes Kino! Als die Frankfurter nach „Freibier“ und einer furiosen Version ihrer Bandhymne „Empty Tankard“ viel zu früh die Bühne verlassen, kommt einem der extrem unterhaltsame und kurzweilige Auftritt wie fünf Minuten vor, dabei hätte die Band ja noch stangenweise Klassiker im Gepäck gehabt. Das Highlight des Tages, hätte ich mir seelenruhig drei Stunden am Stück geben können!
Mike Terrana
Zwischendurch ist kurz Zeit für einen Blick ins Zelt vom Music Store, wo Mike Terrana (Ex-Rage, Axel Rudi Pell, Masterplan) eine Lehrstunde in Sachen Drumming vermitteln soll. Der sympathische Ami setzt sich unter lautem Jubel an sein abgefahrenes Drumkit und treibt ein paar Späßchen mit dem Publikum, so bezeichnet er einen amerikanischen Landsmann feist grinsend als „Beckenrandschwimmer“, dann heißt es „let’s play some Scheiß“ und er legt mächtig los. Zu abgefahrenen, jazzigen Bassläufen aus der Konserve verprügelt der Meister sein Kit derart, dass nicht wenigen Anwesenden ein anerkennendes Grinsen im Gesicht steht. Schön, einen so begnadeten und sympathischen Drummer mal aus der Nähe zu sehen.
Paul Di’Anno
Schnell wieder rüber zum Amphitheater, wo PAUL DI’ANNO nebst Backingband in das zweite „spezielle Ex-Brötchengeber-Set“ startet. Wo ROSS THE BOSS aber noch halbwegs zu begeistern vermochte, liegt Päule leider sträflich daneben. Die aus irgendwelchen südamerikanischen Punks zusammengewürfelte Band spielt absolut grausam, ohne jedes Feeling für die MAIDEN-Songs und macht viel von der Magie der alten Klassiker kaputt. Aber auch DI’ANNO selber kommt als abgehalfterter Altpunk rüber, der in den Ansagen bestenfalls Kneipenschlägercharme versprüht, und das Publikum gefühlte siebzigtausendmal fragt, ob es denn auch besoffen ist. Bei den hohen Tönen liegt Paul mehr als einmal ziemlich daneben, und zu allem Übel „würzt“ er die Songs nach Belieben noch mit heiserem Hundegebrüll Marke SEPULTURA. Zwischendurch darf das Team vom Rock Hard noch mit auf der Bühne rumkaspern, was den Professionalitätsfaktor auch nicht eben steigert. Mir ist es jedenfalls recht, dass bald mit „Blitzkrieg Bop“ von den RAMONES das Ende dieses eher missglückten Auftritts eingeläutet wird. Fairerweise muss man erwähnen, dass PAUL DI’ANNO doch einen Teil des Publikums auf seine Seite zu ziehen vermag. Aber ganz nüchtern betrachtet: eine recht armselige Veranstaltung, leider…
Spock’s Beard
SPOCK’S BEARD sind sowas wie Arnold Schwarzenegger als Hauptdarsteller in einem Fellini-Film: die größte anzunehmende Fehlbesetzung. Mit ihrem entspanntem Progrock finden sie heute nicht viele Freunde unter den bangbereiten Massen, zu allem Übel steigen sie nach einem viel zu langem Soundcheck (schließlich brauchen die Herren ja zwei Drumsets!) mit „On A Perfect Day“ auch noch extrem lullig und verhalten in ihr Set ein. Auch wird das Konzert von einer unangenehmen Pimmelprahler-Attitüde überschattet („Guckt mal, wie toll wir spielen können!“), so dass nicht wenige im Verlauf des Gigs den Platz verlassen. Erst ganz zum Schluss, als sich Fronter Nick D’Virgilio hinter sein Drumkit verzieht und dafür Tourdrummer Jimmy Keegan am Mikro bei LED ZEPPELINS „Whole Lotta Love“ alles aus seinen Lungen holt, kommt sowas wie Stimmung auf. Hier waren die Amis dennoch völlig fehl am Platze, daran gibt es leider nichts zu rütteln.
Axel Rudi Pell
Bei AXEL RUDI PELL herrschen schließlich gemischte Gefühle. Einerseits hat der Stratocaster-Fan allen Unkenrufen zum Trotz ein paar feine Nummern im Gepäck und außerdem eine spitzenmäßige Band im Rücken, andererseits kommen die eigentlichen Songs im Bombastgewusel und den ellenlangen Gniedelsoli viel zu kurz. Das beste am Gig ist definitiv Sänger Johnny Gioeli, der nicht nur durch seine kraftvolle Stimme, sondern auch durch seine aktive und sympathische Bühnenpräsenz besticht. Anfangs legen Soundprobleme dem Quintett noch Steine in den Weg, vor allem die Bassanlage macht herbe Probleme, was für vermehrte Roadie-Action auf der Bühne sorgt. Aber auch Axels Gitarre ist erst kaum zu hören, und klingt im Verlauf des Konzerts sehr kratzig und unschön. Ansonsten funktioniert die Band aber prächtig, und dank Johnnys Animationsversuchen zeigt der Stimmungspegel des Festival endlich wieder nach oben. Nur die endlos ausgespielten Soloteile trüben die gute Laune wie gesagt etwas, da nicht nur Axel minutenlang auf seiner Klampfe rumschreddert, sondern auch Drumtier Mike Terrana seinen Tribut einfordert und ein zwar cooles, aber deplaziertes Solo zum Besten gibt. Insgesamt aber doch ein gelungener Auftritt, der hin und wieder etwas kompakter hätte sein dürfen.
Thin Lizzy
THIN LIZZY verbauen sich bereits im Vorfeld ihres Auftritts massenhaft Sympathien. Als der Soundcheck bereits erledigt scheint, kommt Götz kurz auf die Bühne und honoriert die Leistung der Security, was im übrigen völlig angemessen ist, denn gerade am Bühnenrand leisten die Jungs Unmenschliches und bleiben dabei immer cool, professionell und lustig. Dann verabschiedet er sich mit der Anmerkung, die Band würde wahrscheinlich noch fünf Minuten brauchen. Was nun folgt, ist Laienschauspiel der untersten Güteklasse, bei der ein unbeholfen spielender Gitarrentech schwere technische Probleme mit einem der grob geschätzt fünftausend Amps simuliert. Minutenlanges Herumgehampel an irgendwelchen Kabeln, wer soll das in Zeiten, wo jeder zweite Anwesende schon einmal eine Gitarre in der Hand gehabt hat, denn noch für bare Münze nehmen? Währenddessen rückt die Curfew unaufhaltsam näher, um ein Uhr muss Schluss sein, was THIN LIZZY weniger und weniger Nettospielzeit einräumt.
Als die Band dann endlich mit „Jailbreak“ in ihr Set einsteigt, sind die Gemüter wieder ein wenig besänftigt, aber die Aktion hinterlässt als Stimmungskiller einen ziemlich faden Beigeschmack. Für mehr als die Standards und etwa eine Stunde THIN LIZZY bleibt dann auch keine Zeit, außerdem habe ich das permanente Gefühl, dass Mister Sykes die Vocals ein bisschen bocklos interpretiert. Dafür ist die Band spielerisch bestens aufgelegt und fasziniert vor allem bei den zahlreichen Twin-Guitar-Soli. Auch Tommy Aldridge brilliert einmal mehr hinter den Drums, nur das Drumsolo ist angesichts der ohnehin kurzen Spielzeit völlig überflüssig. Mein persönliches Highlight im Set: eine fette Version von „Cold Sweat“, die mir in den Tagen nach dem Festival einen recht patenten Ohrwurm verpasst. Am Ende ist man hin- und hergerissen. Einerseits hat man gerade eine unbestreitbare musikalische Glanzleistung (vielleicht die beste des gesamten Festivals) erleben dürfen, andererseits war der Spaß aufgrund von völlig unangebrachten Verzögerungstaktiken viel zu kurz für einen echten Headliner.
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