Rock Hard Festival 2023
Würdige Jubiläumssause
Konzertbericht
Samstag, 27.05.2023
TESTAMENT, SODOM, BRIAN DOWNEY’S ALIVE AND DANGEROUS, VOIVOD, DEPRESSIVE AGE, NESTOR, KNIFE, MIDNIGHT RIDER
Galerie mit 14 Bildern: Midnight Rider - Rock Hard Festival 2023Wer die eiskalte Nacht im Zelt überlebt hat, freut sich am Samstagmorgen über jede Menge Sonne – und ein ebenso hochkarätiges Programm wie am Vortag. MIDNIGHT RIDER laden zu früher Mittagsstunde dazu ein, sich den Kater wegzurocken. Die Koblenzer versprühen eine durch und durch positive Attitüde, die schnell ansteckend wirkt. Gitarrist Blumi verbringt den heutigen Gig aufgrund einer Beinverletzung im Sitzen. An seinem energetischen Spiel ändert das aber nichts. Definitiv ein gelungener Auftakt für den zweiten Festivaltag.
Galerie mit 14 Bildern: Knife - Rock Hard Festival 2023Anschließend bringen die Senkrechtstarter KNIFE ihren angeschwärzten Speed Metal auf die Bretter. Die Aggression ihrer Songs ist unwiderstehlich. KNIFE reihen Hit an Hit und das Publikum dreht vom ersten Song an komplett durch. Mit klaren Statements gegen Homophobie und faschistische Kriegstreiber erntet die Band frenetischen Applaus. Bei den Hessen stimmt neben der Musik auch die Attitüde. Das ist dieser Tage mehr wert denn je. Beim Rock Hard Festival honorieren die Fans das zu jeder Sekunde.
Galerie mit 15 Bildern: Depressive Age - Rock Hard Festival 2023Die Running Order wurde heute kurzfristig noch einmal frisiert, weil die eigentlich geplanten NESTOR noch am Heimatflughafen festhängen und DISCHARGE später durch VOIVOD ausgetauscht werden mussten. Dadurch rücken die Berliner Dark-Thrasher von DEPRESSIVE AGE einen Slot nach vorne, was sich allerdings nicht wirklich auf die Neugier im Publikum auswirkt. Immerhin feiert die Band ein Comeback nach über einem viertel Jahrhundert.
DEPRESSIVE AGE wirken nervös
Sehr viele Festvialbesucher:innen haben den, in den 90ern hochgehandelten Geheimtipp also noch nicht gesehen. Entsprechend frenetisch werden DEPRESSIVE AGE dann auch aufgenommen, wenngleich das Wetter fast zu sommerlich für die eiskalte, traurige Musik ist. Jan Lubitzki intoniert im heruntergekühlten Bariton indes gekonnt, was den Songs einen extrem authentischen Anstrich verleiht. Es wird spannend sein, diese Band weiter zu beobachten, denn eine gewisse Nervosität scheint sich unter den Musikern omnipräsent zu halten und ein souveränes Abspulen der Show sieht anders aus. Aber vielleicht ist genau das der Reiz an DEPRESSIVE AGE.
Galerie mit 11 Bildern: Voivod - Rock Hard Festival 2023Wer hätte voraussehen können, dass die Kanadier von VOIVOD ihre wilde Mischung aus Space-Thrash und Progressive-Punk heute noch präsentieren würden? Letztlich gibt es zu diesen Pionieren eigentlich keine drei Meinungen: Entweder man vergöttert sie oder man findet keinen Zugang zu der kauzigen Geschichte des Voivod. In jedem Fall ist die Performance der Kanadier heute eine Lehrstunde in Sachen Spielfreude und ungewürzter Live-Attitüde.
Galerie mit 12 Bildern: Brian Downey's Alive and Dangerous - Rock Hard Festival 2023Den heutigen musikalischen Ausreißer bietet THIN LIZZY-Mitglied Brian Downey mit seinem Projekt BRIAN DOWNEY´S ALIVE AND DANGEROUS. Diese Auflockerung ist allerdings mehr als ein hysterischer Downer und letztlich hat wohl jeder schon einmal während eines Pint- und Whiskey-geschwängerten Pub-Besuchs Songs von THIN LIZZY geschmettert, ohne sich dessen bewusst zu sein.
„Are You Ready“, „Jailbreak“, „The Boys Are Back In Town“ und „Cowboy Song“, an dem sich seinerzeit auch ANTHRAX mit Bravour versucht haben – heute bleiben keine Wünsche offen. Abgeschlossen wird das Set natürlich mit „Whiskey In The Jar“. Nein, der Song stammt nicht aus der Feder James Hetfields. Allerdings handelt es sich auch nicht um ein Original mit der Handschrift Phil Lynotts, sondern ist einfach ein nicht tot zu kriegendes, Irish Traditional.
Galerie mit 15 Bildern: Nestor - Rock Hard Festival 2023Als NESTOR gegen frühen Abend endlich die Bühne entern, zeigt sich, dass der spätere Slot ihrem Status beim Publikum mehr gerecht wird als der ursprünglich angedachte. Das Amphitheater ist rappelvoll. Die hohe Qualität der AOR-Hymnen des Quintetts ist offenbar kein Geheimnis mehr. So ertönen die Lyrics von Songs wie „On The Run“ oder „Tomorrow“ heute aus tausenden Kehlen.
Das Rock Hard erreicht den Siedepunkt
Den Siedepunkt erreichen NESTOR mit ihrer Zugabe. Der WHITNEY HOUSTON-Klassiker „I Wanna Dance With Somebody“ bringt die Metalheads zum Kochen wir kaum ein anderer Song an diesem Wochenende. Ein guter Song ist eben ein guter Song. Auch über alle Genregrenzen hinweg.
Galerie mit 18 Bildern: Sodom - Rock Hard Festival 2023Für ordentlich Kontrastprogramm sorgen danach SODOM. Die Lokalmatadore springen für die ausgefallenen EXODUS ein. Das führte im Vorfeld zu zahlreichen Diskussionen, ob es sich um einen würdigen Ersatz handle. Auf dem Festival selbst ist von dieser Skepsis nichts zu spüren. Stattdessen feiern die Fans das sehr old-school-lastige Set der Band gnadenlos ab.
Seinen Frust über den Abstieg von Schalke 04 in die zweite Fußballbundesliga wandelt Tom Angelripper gemeinsam mit seiner Mannschaft in brachiales Thrash-Gebolze um. Mit dem TANK-Cover „Don’t Walk Away“ gedenkt die Band derweil dem kürzlich verstorbenen Algy Ward. Angelripper betont an dieser Stelle, was für einen wichtigen Einfluss die Band bis heute für ihn darstellt.
Galerie mit 17 Bildern: Testament - Rock Hard Festival 2023Auf die volle Ladung Ruhrpott-Thrash folgt eine volle Ladung Bay-Area-Thrash. TESTAMENT müssen heuer auf ihren Lead-Gitarristen Alex Skolnick verzichten, der wegen eines familiären Notfalls nicht an der aktuellen Tour teilnehmen kann. Nachdem die Band am Vortag in Wiesbaden mit nur einer Gitarre auftrat, ist für den Rest der Tour VIO-LENCE-Gitarrist Phil Demmel als Ersatz kurzfristig aus den USA eingeflogen.
TESTAMENT reihen Hit an Hit
Chuck Billy betont, dass sie keine gemeinsame Probe im Vorfeld hatten. Das macht es noch beeindruckender, wie tight die Band heute agiert. Einziger Wehmutstropfen in der ersten Hälfte des Gigs ist der Sound. Erst ist das Schlagzeug viel zu laut, dann übertönen die Gitarren alles. Die lautstarken Beschwerden der Fans wachsen nach jedem Song. Glücklicherweise renkt sich das im Laufe des Sets ein, sodass einer mitreißenden Thrash-Sause nichts mehr im Wege steht. Genügend Hits dafür haben TESTAMENT zweifellos im Set.
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Ähem!
Betrifft Testament und diese Unverschämtheit an Sound.
„Glücklicherweise renkt sich das im Laufe des Sets ein …“
Aha! Wann genau war das?
Teil 1 des Sets fand in Zimmerlautstärke statt, sodass man ab Reihe 10 die Ohren spitzen musste.
Das hat dann auch der nach 3 Songs massiv bedrängte Soundmensch anscheinend begriffen und drehte einen Regler hoch.
Wohlgemerkt nur einen!
Ab dann bekam man ein immens übertsteuertes Soundirgendwas zu hören. Ohne Mitten und Tiefen schmerzte das nach 1-2 Songs elend in den Ohren.
Testament sind wahrlich nicht für guten Sound bekannt, aber bei allen anderen Bands ging es ja gut bis sehr gut.
Wenn im ersten Teil das halbe Amphi ein immer lauter werdendes „Lauter!“ skandiert, um dann im zweiten Teil wegen des Gescheppers nach und nach abzuwandern, sollte man sich mal hinterfragen.
Jedenfalls war das Gemotze noch bis Sonntag überall zu vernehmen. Selbst Sodom mit ihrem Gerumpel hatten dagegen einen Hochglanzsound.