Rock am Härtsfeldsee
Der große Bericht - Rock am Härtsfeldsee 2013
Konzertbericht
Samstag, 22.06.2013
Ausverkauft ist das „Rock am Härtsfeldsee“ in diesem Jahr nicht, dennoch zeigen sich die Veranstalter zufrieden mit dem Publikumsinteresse. Am heutigen Samstag ist es auch merklich voller als gestern, zumal mit SOULFLY und ICED EARTH zwei absolute Oberkracher auf dem Programm stehen und sich auch das Beiprogramm sehen lassen kann.
BLACK ABYSS (18:00 – 18:25)
Trotz aller Bemühungen verpasse ich auch den Beginn des BLACK-ABYSS-Sets, die hier heute ein kleines Heimspiel feiern dürfen. Folgerichtig hat man auch einen kleinen, aber feinen Fanclub mitgebracht, der den abschließenden Bandklassiker „Eye Of The Storm“ aus voller Kehle mitsingt. Zuvor gibt es aber jede Menge Material vom jüngsten Album „Possessed“, mit dem die Band nun endlich wieder durchstarten möchte. Verdient hätte es das Quintett in jedem Fall, was auch das zugegebenermaßen noch überschaubare Publikum vor der Bühne bestätigen kann. Der traditionelle Power-Metal mit einem modernen Twist wird von den engagierten Musikern toll in Szene gesetzt und kommt dementsprechend gut an.
Galerie mit 12 Bildern: Black Abyss - Rock am Härtsfeldsee 2013Frontmann Olli Hornung, der sich mit seiner Blümchen-Bandana auch in einer Sleaze-Band gut machen würde, überzeugt mit seiner kraftvollen Stimme und animiert das Publikum zum Klatschen und Mitsingen, dazwischen gibt es Ansagen im sympathischen Ostalb-Schwäbisch. Visuelles Highlight ist aber der zottelige Bassist Felix Schurr, der stolz seine behaarte Hühnerbrust präsentiert. Doch sind wir mal ehrlich: Mit ihrer Musik können BLACK ABYSS mehr punkten als mit ihrem Aussehen. So hagelt es gleichermaßen eingängige wie kitschfreie Melodien, die man ohne schlechtes Gewissen sofort mitsingen kann. Und auch wenn das im Grunde nicht sonderlich originell ist, macht die frische und energetische Interpretation der Truppe dennoch eine Menge Spaß.
EVERYTIME I DIE (18:40 – 19:15)
Im Grunde sind EVERYTIME I DIE für mich die verzichtbarste Band der diesjährigen „Rock am Härtsfeldsee“-Ausgabe, dabei gibt es rein qualitativ nichts an der Musik der Amerikaner auszusetzen. Die Band verbindet typischen Hardcore mit Alternative- und Sludge-Einflüssen und schafft sich damit eine durchaus originelle Klangnische, zu der ich persönlich allerdings irgendwie keinen rechten Zugang finde. So bleibt mir im Grunde nicht viel mehr, als mich über den Holzfäller-Look von Frontmann Keith Buckley („He’s a lumberjack and he’s okay…“) zu wundern und mir das Geschehen bei einem kühlen Bierchen aus der Ferne anzugucken.
Galerie mit 11 Bildern: Everytime I Die - Rock am Härtsfeldsee 2013Sicherlich, in der richtigen Stimmung könnte ich mich an den interessant-schrägen MESHUGGAH-Rhythmen erfreuen, die immer wieder durchblitzen, allerdings könnte die Soundabmischung besser sein, so tönt das technisch starke Songmaterial etwas arg rumpelig. Die echten Fans stört das indes wenig und so nutzen sie den zu dieser frühen Stunde noch recht üppigen Platz vor der Bühne für einen Circle-Pit rund um die Front-Of-House-Insel herum.
GRAVE DIGGER (19:40 – 20:30)
Als deutsche Metal-Institution sind GRAVE DIGGER natürlich eine sichere Bank. Eigentlich weiß man schon vorher ganz genau, was man von der Band, deren Debütalbum im nächsten Jahr sein dreißigjähriges Jubiläum feiern darf, erwarten kann. Enttäuscht wird man dennoch nie, denn wenn der schlaksige Front-Totengräber Chris Boltendahl über die Bretter fegt und unverzichtbares wie „The Round Table“ oder „Excalibur“ anstimmt, reißt einen das zuverlässig mit und man erwischt sich doch wieder beim Mitsingen der Ohrwurm-Refrains.
Galerie mit 12 Bildern: Grave Digger - Rock am Härtsfeldsee 2013Die Totenkopf-Maske von Keyboarder Hans-Peter Katzenburg lockt heute natürlich keinen mehr hinter dem Ofen vor, dagegen hat sich Gitarrist Axel Ritt längst zum Aktivposten entwickelt, feuert Riffs und Soli locker aus dem Handgelenk und wirft sich dabei auch noch ordnungsgemäß in Pose. Und wer dann noch einen Song wie „Rebellion“ im Repertoire vorweise kann, der hat sowieso immer und überall gewonnen. Die Show bietet somit keinerlei Überraschungen und findet in „Heavy Metal Breakdown“ ihren würdigen Abschluss.
LACUNA COIL (20:50 – 21:45)
Die Italiener haben zu Beginn ihres Sets mit einem ziemlich miesen Sound zu kämpfen, es dröhnt und scheppert ganz fürchterlich und scheint ohne Gehörschutz kaum zu ertragen. Doch glücklicherweise bekommt der Mischer das Problem bald in den Griff, so dass man Klassiker wie „Swamped“ oder „Heaven’s A Lie“ richtig genießen kann. Nachdem ich LACUNA COIL in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren hatte, muss ich nun feststellen, dass auch das neuere Songmaterial sich nicht zu verstecken braucht. Die Band agierte schon immer eine ganze Ecke moderner als andere Female-Fronted-Combos und stellt ihre Einflüsse aus der Electro-Pop-Ecke offensiv zur Schau.
Galerie mit 12 Bildern: Lacuna Coil - Rock am Härtsfeldsee 2013Die Stimmung im Publikum ist eher entspannt, was der guten Laune der Musiker aber keinen Abbruch zu tun scheint. Der Wechselgesang von Cristina Scabbias melodischer Stimme und Andrea Ferros Shouts und Growls wird durch reichlich theatralische Gesten unterstrichen, ansonsten ordnet sich das Stageacting aber klar der Performance an den Instrumenten unter. Und obwohl die Band hinreichend gute eigene Songs im Programm hat, entwickelt sich ausgerechnet eine Cover-Version zum Höhepunkt des Sets. Nachdem Andrea Ferro noch einmal betont hat, dass man sich mit allen Anwesenden als eine große Familie fühlt, gibt es – natürlich! – DEPECHE MODEs Electro-Pop-Superhit „Enjoy The Silence“, bei dem sich das Publikum erfreulich textsicher zeigt.
SOULFLY (22:05 – 23:15)
Ich gebe freimütig zu: SOULFLY haben mich noch nie so recht vom Hocker gerissen und Max Cavalera würde ich wesentlich lieber im Rahmen einer SEPULTURA-Reunion live spielen sehen. Aus deren Schatten wird der Brasilianer mit seiner eigenen Band wohl auch nie ganz heraustreten können, da kann er noch so engagiert über die Bretter fegen. Spaß macht die Show trotzdem und das Publikum befindet sich permanent in Bewegung. Die tight gespielten Tribal-Rhythmen stammen heute von Max‘ Sohn Zyon, der auf seinem Drum-Raiser die Menge überblickt und den der deutliche Altersunterschied zu seinem Vater, Gitarrist Marc Rizzo und Bassist Tony Campos noch milchbubihafter ausschauen lässt, als er ohnehin schon ist.
Galerie mit 13 Bildern: Soulfly - Rock am Härtsfeldsee 2013Im Grunde funktioniert das Songmaterial mit seinen spannenden Weltmusik-Einflüssen hervorragend, neben Max Cavaleras Gitarren-Designs (Camouflage-Look und die brasilianische Landesfahne wechseln sich als Motiv ab) fällt aber auch die ein oder andere Merkwürdigkeit auf, die bei aller technischer Brillanz das Bild einer live-erfahrenen Profi-Band stört. Am befremdlichsten ist wohl, dass die Musiker mitten im Set die Bühne verlassen, während vom Band ein minutenlanges Zwischenspiel ertönt, das sich musikalisch überhaupt nicht vom restlichen Set unterscheidet. Folgerichtig fragt man sich, warum man das nicht auch an den Instrumenten direkt selber hätte spielen können. Aber sei’s drum, vermutlich brauchen die Musiker einfach eine kurze Pause und da sie im Anschluss wieder mit extrafetten Grooves und jeder Menge Power amtlich losrocken, verzeiht ihnen das Publikum solche Extravaganzen rasch.
ICED EARTH (23:40 – 01:15)
Der Abschluss des diesjährigen „Rock am Härtsfeldsee“ gebührt ICED EARTH, die hier bereits vor zwei Jahren eine starke Show ablieferten, damals noch mit Sänger Matt Barlow. Und obwohl der sympathische Rothaarige von vielen Fans schmerzlich vermisst wird, muss man doch festhalten, dass die Band mit Stu Block inzwischen nicht nur einen ebenbürtigen Nachfolger verpflichten konnte, sondern auch wieder wesentlich aktiver geworden ist. Das nächste Album ist bereits in der Mache und live sind die Amerikaner zu regelmäßigen Gästen diesseits des großen Teichs geworden, die auf der Bühne so tight agieren, dass es burnt.
Das Besetzungskarussell dreht sich indes munter weiter, erst anderthalb Monate zuvor wurde Schlagzeuger Brent Smedley durch Raphael Saini ersetzt, der in seine Rolle in der Band erst noch hineinwachsen muss, rein spieltechnisch aber bereits einen guten Eindruck hinterlässt. Bassist Luke Appleton ist hingegen längst zum Sympathieträger avanciert, seit Bandkopf Jon Schaffer ihn von den Ende 2011 noch als Vorband von ICED EARTH agierenden FURY UK abgeworben hat. Lead-Gitarrist Troy Seele ist immerhin schon seit 2007 an Bord und komplettiert das Quintett, indem er mit seinen angenehm unprätentiösen Solo-Einlagen Jon Schaffers dominantes Rhythmusgitarrenspiel kontrastiert
Galerie mit 19 Bildern: Iced Earth - Rock am Härtsfeldsee 2013Mit dem Titeltrack ihres jüngsten Albums „Dystopia“ legen ICED EARTH ein ordentliches Brett vor und zeigen, dass sie nach wie vor überzeugt vom (nicht mehr ganz so) neuen Songmaterial sind. Insbesondere „V“ und der Mitsing-Kracher „Anthem“ reihen sich nahtlos in die großen Klassiker der Band ein und bringen nicht weniger euphorisches Feedback als Songs der Marke „Burning Times“ oder „A Question Of Heaven“. Hier kommen nun all diejenigen auf ihre Kosten, die sich bei SOULFLY noch eher zurückgehalten haben, deren Anhänger es inzwischen reihenweise zurück zum Campingplatz zieht. Im Vergleich zu SALTATIO MORTIS am Vorabend bleibt das Festzelt aber gut gefüllt und in den vorderen Reihen ist die Stimmung überragend. Wer hier steht leistet ebenso Schwerstarbeit wie die Security-Mannschaft, die im Bühnengraben einen nicht enden wollenden Strom an Crowdsurfern in Empfang nimmt.
Obwohl Jon Schaffer noch einmal verkündet, dass die Band den Sommer mit den Aufnahmen für ihr neues Album „Plagues Of Babylon“ in Deutschland verbringen wird, gibt es noch kein neues Songmaterial zu hören. Macht aber nix, das Repertoire an Klassikern ist ja noch lange nicht erschöpft. Auch die Halbballade „I Died For You“ bietet keine richtige Verschnaufpause, so dass man beinahe froh ist, als mit dem Zugabenblock ein Ende des grandiosen Auftritts absehbar ist. Doch zunächst schmettern viele hundert Kehlen voller Inbrunst das auch nach fünfzehn Jahren noch immer bewegende „Watching Over Me“ mit. Nach dem obligatorischen Rausschmeißer „Iced (Motherfuckin‘) Earth“ wanken die Fans schließlich müde, aber überglücklich ins Freie.
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