Rock am Härtsfeldsee
Der große Bericht - Rock am Härtsfeldsee 2013

Konzertbericht

Billing: Black Abyss, Caliban, Dragonforce, Eluveitie, Emil Bulls, Grave Digger, Iced Earth, Lacuna Coil, Ohrenfeindt, Saltatio Mortis und Soulfly
Konzert vom 2013-06-21 | Härtsfeldsee, Dischingen

Freitag, 21.06.2013

 

OHRENFEINDT (18:00 – 18:25)

Als Opener hat man in diesem Jahr die „Vollgasrocker“ OHRENFEINDT aus St. Pauli eingeladen, die bei meiner Ankunft bereits aus allen Rohren feuern. Das Trio um Frontsympath Chris Laut (nomen est omen…) gibt sich betont bodenständig und scheint dabei auch kein Problem damit zu haben, von Zeit zu Zeit stark ins Asselige abzudriften. Dazu tragen auch ihre teils extrem peinlichen deutschen Texte bei, die zwischen „Motormädchen“ und „Rock’n’Roll Mädchen“ bestenfalls homöopathische Dosen an Subtilität enthalten und dabei auch sonst kein Rocker-Klischee auslassen. Immerhin wirkt das im Bandkontext extrem authentisch und definiert von vorne herein klar die Zielgruppe.

Galerie mit 11 Bildern: Ohrenfeindt - Rock am Härtsfeldsee 2013

Musikalisch setzt die Band die klassische AC/DC-Formel hingegen gekonnt um: Einfache Riffs, wenige Akkorde, Ohrwurm-Melodien zum Mitsingen und dazwischen immer wieder ausdrucksstarke Gitarrensoli. Wenn man also die lyrischen Fremdschäm-Perlen („Sei mein Rock’n’Roll Mädchen, sei meine Rock’n’Roll Braut, ich mag das wild, und Du magst das laut“) erfolgreich ausgeblendet hat, macht der Gig eine Menge Spaß. Nach einer knappen halben Stunde Spielzeit haben es die Musiker dann sichtlich eilig, das Gelände zu verlassen – verständlich, denn immerhin dürfen sie bereits fünf Stunden später beim „Rock am Tännchen“ im rund 300 Kilometer entfernten Weiterstadt als Headliner auf die Bühne. Hut ab für diese Ochsentour!

 

EMIL BULLS (18:40 – 19:20)

Ein Blick ins Archiv offenbart, dass ich mich bereits beim Bericht zur 2010er-Ausgabe des „Rock am Härtsfeldsee“ verwundert über die starke Metalcore-Schlagseite gezeigt habe, die die EMIL BULLS inzwischen an den Tag legen. Da ich das zwischenzeitlich jedoch offenischtlich verdrängt hatte, erwischen mich die Münchener, die stilecht zu Klängen von MANOWAR die Bühne betreten, erneut auf dem falschen Fuß. Verdammt, sind die modern und hart geworden! Dabei scheinen mir gerade die älteren, Alternative-Rock-lastigeren Stücke besonders gut zu funktionieren und die Jungs immer dann zu Höchstform aufzulaufen, wenn sie in jene stilistische Kerbe schlagen, die man um die Jahrtausendwende noch mit dem wahnsinnig nichtssagenden Label „Crossover“ versehen hatte.

Galerie mit 10 Bildern: Emil Bulls - Rock am Härtsfeldsee 2013

Vielleicht liegt es auch an dem Anfangs etwas matschig wirkenden Sound und einem Hauch von Unsicherheit, den es zunächst zu überwinden gilt. Nach zwei Liedern haben sich Band und Tonmann dann aber hörbar warm gespielt und die Show wird richtig geil. Das Publikum geht dementsprechend gut mit und die Hartgesottensten reihen sich sogar mitten auf der geschotterten Fläche zum Wettrudern ein. Zum Ende hin feuern die Jungs dann noch eine Ladung neongrüner und weißer Papierschnipsel in die Menge, bevor sie sich unter begeistertem Jubel verabschieden. Dass sie in diesem Jahr eigentlich nur als Ersatz für die verhinderten ARCH ENEMY aufs Billing gerutscht sind, interessiert hier völlig zu Recht niemanden mehr.

 

DRAGONFORCE (19:40 – 20:30)

Die Highspeed-Frickler DRAGONFORCE lassen heute lange auf sich warten. Eine gute Viertelstunde länger als geplant dauert die Umbaupause und bringt damit auch die Startzeiten der folgenden Bands durcheinander. Als sie dann aber endlich loslegen, ist im Publikum 50 Minuten Dauerbangen angesagt. Die melodischen Power-Metal-Klänge werden inzwischen von Frontmann Marc Hudson gesanglich veredelt, während das allgemeine Augenmerk jedoch eher auf die irren Skalen und Solo-Einlagen von Gitarrist Herman Li gerichtet sein sollte. Dabei wollen ihm die anderen Bandmitglieder keineswegs das Feld überlassen, so dass sich aus dem wilden Gepose im Rampenlicht alsbald eine Art freundschaftlicher Wettbewerb um die Publikumsgunst entwickelt.

Galerie mit 15 Bildern: Dragonforce - Rock am Härtsfeldsee 2013

Es ist gar nicht so leicht, bei dem chaotisch anmutenden, aber bei genauerer Betrachtung perfekt durchchoreographierten Stageacting die Übersicht zu behalten – eine wunderbare Analogie zu den Songs, die immens von den vor einigen Jahren noch undenkbaren Mid-Tempo-Parts profitieren. DRAGONFORCE haben inzwischen festgestellt, dass einige langsamere Passagen für Abwechslung sorgen und den dominanten Highspeed-Riffs noch mehr Durchschlagskraft verleihen können. So kann man sich die britische Multikulti-Truppe inzwischen aus länger als eine halbe Stunde gut angucken und sich an einem erfreulich gut abgemischten Power-Metal-Feuerwerk erfreuen, bei dem nur das Postkutschenräuber-Gedächtnis-Staubtuch von Keyboarder Vadim Pruzhanov für taktfremdes Kopfschütteln sorgt.

 

CALIBAN (20:50 – 21:45)

Der große Metalcore-Hype ist inzwischen weitestgehend abgeklungen, die großen Bands der Szene dürfen aber natürlich weiterhin Erfolge feiern. Zu diesen gehören natürlich auch CALIBAN, die aufgrund der ARCH-ENEMY-Absage nahtlos an die überragende Show anknüpfen können, die sie an selber Stelle vor einem Jahr gespielt haben. Im Grunde könnte man an dieser Stelle den Bericht vom letzten Jahr zitieren, wenn man einmal davon absieht, dass sich die im positivsten Sinne aufgeladene Stimmung im Zelt heute nicht in einem wüsten Unwetter draußen entlädt.

Galerie mit 15 Bildern: Caliban - Rock am Härtsfeldsee 2013

Frontmann Andreas Dörner hat die Menge fest im Griff, von Circle-Pit bis Wall Of Death kann er heute das volle Programm an heftigen Publikumsreaktionen dirigieren. Mich beeindruckt hingegen die extrem tight agierende Gitarren-Front, die mit ihrer ungebändigten Spielfreude auch diejenigen zum Ausflippen bringt, die keine überzeugten Die-Hard-Metalcore-Fans sind. Und doch scheinen einige noch ihre Kräfte für das aufzusparen, was im Anschluss folgt…

 

ELUVEITIE (22:05 – 23:15)

Endlich haben es nun auch ELUVEITIE an den Härtsfeldsee geschafft. Nachdem die bereits für 2008 und 2011 geplante Teilnahme jeweils recht kurzfristig abgesagt werden musste, rocken die Schweizer heute endlich den Härtsfeldsee. Und dabei scheinen sie genauso viel Spaß zu haben wie die Fans, deren Reaktionen selbst die starke CALIBAN-Show vergessen machen wollen. Frontmann Chrigel dirigiert von der Bühne aus einen gewaltigen Circle-Pit, dessen Anführer er prompt nach der Show an die Bar einlädt. Und wo es nicht der Pit verhindert, dominieren reihenweise Crowd-Surfer das Geschehen.

Galerie mit 9 Bildern: Eluveitie - Rock am Härtsfeldsee 2013

Die winzigen rhythmischen Holprigkeiten in den ersten Stücken, die der ansonsten souverän agierende Schlagwerker Merlin Sutter auf seine Kappe nehmen muss, sind rasch verflogen, sobald sich die Eidgenossen erst einmal warm gespielt haben, fliegt die Kuh. Härte und Melodie bilden eine wunderbare Symbiose, traditionelle Folk-Elemente und moderne Rockmusik sind untrennbar miteinander verwoben. Angesichts von acht Musikern und der Fülle ihrer elektrischen wie akustischen Instrumenten leistet der Soundmann gute Arbeit, lediglich einzelne Gesangs- und Flöten-Parts gehen im Gesamtbild etwas unter. Macht aber nix, der Set, der zu gleichen Teilen aus Songs vom noch immer aktuellen Album „Helvetios“ und älterem Material besteht, lässt keine Wünsche offen. Und auch die beiden Höhepunkte sind paritätisch verteilt – neben dem Klassiker „Inis Mona“ wird der grandiose „Helvetios“-Abräumer „Alesia“ völlig zurecht am heftigsten bejubelt.

 

SALTATIO MORTIS (23:40 – 01:15)

Eigentlich ist der Abend nun gelaufen, die Stimmung bei ELUVEITIE ist nicht zu toppen. Doch SALTATIO MORTIS geben sich keineswegs geschlagen und werden dafür belohnt. Etwas weniger wild und ausgelassen, aber nicht minder begeistert jubelt der harte Kern ihrer Fans den Karlsruhern bis halb zwei Uhr morgens zu und feiert eine Mittelalter-Rock-Party, wie sie der Härtsfeldsee in den letzten beiden Jahren schmerzlich vermisst hat. So animieren die Mannen um Sänger, Kraftpaket und Hobby-Flummi Alea (die sich sympathischerweise an diesem Abend auch bei jeder der anderen Bands zumindest für einige Songs unter das Publikum gemischt haben) die Anwesenden unermüdlich, auch noch die letzten Kraftreserven zu mobilisieren.

Galerie mit 12 Bildern: Saltatio Mortis - Rock am Härtsfeldsee 2013

Da die Band mit ihrem neuen Album „Das schwarze Einmaleins“ bereits in den Startlöchern steht, gibt es heute natürlich auch die neue Single „Wachstum über alles“ zu hören. Trommler Lasterbalk betont zuvor, wie wichtig der Band die Message dieser Kapitalismus-kritischen Anti-Hymne ist und sieht sich angesichts der Tatsache, dass SALTATIO MORTIS Text und Melodie absichtsvoll an die deutsche Nationalhymne angelehnt haben, zu einem klaren Statement genötigt: „An alle Nazis: Euch Arschlöcher meinen wir nicht!“ Das Lied selbst erntet rundum begeisterte Reaktionen und zeigt, dass Mittelalter-Rock keineswegs verklärte Nostalgiker sein müssen, sondern durchaus im Hier und Jetzt leben können. In eben diese Kerbe schlägt das zweite neue Stück „Früher war alles besser“, das bei den Fans kaum schlechter ankommt und als Opener des neuen Albums sicherlich hervorragend funktionieren wird.

Obwohl also immer mehr Festivalgänger müde und/oder bierselig in Richtung ihrer Zelte schwankt, entwickelt sich die SALTATIO-MORTIS-Show zu einem echten Triumphzug – bis es kurz vor Schluss dann eine echte Schrecksekunde zu verkraften gibt: Ausgerechnet im letzten Song knickt Dudelsack-Spieler Luzi unglücklich weg und renkt sich dabei das Knie aus. Die Sanitäter sind rasch zur Stelle, doch der Unglückliche schreit direkt nach einem Bier – den Zugabenblock spielt Luzi als Vollblut-Profi tapfer im Sitzen zu Ende. Kein Wunder, dass das Publikum besonders laut klatscht, als Frontmann Alea seinen Bläser bei den Abkündigungen als „Luzi, das Springende Knie“ vorstellt. Den eigentlichen Schlusspunkt setzt Alea aber wieder einmal selbst, indem er sich in die Menge stürzt und das abschließende „Falsche Freunde“ crowdsurfend zum Besten gibt. Dabei rückt das Publikum, den Sänger auf Händen tragend, natürlich etwas dichter zusammen und man muss mit leichtem Bedauern feststellen, wie wenige Zuschauer bis zu dieser späten Stunde ausgeharrt haben. Diesen steht jedoch allesamt ein seliges Grinsen im Gesicht und nicht wenige harren noch eine Weile im Festzelt aus, um Autogramme abzustauben und ein Bierchen mit den Spielleuten zu trinken.

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09.07.2013

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