Rock am Härtsfeldsee
Der große Bericht - Rock am Härtsfeldsee 2010
Konzertbericht
In der kurzen Umbaupause genießen viele die letzten Sonnenstrahlen des Tages, so dass vor dem Zelt und an den Ständen emsige Betriebsamkeit herrscht. Dabei scheint es heute insgesamt einen Tick weniger voll zu sein als am Vortag. Vermutlich haben U.D.O., SUBWAY TO SALLY und J.B.O. bei aller unbestreitbarer Klasse eine etwas geringere Anziehungskraft als AMON AMARTH. Das heiße Wetter und ein gesunder Bierdurst dürften ihr übriges dazu beitragen, dass manche heute den kurzen Weg vom Campingplatz aufs Festivalgelände nicht finden. Das Zelt verwandelt sich dennoch wieder gut gefüllt in eine große Saunalandschaft, wo die Stimmung am späten Abend hervorragend ist. Ärgerlich ist heute allerdings der Sound. Bereits am Vortag war die Abmischung nicht perfekt, heute leiden allerdings einige Bands unter einem zu dumpfen und undifferenzierten Gesamtklang. Besonders die Stimmen der Sänger gehen häufig völlig unter, was sowohl bei SUBWAY TO SALLY als auch bei J.B.O. als besonders störend auffällt. Bei den großen ACCEPT-Hits, mit denen U.D.O. in gewohnter Weise am meisten abräumen, stört der fehlende Gesang hingegen kaum – hier singt die Menge sowieso eifrig mit und füllt so die vokale Lücke im Klangbild hervorragend aus.
U.D.O. (20:45 – 21:45)
Einerseits könnte Udo Dirkschneider sich darüber ärgern, dass er auch 15 Jahre nach seinem Ausstieg bei ACCEPT immernoch in erster Linie als deren ehemaliger Sänger betrachtet wird. Dabei füllt seine Nachfolge-Band U.D.O. längst die übergroßen Fußstapfen hervorragend aus und hat sich als feste Größe der deutschen Metal-Landschaft etabliert. Doch während ACCEPT in diesem Jahr mit neuem Sänger ein weiteres Comeback wagen (das dem Vernehmen nach auch ziemlich gut funktionieren soll), lässt sich Udo selbst nach wie vor nicht aus der Ruhe bringen, lächelt angesichts der ständigen Journalisten-Fragen nach seinen ehemaligen Kollegen und überzeugt lieber in regelmäßigen Abständen mit starken neuen U.D.O.-Alben.
Um das Spielen einiger ACCEPT-Klassiker kommt er aber live natürlich nicht herum. Und dass ihm diese immernoch genausoviel Spaß machen wie dem Publikum, spricht für das Energiebündel aus Wuppertal. So gerät auch der heutige Auftritt wieder zu einem vollen Erfolg, den Teile der jüngeren Festivalbesucher zwar nicht so recht zu würdigen wissen, der dafür von den älteren Semestern umso mehr gefeiert wird. Und seien wir mal ehrlich, wenn der Meister auf der Bühne „Metal Heart“ anstimmt, dann brauchen wir auch keine ACCEPT-Reunion mehr, um hier wunschlos glücklich zu werden.
SUBWAY TO SALLY (22:15 – 23:35)
Nachdem ich SUBWAY TO SALLY in den letzten Jahren nicht mehr live gesehen habe, freue ich mich umso mehr auf den Auftritt der Potsdamer. Und indem sie gleich zu Beginn ihres Sets Klassiker wie „Henkersbraut“, „Ohne Liebe“ oder „Kleid Aus Rosen“ in die Menge feuern, fängt die Show auch gut an. Es lässt sich allerdings nicht verleugnen, dass die Band etwas zu routiniert wirkt und es ihrem Auftreten an Frische und Leidenschaft fehlt. Der Blick in das gelangweilt bis unzufrieden wirkende Gesicht von Geigerin „Frau Schmitt“ spricht hier Bände.
Die letzten beiden Alben der Mittelalter-Rocker konnten mich nicht richtig überzeugen. Und so steuert die Show auch konsequent auf einen Tiefpunkt zu, als die Band in der Mitte ihres Sets vor allem neue Lieder unters Volk bringt. Zwar untermalen geschickt eingesetzte Feuer-Effekte das Geschehen, musikalisch wirken die neuen Stücke aber genauso belanglos wie auf den Alben. Echte Klassiker sind hier einfach nicht in Sicht. Und dann stimmt Gitarrist Ingo Hampf auch noch ein Gitarrensolo an, das jegliche Inspiration und Kreativität vermissen lässt und in die schon seit jeher grausame Gitarrenballade „Maria“ überleitet.
Dann endlich die Erlösung! Mit Material vom erstklassigen „Engelskrieger“-Album kriegen SUBWAY TO SALLY noch einmal die Kurve und knüpfen an den guten Anfang an. Dadurch bleibt am Ende immerhin noch ein ordentlicher Gesamteindruck, der allerdings das ungute Gefühl hinterlässt, dass die Band ihren Zenit überschritten hat und auf dem besten Weg ist, in der Belanglosigkeit zu versinken. Den Anschluss an die unangefochtenen Genre-Könige IN EXTREMO hat man dabei schon lange verpasst und auch mit Bands wie SCHANDMAUL und SALTATIO MORTIS kann man sich derzeit einfach nicht messen.
J.B.O. (00:00 – 01:20)
Nach dem eher durchwachsenen SUBWAY TO SALLY-Gig obliegt es den fränkischen Spaßvögeln J.B.O., den Abend zu retten. Und wer die Erlanger kennt, der weiß, dass ihnen das auch mühelos gelingen wird. Zwar gilt auch bei J.B.O., dass die meisten neueren Sachen nicht an die Bandklassiker herankommen, die Art der Darbietung ist aber so engagiert und lustvoll, dass man darüber hinwegsehen kann, dass die Disco-Verarsche „M.E.T.A.L.“ nicht als halbminütiger Gag innerhalb eines anderen Stückes Verwendung findet, sondern auf eine völlig übertriebene Länge von fünf wenig abwechslungsreichen und sich dadurch wie Kaugummi in die Länge ziehenden Minuten gestreckt wird.
Genialerweise haben J.B.O. heute auch einige Stücke mitgebracht, die sie mangels Einverständnis der Rechteinhaber nicht auf CD veröffentlichen dürfen. Unter anderem wird man heute Zeuge des genialen „Rammstein Reggae“ (basierend auf „Sunshine Reggae“ der dänischen Popgruppe Laid Back) und der J.B.O.-Variante der beliebten christlichen Kampfhymne „Danke Für Diesen Guten Morgen“. Hier macht sich leider der schlecht verständliche Gesang extrem unangenehm bemerkbar. Bei den älteren Stücken, deren Texte die Fans ohnehin bereits kennen, stört das wenig, dafür verlieren die unveröffentlichten, sowie viele der neueren Stücke enorm an Reiz, weil man den hintergründigen Humor rein akustisch nicht verstehen kann.
Dass sich das Quartett in jüngerer Zeit immer schwieriger tut, gute Originale für ihre ganz speziellen Coverversionen zu finden, merkt man den neueren Stücken ebenfalls an. „Vamos A La Playa“ ist nunmal ein übler musikalischer Dünnpfiff, der auch durch den genial zu „Geh‘ Mer Halt Zu Slayer“ umgedichteten Text nur bedingt an Klasse gewinnt. Wo aber die Musik stellenweise ihre Durchhänger hat, machen J.B.O. dies mit ihrer gutlaunigen Show mehr als wett. Da wird dem Publikum am Härtsfeldsee mal eben der Spitzname „Härtsilein“ verpasst oder der wettbewerb um die schlechtestgekleidete Band des Festivals zur Schicksalsfrage für J.B.O. und SUBWAY TO SALLY hochstilisiert und bei „Ein Bisschen Frieden“ und „Gänseblümchen“ das martialische Auftreten einer RAMMSTEIN-Liveshow aufs vortrefflichste karrikiert.
Insgesamt bilden J.B.O. einen absolut würdigen Abschluss des Festivals und beweisen wieder einmal, dass sie gar nicht in der Lage sind, einen schlechten Liveauftritt hinzulegen. Wer die Erlanger allzu ernst nimmt und sich an ihrem humorigen Auftreten stört, der ist ohnehin selbst schuld. Und angesichts so genialer Hits wie „Ein Guter Tag Zum Sterben“, „Verteidiger Des Wahren Blödsinns“ oder dem abschließenden „Ein Fest“ kann man auch gar nicht anders, als die Band frenetisch abzufeiern.
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