Rock am Härtsfeldsee
Der große Bericht - Rock am Härtsfeldsee 2009
Konzertbericht
Samstag, 20.06.2009
Auch am Samstag beginnt das Festival erst am Abend. So bleibt den Tag über genügend Zeit zum Ausschlafen, Baden im namensgebenden Härtsfeldsee, Spazierengehen, Einkaufen fahren, Erdbeeren pflücken oder was einem sonst so in den Sinn kommt. Auch wenn man nachts auf dem Festival-Campingplatz für gewöhnlich kaum ein Auge zu bekommt, kann man somit äußerst entspannt und gut erholt den zweiten Festivaltag begehen. Und das tun heute noch einmal deutlich mehr Leute als gestern, wodurch es auf dem Gelände zeitweise richtig eng und kuschelig wird. So langsam stößt „Rock am Härtsfeldsee“ an seine Kapazitätsgrenzen. Wenn sich das Festival so weiterentwickelt, dürften die Karten in Zukunft bereits weit im Vorfeld samt und sonders vergriffen sein. Ein neues Raumnutzungskonzept, das Platz für mehr Besucher bieten könnte, wird aber eher nicht zu erwarten sein, zumal man dabei mit Sicherheit das reizvolle familiäre Flair einbüßen würde.
HASSLIEBE (18:00 – 18:25)
Leider sind die Parkplätze am Festivaleingang bereits um 18 Uhr komplett belegt. So muss ich nach erfolgreicher Alternativparkplatz-Suche einen zehnminütigen Spaziergang um den Härtsfeldsee herum in Kauf nehmen und schaffe es auch heute, pünktlich zum letzten Lied der ersten Band das Zelt zu betreten. Bereits aus der Ferne hört man jedoch, dass HASSLIEBE das musikalische Spektrum der Veranstaltung mit ihrer stark punk-lastigen Rockmusik bereichern. Natürlich darf da ein leichter Assi-Einschlag nicht fehlen, den Sänger und Bassist Daniel Frisch mit seinem St.-Pauli-T-Shirt, Dreadlocks und einem leicht glasig wirkenden Blick auch optisch zur Schau trägt. Die Musik ist eingängig und dennoch hart genug, um die bereits überraschend kopfstarke Menge mitzureißen und zu begeistern. Erdig und doch mit dem nötigen musikalischen Anspruch dargeboten, hinterlassen die Donauwörther hier einen guten Eindruck.
VAN CANTO (18:40 – 19:10)
Auf den Auftritt von VAN CANTO habe ich mich in diesem Jahr ganz besonders gefreut. Mit dem Album „Hero“ konnte mich die A-Capella-Truppe davon überzeugen, dass Metal ohne Gitarren oder andere Instrumente (Zitat: „Ein Schlagzeug ist kein Musikinstrument!“) mehr als nur ein reiner Marketing-Gag ist und wider Erwarten hervorragend funktionieren kann. Wie bereits im Studio, beschränkt man sich auch auf der Bühne nicht auf das werbewirksame Nachspielen bekannter Songs, sondern steuert genauso viel selbstgeschriebenes Material bei. Und Stücke wie „Speed Of Light“, „Pathfinder“ oder „The Mission“ brauchen sich hinter „Wishmaster“ (NIGHTWISH) und Konsorten nicht verstecken.
Statt E-Gitarren-Gefiedel gibt es hier eine ordentliche Ladung vokaler „Rakkatakkas“ und „Dandans“. Das gesungene Gitarren-Solo, an dem sich in der Vergangenheit bereits ein gewisser Tobias Sammet auf dem EDGUY-Album „Rocket Ride“ versuchte, hat die Formation zur Perfektion gebracht und als würdigen Ersatz für die klassische Lead-Arbeit etabliert. Für den Grundrhythmus reicht das Schlagzeug im Hintergrund vollkommen aus, alles weitere ergibt sich durch ein Wechselspiel der verschiedenen Stimmen. Damit dies auch seine volle klangliche Wirkung entfalten kann, wird natürlich ein perfekt abgemischter Sound benötigt, den man mit kleinen Abstrichen heute auch bekommt.
Gigantisch ist die Resonanz des Publikums. Obwohl VAN CANTO schon als zweite Band des Abends am Start sind, ist der Raum vor dem Front-of-House-Pult gut gefüllt und den Text von BLIND GUARDIANs „Bard Song“ singt praktisch jeder aus voller Brust mit. Für mich persönlich stellt jedoch die liebevoll arrangierte Interpretation von „Fear Of The Dark“ (IRON MAIDEN) den Höhepunkt der Show dar. Obwohl Sängerin Inga Scharf dabei nicht immer die richtigen Worte findet, bringt sie diese leichten Textschwächen so sympathisch rüber, dass sie ihr keiner der Anwesenden ernsthaft übel nehmen kann.
EXILIA (19:30 – 20:15)
Mit EXILIA kehren ein paar alte Bekannte an den Härtsfeldsee zurück. Nach 2005 und 2006 sind die Italiener nun bereits zum dritten Mal nach Schwäbisch-Sibirien gereist, wo man sich offensichtlich pudelwohl fühlt und bereits von einer treuen Fanschar erwartet wird. Leider übertreibt es der Soundmensch ein wenig mit dem Lautstärkepegel, so dass EXILIA als einzige Band des Festivals ohne Gehörschutz überhaupt nicht zu ertragen sind.
Das Quartett, das seine Karriere mit ursprünglichen Nu-Metal-Klängen begann, hat sich konsequent weiterentwickelt und geht nun stärker denn je in die Metalcore-Richtung. Dabei ist der Energielevel noch eine Spur angestiegen. Obwohl Frontfrau Masha nach wie vor ordentlich Babyspeck mit sich herumträgt und vermutlich nie zur hübschesten Sängerin der Metal-Szene gekürt werden wird, entwickelt sie mit ihren langen Rasta-Zöpfen einen ganz eigenen Charme. Auf der Bühne brüllt sie sich die Seele aus dem Leib und übt sich dabei auf einem eigens für sie aufgestellten Podest in martialischen Posen.
Musikalisch gibt es hier eine Dreiviertelstunde lang dreckig und nonstop aufs Maul, was zwar irgendwann ein wenig eintönig wirkt, letztlich aber doch ordentlich Stimmung macht. Kein Wunder, dass einige Fans hier völlig aus dem Häuschen sind. Weniger knorke sind hingegen die unbeholfen wirkenden Ansagen. Irgendwann haben die Leute dann doch kapiert, wie underground EXILIA sind und wie verdient sie die Unterstützung der Fans in Form von CD- und Merchandise-Käufen haben. Und im Jahre Eins Obama noch verbal gegen George W. Bush zu Felde zu ziehen, fällt schlicht und ergreifend in die Kategorie „Thema verfehlt“.
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