Rock am Härtsfeldsee
Der große Bericht - Rock am Härtsfeldsee 2008
Konzertbericht
Samstag, 28.06.2008
Der zweite Festivaltag beginnt mit einer Enttäuschung. Am Einlass weist ein Aushang darauf hin, dass ELUVEITIE aufgrund einer Verletzung ihres Drummers leider kurzfristig absagen mussten. Schade drum, die Schweizer hätte ich gerne einmal auf der Bühne gesehen, aber das ist dann wohl höhere Gewalt. Der Zeitplan gerät dadurch natürlich ähnlich stark aus den Fugen wie am Vortag durch die überlangen Soundchecks von DEADLOCK und MEGAHERZ, wenn auch in der anderen Richtung. So muss ich mich später, während des APOCALYPTICA-Auftritts, fragen lassen, wer denn da gerade spielt. Eigentlich hätte ich den Finnen ja einen höheren Wiedererkennungswert unterstellt…
Ansonsten ist das Wetter noch immer vorzüglich und an den fairen Preisen für Getränke- und Nahrungsmittel, sowie dem Mangel an vernünftigen Non-Food-Ständen hat sich nichts geändert. Beim Tattoo- und Piercing-Stand scheint das Geschäft auch nicht so zu laufen, wie erwartet, so dass dort die Preise munter purzeln. Nichtsdestotrotz ist die Stimmung gut und es scheint heute noch ein wenig voller zu sein als am Vortag. Im direkten Vergleich zum 10-jährigen Jubiläumsfestival 2006 mit IN EXTREMO und ALICE COOPER scheinen die Besucherzahlen jedoch leicht rückläufig. Vielleicht liegt es am zeitgleich stattfindenden „Bang Your Head!!!“, wer dem gemütlichen Härtsfeldsee jedoch den Vorzug vor der größer dimensionierten Konkurrenzveranstaltung in Balingen gegeben hat, dürfte seine Entscheidung jedoch nicht bereuen.
HACKNEYED (17:55 – 18:20)
Es entzieht sich komplett meinem Verständnis, wie dieser gewaltige Hype um HACKNEYED entstehen und der Band einen Plattenvertrag bei „Nuclear Blast“ bescheren konnte. In meinen Augen gibt es da draußen tausende ähnlich gelagerter Combos, die Old-School-Death-Metal mit viel Geknüppel und Gebrüll anreichern, das als Ersatz für neue innovative musikalische Ideen herhalten muss. Dass man dabei gefährlich weit in windstille Metalcore-Gefilde abdriftet, ist die logische Konsequenz. Klar, die Jungs sind allesamt noch nicht einmal volljährig und lassen dementsprechend auf eine Menge Entwicklungspotential hoffen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommt man über eine mittelmäßige Live-Performance jedoch nicht hinaus. Immerhin haben die präpubertären Pogo-Puschel im Zuschauerraum wieder ihren Spaß und versuchen sich an Kampfsport-Einlagen, für die ihnen in jedem ernstzunehmenden Metal-Moshpit die Ohren langgezogen würden. Dabei kommt es auch immer wieder zu unnötigen Kollisionen mit den weniger bewegungsfreudigen Fans, die vor der Bühne einfach nur entspannt mitwippen und ihre Birne schütteln wollen. Im Verlaufe des halbstündigen Auftritts wächst die Menge vor der Bühne leicht an, ich begebe mich trotzdem lieber nach draußen und bringe meinen Blutzuckerspiegel mit einer leckeren Portion Mini-Donuts wieder auf Vordermann.
KISSIN‘ DYNAMITE (18:40 – 19:05)
…doch der Kinder-Nachmittag geht weiter. Entsetzen macht sich bei mir breit, als die Band, die jetzt die Bühne entert, sich als Vereinigung von Jungs entpuppt, gegen die HACKNEYED noch mächtig alt aussehen. Dies allerdings gleich im doppelten Wortsinne, denn zum Glück bringen KISSIN‘ DYNAMITE ihren Sound deutlich besser auf die Bretter als ihre Vorgänger. Auch sie werden zwar keinen Preis für überbordende Kreativität abräumen können, man merkt ihnen aber zu jeder Sekunde an, wie ernst sie es mit ihrer Liebe zu AC/DC und Konsorten meinen. Erstaunlich, was für einen geilen Old-School-Sound so ein paar Teenager doch zelebrieren können. Die fünf Jungs haben vielleicht noch keine Haare am Sack, aber auf jeden Fall schon die ganz großen Posen auf Lager. Der absolute Hammer ist jedoch die Stimme des schnuckeligen Sängers Johannes Braun. Wenn man die Augen schließt, merkt man zu keiner Sekunde, dass diese Stimme zu einem Sechzehnjährigen gehört.
Schaut man allerdings etwas genauer hin, kommt einem das Gesicht irgendwie bekannt vor. Tatsächlich hat der Burladinger im Jahre 2004 bei der Castingshow „Star Search“ den zweiten Platz in der Kategorie „Music Act von 10 bis 15 Jahren“ belegt, was auch einen Auftritt in Andreas Geigers kultiger Szene-Doku „Heavy Metal auf dem Lande“ zur Folge hatte. Von einem Casting-Retorten-Produkt sind KISSIN‘ DYNAMITE jedoch weit entfernt. Hier wird soviel echtes Herzblut dargeboten, dass man sogar über Peinlichkeiten wie den merkwürdigen „Power-Rangers-Handschuh“ oder die alberne „Zombie“-Travestie-Show hinwegsehen kann. Ein Songtitel wie „Steel Of Swabia“ trägt sein übriges dazu bei, dass die Band regen Publikumszuspruch erfährt. Die Ansagen nerven jedoch teilweise mit allzu ausführlichen Erklärungen der Song-Inhalte. Wenn man so wenig subtile Texte formuliert wie KISSIN‘ DYNAMITE, braucht man diese dem Publikum nicht auch noch im Detail erläutern.
SUIDAKRA (19:25 – 19:55)
Endlich wieder echte Männer! Trotz leichter Sound-Probleme liefern SUIDAKRA eine starke Show ab, voller Energie und mit sicherlich positivem Effekt auf den Bierdurst der Fans. An sich hätte die Band mehr Aufmerksamkeit verdient, wer sich diesen musikalischen Gourmethappen jedoch nicht entgehen lässt, darf eine starke halbe Stunde lang ausgelassen feiern, moshen, brüllen, hüpfen und klatschen. Saugut!
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