Roadburn Festival
Roadburn Festival 2015 – der große Festivalbericht
Konzertbericht
Sonntag, 12. April 2015
Der Afterburner. Traditionell ist der Roadburn-Sonntag für all jene gedacht, die nach drei Tagen Ohrenflattern noch nicht genug haben. Ehrensache fürs Dreigespann, den „Afterburner“ mitzunehmen – wenn schon, denn schon! Zumal der heutige Tag ja noch das eine oder andere Highlight bereithalten könnte. Zunächst aber fummeln die Kollegen Klug & Kostudis schlaftrunken ihre Zelte auseinander. Auch der preisgünstige Pavillon hat dank professioneller Wartung das Festival überlebt – wobei er dem Tod in den vergangenen Tagen (und Jahren) ein paar Mal gerade noch so von der Schippe gesprungen ist. Während die Kollegen ihre sieben Sachen zusammenpacken, verpassen sie die aus Tilburg stammenden Post-Metaller IZAH im Cul de Sac. Das wird den beiden allerdings erst zwei Wochen später auffallen, weswegen sie sich jetzt noch nicht grün und gelb ärgern.
Nachdem die Kollegen ihr Hab und Gut in den Kofferraum gepresst haben, machen sie sich ein letztes Mal auf den Weg zur 013. Vor selbiger wartet bereits ein wie immer grinsender Kollege Lattemann, frohlockend einen Bierbecher schwenkend. Die Redakteure halten einen kurzen und beschwingten Plausch, versichern sich dabei noch einmal gegenseitig, was für ein cooles Festival das eigentlich war – und betreten gemeinsam die Venue. Bereits von weitem dröhnen die ersten Riffsalven der Doomrüpel BONGRIPPER durchs Mauerwerk. Dem Vierer aus Chicago ist es heute bei ihrem zweiten Roadburn-Gig überlassen, die geschundenen Festivalbesucher ein letztes Mal wachzurütteln – was den Herrschaften auch mehr als überzeugend gelingt. Die Setlist setzt sich diesmal aus Songs der älteren Platten zusammen – was Wucht und Wirkung der Show allerdings in keiner Weise abträglich ist. Und vor der Bühne des Jupiler Zaals bildet sich alsbald in ein Meer aus schwankenden Leibern – stoisch und behäbig pendelnd wie eng an eng gestellte Metronome. Auch wenn der Saal heute nicht ganz so voll wie an den vorherigen Tagen ist: Es ist offensichtlich, dass sich BONGRIPPER mit ihrem eindrucksvollen Gig am Donnerstag viele neue Freunde gemacht haben. Davon zeugen nicht zuletzt auch die zahlreichen Shirts, die seit Freitag auf dem Festivalgelände zu sehen sind. Zurück zum heutigen Geschehen: Die US-Amerikaner hauen auf der Bühne mit allen Körperteilen auf ihre Instrumente ein, es wabert, kracht, heult und rotzt aus den riesigen Boxen, der Sound ist derbe fett. Kurzum: Das Roadburn feiert eine riesige Doom-Sludge-Party.
Zur Veranschaulichung hier noch mal das Ende der Show im Video. Vielleicht kann der eine oder andere so besser nachvollziehen, was da im Jupiler Zaal abging:
Setlist:
- The Great Barrier Reefer
- Satan
- Zero Talent
- Worship
- Hate Ashbury Part VIII
In Folge dieses zweiten BONGRIPPER-Abrisses könnte man meinen, dass die Veranstalter den geneigten Tagesticket-Besuchern noch einmal deftig unter die Nase reiben möchten, was diese in den vergangenen Tagen so alles versäumt haben. Dementsprechend lässt man sich nun ein weiteres Mal auf den im Geiste zum Kinosessel umgerüsteten Treppenstufen nieder, um sich von Horror-Liebhaber Claudio Simonetti mit der Mano cornuta begrüßen zu lassen. Teufelshörner spielen auf der Leinwand heute zwar keine große Rolle, doch der geneigte Horrorfilm-Liebhaber sollte wissen, dass es vor den mörderischen Hexen in Suspiria kein Entrinnen gibt. Musikalisch zwar abermals entlang eines Hauptthemas agierend, sind GOBLIN heute instrumental weniger proggy aufgestellt. Bouzouki statt E-Gitarre, Simonetti selbst wechselt zwischen vertrauten Tasteninstrumenten und Westerngitarre. Den letzten Schliff geben die verstörend geisterhaften Vocoder-Sounds des Quartetts, welche den Nachforschungen der jungen Balletttänzerin Suzy eine beklemmende Komponente verleihen. Dank reduzierten Trash-Anteils bilden Streifen und Soundtrack heute eine wesentlich deutlichere Einheit als noch am Vortag – was den Kultfaktor der kurzweiligen 100 Minuten ins Unermessliche steigert.
Nach Klugs finalem Drei-Gänge-Menü (Schaschlik, Hamburger, Döner) wartet das versammelte Kompetenzteam auf das designierte Highlight des Roadburn-Sonntags: Zu ANATHEMA müssen sicherlich nicht mehr viele Worte verloren werden, die heutige Show ist allerdings etwas ganz Besonderes: Die Gebrüder Cavanagh & Kollegen gastieren im Rahmen ihrer „Resonance“-Tour in Tilburg. Das bedeutet: Neben gewohnt atmosphärischer Alternative-Rock-Kost wird es auch eine gehörige Portion Old-School-Stoff zu hören geben – ermöglicht durch die Beteiligung der ehemaligen Bandmitglieder Duncan Patterson (ursprünglich Haupt-Songwriter sowie Bassist, verließt die Band 1998 nach „Alternative 4“) und Darren White (bis 1994 Sänger der Band, dann abgelöst durch den bisherigen Gitarristen Vincent Cavanagh). Das gibt es eben nicht alle Tage. Es scheint folglich alles für einen absoluten Leckerbissen vorbereitet.
Schließlich wird das Licht gedimmt, die dank der Tageskarten-Verkäufe durchaus große Menge johlt – und Daniel Cavanagh begrüßt das Publikum auf gewohnt charmante Art. Gemäß der einmal-rückwärts-durch-die-Diskografie-Devise beginnt man das Set recht verhalten mit dem eponymen „Anathema“ vom aktuellen Album „Distant Satellites“. Genau wie das folgende “Untouchable, Part 1” auf Platte eigentlich ein absolutes Feuerwerk der Gefühle – dessen Zündschnur heute jedoch in einem Tümpel aus dünnem Sound ertränkt wird. Was hier aus der Anlage kommt, klingt, als spiele nicht nur Drummer Daniel Cardoso, sondern gleich die ganze Band hinter einer überdimensionalen Plexiglaswand. Lead-Gitarrist Danny Cavanagh ist mit dem Rühren der Werbetrommel für die später folgenden älteren Songs bemüht, für Stimmung zu sorgen. Den angemessenen Applaus weiß der Chef-Pathetiker in der Folge zwar immer wieder einzufordern, die erste Mitklatschtirade gelingt ihm aber erst beim Vocoder-lastigen „Closer“. Allmählich stimmen einen auch die Soundverhältnisse wieder etwas zufriedener, Cavanagh läuft zur Höchstform auf und feuert gnadenlos „Let me hear you scream“- und „I wanna see you jump“-Salven ins Publikum ab. Muss das denn zu melancholischer Rockmusik wirklich sein?
Im weiteren Verlauf des Abends erfüllen sich die sehnlichsten Träume zahlreicher angereister ANATHEMA-Fans im Zehn-Minuten-Takt: Ein im schlicht schwarzen Hemd gekleidet Duncan Patterson löst Jamie Cavanagh am Bass ab, ohne beim BACKSTREET BOYS-würdigen Gekreische der ersten Reihe auch nur mit der Wimper zu zucken. Nach einer kurzen Reise durch die Neunziger kündigt „Sunset Of Age“ den Beginn der „Silent Enigma“-Ära an und zu „Kingdom“ gibt ein sichtlich motivierter Darren White nach 20 Jahren erstmals wieder den Frontman. Nach einer kurzen Abhandlung des „Serenades“-Albums nähert sich die Reise mit „They (Will Always) Die“ ihrem Ende. Zuvor ist es White jedoch noch ein Anliegen, die Antikriegs-Message der 1993er-Hymne zu verdeutlichen: „Dieser Song ist gegen jeden Krieg auf dieser Welt und ich weiß genau, dass gerade die niederländischen Menschen immer dagegen sein werden.“ Selbstverständlich also, dass der Band im Anschluss dann noch ein kleiner Love-and-Peace-Circle-Pit beschert wird.
Einen ausführlichen Bericht zur „Resonance“-Tour in Bochum von Kollege Jonas Kemme gibt es hier.
Setlist:
- Anathema
- Untouchable, Part 1
- A Simple Mistake
- A Natural Disaster
- Closer
- Pressure
- One Last Goodbye
- Shroud Of False
- Fragile Dreams
- Empty
- Lost Control
- Eternity Part I
- Eternity Part II
- Eternity Part III
- Sunset Of Age
- A Dying Wish
- Kingdom
- Mine Is Yours To Drown In (Ours Is The New Tribe)
- Under A Veil (Of Black Lace)
- Lovelorn Rhapsody
- They (Will Always) Die
- Sleepless
„Ach komm, den einen Auftritt schaffen wir auch noch“, sprach der Fahrer des verbleibenden Zweierteams. Nachdem sich Kollege Lattemann auf höchst unehrenhafte Weise per Facebook von Klug & Kostudis verabschiedet hat, ist das Reinschnuppern bei THE OSIRIS CLUB zu einem gewissen Teil irgendwie auch eine Trotzreaktion. Eine Reaktion, die mit einer Psychedelic-Prog-Mixtur belohnt wird, wie sie niederländischer nicht sein könnte. Und das, obwohl das an GHOST auf LSD erinnernde Sextett eigentlich britischer Herkunft ist. Da die Kollegen hiervon nach vier Tagen aber etwas übersättigt sind, sich eine gewisse Müdigkeit breitmacht und GHOST einfach die schöneren Masken haben, verabschiedet sich das Duo dann aber doch schon etwas früher aus der unverdientermaßen viel zu leeren Venue 013.
Nachdem obligatorisch finalem Besuch am Merchstand, bei dem Kollege Klug BONGRIPPER nochmals seine Liebe in Form von Vinylkäufen gesteht, verabschieden sich unsere Titelhelden voller Wehmut aus der Tilburger Innenstadt und machen sich auf in Richtung Luxusmobil, wo Kollege Kostudis panisch feststellen muss: Die Jugend von heute hat ja überhaupt keine CD-Spieler mehr in der Karre. Also wird die „Roadburn Experience“ 2015 lieber über Klugs Handy nachbereitet. „Anton, jetzt hören wir erst mal ein bisschen ENSLAVED.“ Mit einem Wiegenlied Grutle Kjellsons auf den Ohren fahren die beiden in die Nacht. Ob Kollege Kostudis hierbei seinen sehnlichen Wunsch nach einer weiteren Palette Dosenbier zur Geltung brachte, ist allerdings nicht überliefert. Der Rest ist Geschichte.
Alle Fotorechte liegen bei Alex Klug, Anton Kostudis, Erik Luyten, Susanne Maathuis, Kris T. Therrian und Niels Vinck. Bericht von Alex Klug, Anton Kostudis und Sven Lattemann.
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!
Wardruna, Sólstafir, Russian Circles, Der Weg Einer Freiheit, King Dude, Goatwhore, Eyehategod, Enslaved und Downfall Of Gaia auf Tour
04.04.25 | Downfall of Gaia - Silhouettes of Disgust 2025Downfall Of GaiaAlte Brauerei Annaberg-Buchholz, Annaberg-Buchholz |
06.04.25 | Downfall of Gaia - Silhouettes of Disgust 2025Downfall Of GaiaKapu, Linz |
07.04.25 | Downfall of Gaia - Silhouettes of Disgust 2025Downfall Of GaiaPMK, Innsbruck |
Alle Konzerte von Wardruna, Sólstafir, Russian Circles, Der Weg Einer Freiheit, King Dude, Goatwhore, Eyehategod, Enslaved und Downfall Of Gaia anzeigen » |
Kommentare
Sag Deine Meinung!