Roadburn 2018
Sommer, Sonne, Stoner Doom

Konzertbericht

Billing: Converge, Godspeed You! Black Emperor, Cult Of Luna & Julie Christmas, Motorpsycho, Grave Pleasures, Wiegedood, Godflesh, Crowbar, Igorrr, Bong-Ra, Earthless, Weedeater, Hällas, Khemmis, Panopticon, Furia, The Ruins Of Beverast, Worship, Phantom Winter, Sacri Monti, Wrekmeister Harmonies, Misþyrming, Svartidauði, LLNN und GosT
Konzert vom 19.04.2018 | 013 Poppodium, Tilburg

Ein Bericht von Anton Kostudis und Alex Klug. Alle Fotos von Anton Kostudis und Alex Klug. Redaktionelle Mitarbeit: Sven Lattemann.

Freitag, 20. April 2018

Der zweite Tag beginnt gleich mit einer ganz fiesen Gewissensfrage – zumindest für die Kollegen Lattemann und Klug. Die müssen sich nämlich entscheiden, ob sie sich lieber den finster-frostigen Ergüssen von THE RUINS OF BEVERAST hingeben oder aber der spacigen Psych-Rock-Session der Norweger MOTORPSYCHO auf der Hauptbühne beiwohnen. Am Ende entscheidet sich zumindest Kollege Klug – wie zu erwarten – für das Aachener Düsterklang-Kollektiv. Die Arschkarte fliegt trotzdem dem Dritten im Bunde zu: Kollege Kostudis. Der darf zwischen beiden Shows hin und her springen und fleißig Bilder machen, während andere sich im tiefblau-dämmrig gefluteten Green Room an den weltverneinenden Klängen Alexander von Meilenwalds und seiner Mitstreiter ergötzen.

Von Aachen nach Tilburg

Es gibt Alben, die brauchen diesen erstklassigen Roadburn-Sound. “Exuvia” ist so eines. Der jüngste Streich des Ex-NAGELFARlers ist weiter vom Black Metal früherer Tag entfernt denn je. Und doch: Mit sechs Mann auf der Bühne erwecken THE RUINS OF BEVERAST hier heute einen hypnotischen Behemoth zum Leben, den unsere Redaktion nicht vergebens auf das oberste Treppchen der Jahrescharts hievte. Kein Wunder, dass die Veranstalter Herrn Meilenwald im Vorfeld baten, das Album in Gänze aufzuführen. Tatsächlich katapultiert sich die Gruppe mit Keyboard- und Percussion-Unterstützung geradewegs ins Zentrum eines Tribal-Orkans, dass Kollege Klug sich nach dem anschließend vollzogenen Plattenkauf vor allem eines fragt: Reicht meine Anlage für diesen Sound eigentlich aus. Messlatte: THE RUINS OF BEVERAST.

Als Kollege Kostudis im finsteren Nebel vor der Hauptbühne versucht, MOTORPSYCHO angemessen bei ihrer Arbeit abzulichten (woran er letztlich scheitern soll), ertappt er sich nach einigen Minuten dabei, wie er schmunzelnd und nickend vor der Bühne steht und sein spärlich wucherndes Haupthaar zur pulsierenden Jamsession wenige Meter vor ihm schüttelt. Nach einem üppigen 120-Minuten-Set (Danke, Roadburn!) wird es dann sogar philosophisch: Denn nachdem sich der Rest der Belegschaft nach Ende der BEVERAST-Show hinzugesellt, hebt Kostudis an und doziert: „Wenn eine Band, wenn ein Sound irgendwie symbolisch für dieses Festival steht, dann ja wohl genau das hier. Das ist doch einfach … Roadburn.“ Leere Blicke allerseits, der Kollege sieht sich natürlich trotzdem im Recht. Widerworte gibt es schließlich ja auch keine. Und gut war es sowieso – da sind sich alle definitiv einig. Und überhaupt: Welche Band wird mit so großer Vorliebe für minutenlage Repetitionen derart selten langweilig?

Windstein bester Laune

Eigentlich ist das ja wirklich Wahnsinn, findet Kollege Kostudis. Als er nämlich im seinerzeit zarten Alter von 13 Jahren im Ferienlager in Ungarn lustige Gesellschaftsspiele unter Anleitung über sich ergehen ließ, werkelten auf der anderen Seite der Welt einige Herrschaften an einem Album namens “Odd Fellows Rest“. Anlässlich des nun 20. Geburtstags der Scheibe hatte CONVERGE-Mastermind und Roadburn-Kurator Jacob Bannon das Vorhaben, die Platte in Gänze auf die Mainstage der 013 zu bringen – eine Idee, mit welcher er bei den Ausführenden (das sind in diesem Fall die Sumpf-Sludger CROWBAR) wohl offene Türen einrannte. Denn nun sind sie da, und sie lärmen gewaltig, gewichtig und garstig. Tatsächlich erwischen Kirk Windstein und Kollegen einen absoluten Sahnetag – und lassen das Fundament der vollgestopften Venue immer wieder mit ihrem wuchtigen, groovigen Gebräu erzittern. So macht das doch Spaß! Und den hat auch der Bandchef, der launige Ausführungen zum Vorbereitungsprozess auf den heutigen Abend nuschelt (“Wie zur Hölle hatte ich damals dieses Riff gespielt?“), am Ende aber sichtlich zufrieden ob des Resultats war: “Es war wunderbar, dieses Album noch einmal rekapituliert zu haben.“ Zum Glück – das Roadburn wäre sonst nämlich um einen Höhepunkt ärmer gewesen.

Roadburn 2018 – Crowbar

Crowbar

Danach bewegt sich der metal.de-Tross in Richtung der neu in den Venue-Plan aufgenommenen Koepelhal. Und Kinder, ist das warm hier. Da möchte man nicht in der Haut des Herrn Roadie stecken, der zuvor im 013 während des CROWBAR-Gigs im Zwei-Minuten-Takt über der Bühne huschte – und dabei nichts anderes zu tragen gedachte als seinen buntkarierten Bademantel. Ein klarer Fall von: Warum? – Weil er’s kann.

Von der Sonne geblendet

Derweil haben die polnischen Black-Metaller FURIA die Bühne in Beschlag genommen und liefern ihre rohe und eigenwillige Interpretation schwarzmetallischer Klänge. Während Kollege Kostudis angesichts des Treibens zwischen düsterem Flacker- und einfallendem Sonnenlicht mit den Gedanken alsbald schon wieder woanders ist, sind andere Anwesende vom polnischen Gelärme durchaus angetan. Um hier an die von Kollegen hochgepriesene Albumqualität anzuschließen, klingt die Nummer dann aber doch nur zu sehr nach Soundcheck.

Roadburn 2018 – Furia

Furia

Die Koepelhal als neue, nun zweitgrößte Location des Roadburn-Dorfs erweist sich trotz kurzer Gehzeiten gewiss als hübsche Ergänzung zum Hauptspot. Das Bühnengerüst hat dann aber doch ein bisschen den Charme von “schnell noch aus dem Boden stampfen”. Wobei die nackten, unverkleiderten Gerüstrohre ja noch ein bisschen Industrial-Flair ausstrahlen. Soundmäßig erwartet der durch und durch verwöhnte Roadburn-Besucher dann aber doch noch ein bisschen mehr. Und so erliegt die Kollegschaft dann auch alsbald den verlockenden Düften des hochpreisigen, aber grundsoliden Verpflegungsangebots, welches vor der Halle erhältlich ist. Und klar: Bist du in den Niederlanden, isste Pommes. Gesagt, getan.

Gottes Fleisch und die Verwesung

Von Kollege Klug zwar ausschweifend und voll des Lobes angekündigt, können GODFLESH den Vorschusslorbeeren anschließend nicht gerecht werden – und das bis dahin hohe Niveau konsequenterweise auch nicht halten. Das zumindest findet Kollege Kostudis, welcher die etwas monoton anmutende, irgendwie auch ein wenig blutleere Darbietung mit hilflosem Achselzucken verfolgt. Und auch wenn viele Zuschauer es anders sehen – bei der Belegschaft können Justin K. Broadrick und Kollegen heute nicht punkten. Zu eindimensional und spannungsarm ist das heute in Gänze dargereichte 1994er-Werk “Selfless” – oder aber eben dessen Aufführung. Wummernde Gitarre, patentiert schmerzender 90er-Drum-Computer-Sound. Genre-Klassiker hin oder her: Der erwartete Kracher sind GODFLESH nicht. Zumindest nicht heute.

Roadburn 2018 – Vor der Tür

Vor der Tür

Wie man einen sich selbst vorauseilenden Ruf bestmöglich einfängt, knebelt und anschließend mit den Händen auf den Rücken fesselt, wissen hingegen IGORRR. Diese Erfahrung müssen zumindest die Heerscharen an Roadburnern machen, die beim Konzert der Brekcore-Genreclasher in der Koepelhal “einfach mal aus Spaß reingucken” wollten. Denn IGORRR haben 2018 MEHR Live-Gesang, MEHR Action und ENDLICH auch einmal Live-Drums im Gepäck. Mehr soll an dieser Stelle dann aber auch nicht gespoilert werden.

Roadburn 2018 – Worship

Inniger Funeral Doom im kleinen Rahmen: WORSHIP im Cul de Sac.

Typisch japanisch: Introvertiert und hingebungsvoll

Während sich Kollege Klug also in der Koepelhal von IGORRR umgarnen lässt, riskiert Kollege Kostudis ein Ohr bei DHIDALAH. Und das stellt sich als glücklicher Zug heraus: denn das japanische Psychedelic-Doom-Trio bietet eine flirrende, interessante Performance, welche zahlreiche Musikfreunde in den Green Room gelockt hat, sodass es an den Eingängen bereits ein ziemliches Gedränge gibt. Auf der Bühne geht es derweil “typisch japanisch” zu, soll heißen: Insbesondere die beiden Saiteninstrumentalisten agieren introvertiert, aber eben auch mit viel Hingabe. Nett! Sehr sogar!

Ebenfalls sehr nett sind SANGRE DE MUERDAGO. Die Leipziger (oder jedenfalls aktuell in Leipzig ansässigen Musiker) spielen “Forest Folk”. Und das kommt richtig gut an zu später Stunde im Patronaat. Dicht gedrängt stehen die Menschen vor der Bühne und lauschen zu später Stunde den beschwingten, luftig-leichten und gleichzeitig sehr nachdenklichen Klängen, welche die Band unter anderem mit Harfe, Drehleier und klassischer Gitarre auf die Bühne bringt. Völlig anders – und doch keineswegs fehl am Platz. Im Gegenteil. Allerdings: solche Dinge funktionieren wohl auch nur im April in Tilburg.

Roadburn 2018 – Sangre De Muerdago

Sangre De Muerdago

Motherblood über Tilburg

Dabei kennt das Roadburn den Terminus “Forest Folk” doch spätestens seit den Gastspielen der finnischen HEXVESSEL. Während diese aber nun zwischen den Baumrinden der heimischen Wälder neue Kräfte suchen, bleibt Kreativkopf Kvohst gewohnt fleißig: Mit den ehemaligen Biestmelkern GRAVE PLEASURES weht erstaunlicher 80er-Post-Punk-Wind durch die Hallen des 013.

Roadburn 2018 – Grave Pleasures

Grave Pleasures

Dabei braucht das mit “Motherblood” zu neuer Stärke erwachte Quintett heute aber eine ganze Weile, um ins Rollen zu kommen. Der Sound tut sein Übriges. Zu leise dringen Kvohsts Geisterbeschwörerlaute durch die Boxen, zu schneidend fällt seine Gejaule aus. Nach einer halbe Stunde ist aber alles fit – das gilt selbst für die vormals auf den Stufen des Tribünenaufgangs schlummernden Jupiler-Bier-Leichen. Keine Frage: Nummern wie “Death Reflects Us” und “Joy Through Death” kann niemand wieder stehen. Niemand. Nicht einer. Außer Kollege Kostudis.

“Drei Akkorde, pfft. Da hätte doch jetzt auch jede andere Band spielen können.”

Gute Nacht.

Ein Bericht von Anton Kostudis und Alex Klug. Alle Fotos von Anton Kostudis und Alex Klug. Redaktionelle Mitarbeit: Sven Lattemann.

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25.04.2018

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