Roadburn 2017
Magisch, doomy, familiär.
Konzertbericht
Ein Bericht von Alex Klug, Anton Kostudis und Sven Lattemann.
Alle Fotos von Alex Klug und Anton Kostudis.
Roadburn. Endlich. Endlich wieder Roadburn. „Wenn nur die Road nicht wäre, wär’s echt der Burner.“ Zugegeben, das war jetzt nicht witzig. Genauso wenig witzig allerdings, wie Herr Kostudis die Tatsache findet, dass er Massenkarambolagen, kilometerlange Staus und hirnbefreite Mitbürger auf vier Rädern anzuziehen scheint wie ein stattlicher Haufen in der Sonne die Fliegen. Ergo: Während Kollege Klug nun also schon seit Stunden in Tilburg vegane Cola schlürft und dabei sehenswerte Livedarbietungen verfolgt, quält sich der griechischstämmige Teil der metal.de-Belegschaft noch auf Deutschlands Autobahnen ab. Also eigentlich alles wie immer.
Donnerstag, 20. April 2017
Zum Glück ist Kollege Klug das ewige Versteckspiel am ersten Festivaltag bereits gewohnt. Pünktlichkeit liegt gewiss beiden nicht im Blut, aber gerade Sportredakteur Kostudis setzt immer wieder zu neuen Bestzeiten an. Der Mann lässt sich eben nicht von unnötigen Zeitgeisterscheinungen wie terminlichen Verpflichtungen und digitalen Armbanduhren irritieren. Long Live Independence!
Mit selbigem martialischem Kampfschrei weihen CRIPPLED BLACK PHOENIX dann auch gleich die Hauptbühne ein. Tatsächlich konnte das Kollektiv um Ex-IRON MONKEY-Drummer Justin Greaves in diesem Jahr erstmals ein Plätzchen im Billing ergattern. Ein überfälliger Einstand. Umso verschwenderischer, dass das multinationale Underground-Kollektiv zunächst auf die straighteren Doom-Rock-Nummern des aktuellen Studioalbums „Bronze“ vertraut. Natürlich machen Zwei-Riff-Stampfer wie „Deviant Burials“ gut Druck, wenn sie von acht derart routinierten Vollblutmusikern durchgehämmert werden. Klar festivaltaugliche Musik, die volle Halle gibt ihnen Recht. Ihr wahres Alleinstellungsmerkmal lassen CRIPPLED BLACK PHOENIX dann aber erst in der zweiten Hälfte des Sets aufleben, wo überlange Endzeitepen wie „Song For The Loved“ und „We Forgotten Who We Are“ erstmals den süßen Geruch der ach so geliebten Roadburn-Melancholie versprühen. Gut, die „Happy 420“-Ansage dürfte durchaus zum Duft beigetragen haben.
Unverwechselbar: Der glasklare Roadburn-Sound.
Draußen der erste Schock für Lattemann und Klug: Die Merchstände fehlen. Okay, im Gegensatz zu Kollege Kostudis sind sie nicht gänzlich verschollen, sondern wurden zugunsten eines größeren Plattenmarktes lediglich in ein zusätzliches Zelt eine Straße weiter verlegt. Angesichts des frisch eröffneten WOLVES IN THE THRONE ROOM-Stands ist hier allerdings auch für den tapfersten Barbaren (also Lattemann) kein Durchkommen. Wieder rein, SUBROSA. Ein klassischer Fall von Roadburn-Sound: Wurde das ewige On/Off-Spiel mit der Dynamik beim jüngsten Gig im Kölner Underground für Kollege Klug zur musikalischen Monotonie-Tortur, stimmt hier und heute wieder alles. Gerade noch weht ein laues Lüftchen durchs 013, einen Moment später hagelt es nervös zuckende Geigencrescendos und hoffnungslos zähflüssige Doom-Riffs über Tilburg. Besser als jedes Clubkonzert.
Doch dieses Konzept muss ja nicht immer aufgehen. Können beispielsweise WOLVES IN THE THRONE ROOM ihre intime Wirkung auch im großen Hauptsaal entfalten? Sie können. Die aus dem Winterschlaf erwachten Weaver-Brüder sind die heimlichen Headliner des Nachmittags – und haben sich nach langer Live-Abstinenz ganz besonders rausgeputzt. Mit drei Gitarren, Keyboards und Drum-Verstärkung aus dem Hause LYCUS bringen die US-Black-Metal-Wunderkinder ihre hallige Kaskadenraserei facettenreicher denn je aufs Parkett – und beweisen, dass sie sich seit ihrem ersten Roadburn-Gig im Jahre 2008 nicht nur zu einem Qualitätsgarant für gute Studioalben, sondern zugleich für erstklassige, räucherstäbchengeschwängerte Liveauftritte gemausert haben. Und so schließt sich der Kreis mit den ersten Akkorden von „Queen Of The Borrowed Light“ vom jüngst re-releasten Debütalbum. Ungeahnte Energien setzen dann insbesondere die folgenden „Two Hunters“-Stücke frei: So vergisst Bruder Nathan zu „I Will Lay Down My Bones Among The Rocks And Roots“ für eine Sekunde die selbstauferlegte Interaktionsblockade und reckt die Fäuste Richtung Publikum. Die Euphorie schwappt über – und das prall gefühlte 013 ist um einen schwarzmetallischen Siegeszug reicher.
Frühes Anstehen lohnt sich.
Als Luftnummer entpuppt sich anschließend aber wieder mal Kollege Klugs tapferer Versuch, sich seinen Weg entlang der menschlichen Killerraupe hinein in den Extase-Club zu bohren. Trotz seiner regenwurmartigen Schlängelfähigkeiten scheitert er bereits an der Bar im hinteren Teil des überfüllten Etablissements. Vom Death-Doom der Bostoner Kapelle FÓRN gibt’s dort entsprechend wenig zu hören, viel mehr lenken die tief wummernden Bässe die Aufmerksamkeit auf das eigene Grummeln in der Magengegend.
Während Kollege Klug also fortan der einen oder anderen Frikandel spezial fröhnt, blicken die älteren Herrschaften der Roadburn-Gemeinde einem speziellen Highlight entgegen: Die Okkult-Rocker COVEN geben ihr erstes Europakonzert ever. Und das soll was heißen: Die Band gründete sich immerhin bereits 1968. Die Gelegenheit, DIE Vorlage für alle späteren Occult-Rock-Doom-Bands zu begutachten, darf sich Kollege Lattemann natürlich nicht entgehen lassen. Standesgemäß tritt Frontfrau Jinx Dawson dann auch aus einem Sarg, um den Auftritt zu eröffnen – welcher im Übrigen erfrischend modern und zeitgemäß gerät. Ähnlich könnten sich auch neuere Werke von SABBATH ASSEMBLY oder BLOOD CEREMONY präsentieren: Der stilistische Ursprung der heutigen Female-Fronted-Occult-Rock-Welle liefert allerbeste Unterhaltung und Rockmusik vom Feinsten, was nicht zuletzt der immer noch überzeugenden Stimme und Präsenz Dawsons geschuldet ist. Offen bleibt damit nur die Frage, ob auf die nächsten Europa-Auftritte von COVEN wieder ein halbes Jahrhundert gewartet werden muss.
Schwedischer Totalabriss im Green Room.
Zurück auf der Straße: Im wohl aussichtslosesten Kampf des Tages – „Klug vs. WITTR-Merchstand“ – steht es inzwischen 0:3. Insbesondere nach dem soeben beendeten Gig ist und bleibt es ein zum Scheitern verurteilter Versuch, auch nur einen einzigen Blick auf den Gabentisch der US-Amerikaner zu werfen. Dafür wird sich nun rechtzeitig ein Plätzchen im Green Room gesichert, wo SUMA in der folgenden Stunde endlich ein mehr als willkommenes Stück Abwechslung in Sachen „Atmospheric Sludge“ bieten. Grund: Sie bedienen sich eines geheimnisvollen Instruments namens „Ambience“. Oder wie auch immer man es nennen mag, wenn Laptopstatik durch Gitarren-Tretminen geschickt werden. Drumherum gibt’s unverschämt groovigen Hardcore-Sludge mit wüst-monotonem Gesang und gerade einmal einer Gitarre. Das lässt natürlich keine komplexeren Atmo-Szenarien à la OMEGA MASSIF zu, poliert einem aber einfach mal schön die Müdigkeit aus der strapazierten Grinsevisage. Ein bisschen CELESTE, anyone?
Gemischte Gefühle bei DEAFHEAVEN.
Genau rechtzeitig, um zu spät zu kommen, haben es dann auch Kollege Kostudis und sein Vehikel irgendwie nach Tilburg geschafft. Im Stechschritt und mit einer kühlen Weghalben bewaffnet eilt der Kollege in Richtung 013. Dabei hält er es ganz mit der alten Weisheit: „Auch wenn’s Bäuchlein grummelt, heut‘ wird nicht gebummelt.“ Tatsächlich schafft er es schließlich pünktlich zum Start von DEAFHEAVEN vor die Bühne. Und was dann passiert, ist zumindest für den Kollegen ganz persönlich ein ausgesprochen gelungener Festivalauftakt. Denn im Gegensatz zu den vielen Redaktions-Trveheimern, die glücklicherweise zu Hause geblieben sind, bereiten ihm die post-blackmetallischen, zu Pathos neigenden Stücke der US-Amerikaner durchaus Genuss. Mit „Brought To The Water“ und „Come Back“ vom aktuellen Album „New Bermuda“ gibt es gleich zu Beginn stimmungsvolles Futter auf die Ohren, später wird auch noch ein Cover des MOGWAI-Songs „Cody“ geboten, bevor sich die Band noch ihrem Meilenstein „Sunbather“ widmet. Eine runde Sache, wie Kollege Kostudis abschließend befindet.
Was vermutlich daran liegt, dass der Kollege das Konzert mit geschlossenen Augen verfolgt und – wie sagt Kollege Büttner? – „einfach nur genossen“ hat. Während Herr Lattemann es gar nicht erst mit Open-Mindness versucht hat, kann das Nesthäkchen der Rasselbande trotz überzeugender musikalischer Leistung nur wenige Momente der Show ohne Bauchschmerzen genießen. Die „Bühnenshow“ von Sänger George Clarke erinnert in den überzeugendsten Momenten an ungeschminkte BLACK VEIL BRIDES-Gestik auf LSD, mit atmosphärischer Musik geht das peinliche, pseudo-provokative Getanze aber kaum konform. Daumen hoch für jede Band, die Black-Metal-Puristen zum Weinen bringt, Daumen runter für vorpubertäres Ego-Gepose.
BATUSHKA heute leider unterdurchschnittlich.
Erst einmal durchatmen und ab zu BATUSHKA. Die polnische BM-Band der Stunde hat wenigstens den Anstand, sich unter Kapuzen zu verstecken. Dass der mitgeschleppte Modern-Metal-Chef das Ganze als „lächerliches Gerumpel“ tituliert, verwundert eher wenig. Dass seine Aussage den Auftakt der sakralen Performance tatsächlich halbwegs treffend beschreibt, umso mehr. Angesichts der Tatsache, dass das Roadburn sich in den vergangenen Jahren als Blaupause in Sachen Klangperfektion erwiesen hat, enttäuscht in diesem Jahr erstmals der Sound des Patronaats. Darüber können auch die entweihten Kirchenfenster des ehemaligen Klostergebäudes nicht hinwegtäuschen. Das Ambiente stimmt, aber gerade vom Schlagzeug kommt heute viel zu wenig Druck, als dass Schwarzmetall-Geschrammel und Mönchschöre ihre volle Wirkung entfalten könnten. Zum Glück wissen Lattemann und Klug um die wahren Qualitäten der „Litourgiya„. Und tüten dieses noch während des leider unterdurchschnittlichen Gigs am Merchstand ein.
Kollege Kostudis hat bereits zuvor die Flucht ergriffen und sich im Green Room eingefunden. „Egal was jetzt kommt, es kann nur besser werden“, denkt er sich. Wie so oft hätte er angesichts dieser Vermutung mal lieber Rücksprache mit Kollege Klug gehalten. So muss er seine Meinung nach etwa zehn Minuten DROW ELIXIR ein Stück weit revidieren. Denn was das WITTR-Gespann Nathan und Aaron Weaver als Ambient-Drone-Duo auf die Bühne bringt, ist zwar irgendwie stimmungsvoll, aber auch irgendwie ziemlich lahm. Na ja. Typischer Fall von „nur für eingefleischte Fans interessant“, denkt sich der Kollege und schlurft von dannen. Als ausgewiesener Hardliner macht sich dann auch Klug ein Bild von der Lage: Weihrauch, Pauken, dröhnendes Overdrive-Geflüster. Ziemlich harten Tobak bieten die heimlichen Nachmittagsheadliner hier. Mit der kalten BM-Essenz von WOLVES IN THE THRONE ROOM hat das Gehörte dabei nämlich ebenso wenig zu tun wie mit dem Ambient-Synth-Exkurs „Celestite„. Schwierig.
Im 013 sind mittlerweile BONGZILLA aufmarschiert. Ein Name, bei dem es nicht viel Phantasie braucht, um zu wissen, was auf einen zukommt. Das Ganze lässt sich dann nach kurzer Begutachtung auch wie folgt zusammenfassen: „Musik von sehr bekifften Menschen für sehr bekiffte Menschen.“ Grüner Nebel auf der Bühne, der nicht nur aus der Maschine kommt, Stoner-Riffs von der Stange, deren halbwegs saubere Intonation den beteiligten vier Herrschaften sichtlich Mühe bereitet, dazu heißeres, unverständliches Gebrabbel. Für Kollege Kostudis letztlich ein ausgesprochen schwacher Schlusspunkt des ersten Tages. Allerdings trifft das unbeholfene Gebratzel der BUNDESSTAAAAAAAAAAAAAATLER anscheinend den Nerv vieler der noch Anwesenden. Was zugegebenermaßen auch wenig verwunderlich ist.
Die Kollegen erklären den Arbeitstag folglich für beendet und machen sich auf den Weg zum Campingplatz, um sich dort nach einer kurzen gemeinsamen Abschlussbesprechung alsbald „in die Buntkarierten“ zu begeben, wie Cheffe Maronde immer so schön zu sagen pflegt. Eine weise Entscheidung: Denn am kommenden Tag dürfte angesichts diverser vermeintlicher Highlights eine solide Fitness durchaus vonnöten sein.
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