Ragnarök Festival
Der große Festivalbericht - Ragnarök Festival 2008
Konzertbericht
Die Nacht bleibt relativ kurz, ob das an der etwas unbequemen Position in der A-Klasse oder den frühen Sonnenstrahlen liegt, bleibt mir im morgentlichen Gedankensumpf verborgen. Bis zur ersten interessanten Band, ELEXORIEN, verbleibt noch einiges an Zeit, so dass ich mich, zusammen mit meinen mitgereisten Kampftrinkern, für einen Gang zum knapp 10 Minuten entfernten Supermarkt entschließe. Der Weg dorthin lässt etwas Zeit zur Schadensanalyse: Ein Großteil der Autos am Wegesrand scheint relativ gut über die Nacht gekommen zu sein, größere Beulen fallen mir nicht ins Auge. Anders jedoch der Weg selbst. Von der zerbrochenen Bierflasche über kaputte Campingutensilien bis hin zur komplett zerstörten Kloschüssel und herausgerissenen Straßenpfosten ist so ziemlich alles vertreten, was der betrunke Festivalbesucher in der Nacht greifen konnte und .. zumindest ansatzweise um sich schmeissen konnte. Auch die umgrenzenden Zäune sind schon deutlich bis auf Höhe der Kniekehlen herunter gedrückt worden, Zeugnisse des regen Besucherverkehrs zwischen Stadthalle und den Mainauen. Recht unangenehm dürfte es auch die Anwohner in unmittelbarer Nähe zur Stadthalle getroffen haben: Hier säumt immer wieder Müll die Gehwege und Straßen, nicht die feine englische Art sich für die Duldung des Festivals mitten in der Stadt erkenntlich zu zeigen.
Dabei kann es auch ganz anderst laufen. Im von Schwarzgekleideten dominierten Edeka wird man schnell Zeuge von angeregten Unterhaltungen zwischen Einwohnern und Metalheads, über Bierknappheit und Wurstsorten zum Beispiel. Allgemein dürften alle Geschäfte in Reichweite, die Essbares und vorallem Trinkbares im Sortiment haben, zu Zeiten des Ragnarök Rekordumsätze zu verbuchen haben. Des Einen Freud des Anderen Leid, sozusagen. Wer ganz praktisch veranlagt ist, der verkürzt die Wege zu den Einkaufstempeln und nächtigt direkt im Auto auf den großen Parkflächen vor den Supermärkten. Immerhin spart er sich dabei auch den schlammigen Aufenthalt in den Seitengraben am Mainufer.
Auch die Pensionen sollen wohl in diesem Jahr, ebenso wie die vom Veranstalter organisierten Schlafhallen, Hochkonjunktur gehabt haben.
Gut gestärkt (obwohl der ständig drehende Wind eisern versuchte, das Rührei auf dem Gaskocher zu sabotieren) und leicht verspätet entere ich zu ELEXORIEN dann wieder den Fotograben. War deren Demo noch eine sehr interessante Neuentdeckung im letzten Jahr für mich, so enttäuschte das darauf folgende Album umso mehr. Auch auf der Bühne kann dieser Eindruck nur schwer wieder wett gemacht werden, obwohl die Holländer – allen voran die äußerst umtriebige Bassistin – durchwegs sympathisch herüber kommen und mit Keyboard und Trara wild los fideln und fiepsen, ab und an unterbrochen von ein bischen Gegrunze. Zum Glück gibt es zum Abschluss dann doch noch „Dryads & Trolls“ zu hören, was den Auftritt doch noch aufwertet.
Den folkigen und melodischen Klängen von ELEXORIEN folgen die eher garstigen Gesellen von TRIMONIUM. Richtig, „Teutonnic“, „Dolch“, „Blaze“ und „Hellthrasher“ spielen Black Metal zur unchristlichen Zeit um halb Eins. Wo schon SWORN am Vortag bei mir keine großartige Begeisterung wecken konnte, scheitern auch TRIMONIUM trotz relativ interessantem schwermetallisch-musikalischem Einschlag. Im Nachhinein betrachtet könnte dies auch am dürftigen Sound gelegen haben, mit dem die Band nicht als einzige bisher zu kämpfen hatte. Allgemein erlebte der dieser nämlich mehrfach Berg und Talfahrten, oft kam er mir zu übersteuert und zu undifferenziert vor. Sicherlich auch keine allzu leichte Aufgabe bei der recht dürftigen Akustik der Stadthalle, aber stellenweise einfach zu viel (oder eben zu wenig) des Guten.
Zum Glück ist die Soundkulisse bei den folgenden TROLLFEST garnicht so wichtig. Trollmusik oder, wie mir während des Konzertes treffend einleuchtet, Folk Grind wird in schneller Manier, mit hoch schallendem Gekreische und tief gurgelndem Gegrunze, bis zum Abwinken zelebriert. Ein Segen, dass sich die Band nicht im Ansatz so ernst nimmt wie den massiven Genuss von flüssigen Kohlehydraten, auch Bier genannt. Davon muss vorallem „Trollmannen“ mit seinem amüsanten Shirt „Fat people are hard to kidnap“ mehr als einen ordentlichen Schluck genossen haben, der geht nämlich verdächtig verrückt auf der Bühne ab. Live kommen die Songs einfach nochmal deutlich druckvoller rüber, eine Band die wirklich viel ihrer Musik über die Energie geladene Show zum Hörer transportiert. Eine runde Sache.
MINAS MORGUL und THRONAR hätten dann wohl eher wieder im schwarzmetallischen Bereich weiter gewildert, weshalb ich mich lieber zu einer ordentlichen Portion Mittagessen (sofern mein Gehirn nicht alles verdrängt hat müsste es Qualitäts-Dosenfisch vom heimischen Real-Markt gewesen sein) in Richtung Auto verdrücke. Die spassigen Gesellen von nebenan sind mittlerweile fleißig dabei, sich mit den bereits erwähnten, entwendeten Straßenpfosten gegenseitig zu verkloppen und sie danach im hohen Bogen auf das Gelände des anliegenden Tennis-Clubs zu befördern. Warum genau die Herren ihre vermeintlich schwierige Kindheit ausgerechnet auf einem Festival in Vandalismus umsetzen müssen und welche Rolle die leeren 5 Liter Fässchen dabei gespielt haben müssen, das bleibt mir abermals verborgen.
Zurück also zur Musik, denn der Samstag begibt sich lansgam aber sicher in seine interessante Phase. WOLFCHANT stehen auf dem Programm, einen Auftritt den man musikalisch sicher als Heimspiel werten kann. Ich muss zugegebenermaßen etwas grinsen, als ich den Schnauzer des zweiten Axtmannes sehe, bischen optische Abwechslung muss ja auch mal, auf dem eher von Langbärten dominierten, Ragnarök sein. Dabei sollte man sich nicht zu lange mit den Äußerlichkeiten aufhalten, sonst engeht einem noch eine wunderbare Pagan-Show. Sänger „Lokhi“ biegt sich auf der Bühne hin und her und keift grimmig ins Mikrofon, die schrillen Gitarren brettern schnell die Melodiespur hinunter. Einzig die Chorstellen klingen auch live etwas schief, aber das geht im Gebrülle des Publikums ohnehin unter. Um zu erkennen, dass man sich in der Pagan-Szene mit den letzten beiden Veröffentlichungen und den bisherigen Liveauftritten einen ordentlichen Ruf und eine solide Fanbasis erspielt hat, muss man am Ende der Show wirklich weder Prophet noch besonders scharfsinnig sein.
Zweifel daran, dass XIV DARK CENTURIES die gute Stimmung nicht aufrecht erhalten können, hatte ich im Folgenden kaum. Das Publikum wohl ebenso wenig, die Reihen lichten sich nur unwirklich aufgrund wohl dringenderer Bedürfnisse wie Tabak- oder Alkoholentzug. Die Thüringer Horde dürfte wohl noch die am ehesten glaubhaft paganistisch eingestellte Gruppe des gesamten Festivals sein, und so widmet man sich zu Beginn gleich einem Appell an den Naturglauben und die Vermeidung von Müll. Bei dem allgemeinen und lautstarken Jubel, der darauf hin vor der Bühne entsteht, muss man sich doch wirklich fragen, wo wohl die Hauptmüllverursacher zu diesem Zeitpunkt gesteckt haben müssen. Seis drum, die passend gewandete Band arbeitet sich darauf hin ordentlich durch Top-Songs wie „Skithingi“ oder „Bragaful“ und sorgt damit für ähnlich begeisterte Zustände vor der Bühne, wie kurz davor noch die Kollegen von WOLFCHANT, so dass auch der Sechser aufblüht und Vollgas, pardon, ein von Ökosprit betriebenes, umweltbewusstest Tempo an den Tag legt. Anderst als am Vortag ist man mit dem Zeitplan diesesmal auch so gut unterwegs, dass sogar noch eine Zugabe präsentiert werden kann.
Der Sänger von BATTLELORE muss wohl irgendwie Wind von der Axt-Show SVARTSOTs am Freitag bekommen haben und schleppt gleich mal sein eigenes Schwertchen als Zierde mit auf das Schlachtfeld Bühne. Naja, wenns Spass macht. Allzu handlich scheint es zumindest beim Singen nicht zu sein, so dass es doch recht schnell auf dem Bühnenboden verschwindet. Besser ist das, denn die Konzentration aufs Musikalische schadet dem guten Auftritt keineswegs. Wieder bin ich etwas erstaunt, wieviel die doch eher melodisch-mainstream orientierten BATTLELORE vom Publikum noch vor Ort halten können, ich hätte mit deutlich weniger gerechnet. Zum Ende hin nimmt die positive Reaktion sogar noch zu, so dass sogar noch „Zugabe“-Rufe durch die Lichtenfelsner Stadthalle schallen. Kein Wunder, gerade die guten Stücke vom „The Third Age Of The Sun“ Album kommen richtig gut. Vielleicht liegts beim männlichen Publikum aber auch den hübschen, weiblichen Erscheinungen auf der Bühne, wer weiß.
Dann ist aber schon wieder Schluss mit Lustig, der AUFTRITT von HELRUNAR bahnt sich an. Um die als „frühe Headliner“ zu bezeichnen, muss man sich nicht sonderlich weit aus dem Fenster lehnen. Die Publikumsmassen nehmen langsam aber sicher die selben, beengenden Ausmaße wie bei Turisas am Vortag an. „Skald Draugir“ heizt den vorderen Reihen mit seinem aktiven Mimik- und Gestenspiel ordentlich zu Nummern wie „Älter als das Kreuz“ oder „Til Jardar“ ein, Black Metal wie er auch mir zusagt.
Noch mehr freue ich mich allerdings auf ARKONA, die man – der Zugkraft des Ragnarök sei Dank – endlich auch mal in Deutschland auf großer Bühne zu sehen bekommt. Zumindest mir hat die 2006 veröffentlichte Live-Scheibe ordentlich Lust auf einen Auftritt gemacht. Könnte man beim Anblick der letzten Promo-Fotos von Sängerin Masha noch auf eine in den 68ern stecken gebliebene Hippie-Schönheit schließen, so wird man spätestens beim Sturm, den das kleidungsmäßige Xena-Lookalike mit russischem Flair auf der Bühne entfacht, eines Besseren belehrt. Da wird zu russischen Folklorestücken herum getänzelt und bei den rhythmischen Stücken auf und ab gehüpft bis der nette Arzt, nein, Schamane von nebenan auf der Matte steht. Endlich verdient auch mal der Sound seinen Namen und kommt klanglich differenziert genug daher, um sogar noch die Handtrommel von Masha heraus zu hören. Auch das Publikum kennt kein Halten und springt, begeistert bei der Sache, mit der Band bis zum Ende um die Wette.
Irre ich mich, oder haben sich die Jungs von MENHIR glatt die verzierten Schilde von XIV DARK CENTURIES unter den Nagel gerissen ? Auch egal, denn ärgerlicher sind die technischen Probleme, mit denen die Band kämpfen muss. Mitten im ersten Song bricht man ab und lässt das ganze Intro nochmal von vorne laufen, was nicht nur im Fotograben für leichtes Stirnrunzeln sorgt. Danach legt man trotzdem ordentlich los und ballert im Laufe der Setlist Songs zum Beispiel „Wotans Runenlied“ von der „Ziuwari“ in die Menge, die es promt mit Crowdsurfern und vielen gereckten Hörnern dankt. Für mich zwar nicht zwingend die absolute Liveband, aber trotzdem ganz hübsch zum Zuhören vom Rand der Menge aus.
War die Running Order bis hierhin noch ganz fit im Zeitmanagement, ging sie beim Aufbau des musikalischen Großprojektes HAGGARD hoffnungslos im Technikwirrwar unter. Klar, bei soviel Band auf so wenig Bühne kommt es schnell zu Platzängsten und Rückkopplungen. Ein Glück, dass HAGGARD scheinbar kein klaustrophobisch veranlagtes Bandmitglied im Schlepptau haben. Die extra Wartezeit lohnt sich aber absolut, denn klangmäßig vollbringen die Techniker eine wahre Glanztat im Vergleich zum bisherigen Verlauf des Festivals, dabei hatte ich diesen Auftritt fast schon als sicherlich ungenießbar abgeschrieben. Die Instrumente sind ebenso klar und deutlich zu erhören wie der glockenhelle Sopran der Frontfrau, dem Albumsound wird man absolut gerecht. Geradezu euphorisch reagiert die Menschenmasse selbst auf ruhiges Material wie „Herr Mannelig“, die Großband hat sichtbar Spass und unterhält mit spassigen Ansagen. Klar, zum Ende hin dürfen Kracher wie „Awaking The Centuries“ und die Zugabe „Eppur Si Muove“ nicht fehlen. Ein Auftritt, der sicher zu meinen persönlichen Highlights zählt.
Aber auch UNLEASHED sind davon kaum entfernt. Eine ordentliche Prise grooviger Death Metal darf auch auf dem Ragnarök nicht fehlen, zumal wenigstens inhaltlich eine nicht übersehbare Verbindung besteht. Johnny Hedlund tritt auf in kultiger Lederweste nebst Motorsport-Shirt unter der Haube und gibt alles dafür, seine „Warriors“ ordentlich auf Temperatur zu bringen. Kann mit den Brettern „Midvinterblot“, „In Victory Or Defeat“ oder „Triumph of Genocide“ aber auch wirklich nicht so schwierig sein, dem Publikum das Hirn weg zu blasen. Folgerichtig verlassen die ersten drei Reihen über das Konzert hinweg auch kaum mehr den Zustand einer wacklenden, undefinierbaren Haarmasse. Alles, was beim abschließenden „Death Metal Victory“ noch auf dem Hintern sitzt, ist definitiv ein Fall für die Sani-Crew !
Danach geht es dann wieder ab in Richtung Karre, die linke Schulter endgültig abgekämpft vom Technikgeschleppe (vielleicht hätte ich die paar Bierdosen doch draußen lassen sollen) und der Kopf doch leicht am dröhnen. Zwar folgen noch VREID, NEGURA BUNGET und FIMBULTHIER, die können mich aber letztlich nicht mehr in Richtung Halle locken. Ein Bier und etwas OPETH aus dem Autoradio müssen da schon reichen, bevor ich mich mit seeligem (aber immernoch verdammt unbequemem) Schlaf auf die Rückreise vorbereite. Ein Glück übrigens, denn zur späten Stunde müssen Unbekannte wohl noch irgendwie Reizgas in die Halle geschmuggelt und gezündet haben, was für reihenweise Hustenanfälle und Augenprobleme sorgte. Für solche Dummheiten absoluter Hornochsen bleibt mir wirklich nur ein verständnisloses Kopfschütteln über.
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