Psychotic Waltz & Ghostship Octavius
Prog-Metal-Magie in Bochum
Konzertbericht
Wer an diesem Abend zum ersten Mal den Matrix-Club in Bochum aufsucht mit der Absicht, der großen Prog-Magie beizuwohnen, welche die US-Prog-Legende PSYCHOTIC WALTZ zusammen mit GHOST SHIP OCTAVIUS entfesseln würde, staunt zunächst nicht schlecht. Vor der noch geschlossenen Eingangstür des Venues sammeln sich zahlreiche Gäste mit Deutschrock-Shirts (darunter Motive von… *seufz*… FREI.WILD…) zu gefühlt Tausenden, die – um es höflich auszudrücken – nicht gerade nach dem Publikum für progressive Musik aussehen.
Das Mysterium löst sich jedoch von selbst mit der Öffnung der Türen, als sich für die Uneingeweihten herausstellt, dass an diesem Abend im Venue gleich zwei Konzerte stattfinden. So dürfen sich die Prog-Fans in den Keller verkriechen, wo sie gleich von den entsprechenden Merch-Ständen empfangen werden, aber wichtiger: nicht von Deutschrockern gestört werden, die indes zur Konkurrenzveranstaltung der „Rookies & Kings Tour 2019“ pilgern. Da darf man auf den Schock vorher noch einmal eine Hopfenkaltschale (oder ein anderes, erfrischendes Getränk der Wahl) zischen und beobachten, wie sich der längliche Raum fast bis nach hinten füllt, bevor GHOST SHIP OCTAVIUS die Bühne betreten.
GHOST SHIP OCTAVIUS zelebrieren melodischen Power-Prog
Und wahrhaftig: Die Band sieht dank entsprechendem Makeups so aus wie die Besatzung eines Geisterschiffes. Gruselig wird es musikalisch aber eher weniger, dafür umso melodischer und hymnischer. Musikalisch geht es sehr kraftvoll zu, wobei sich GHOST SHIP OCTAVIUS durchweg eine grundlegende Heaviness bewahren. Headbangtaugliche Songs und große Melodien stehen auf dem Programm, während Sänger und Bassist Adōn Fanion gesanglich über dem Geschehen thront. Die Chemie stimmt, wie auch die abwechslungsreiche Songauswahl, in der es mal flotter, mal langsamer zugeht.
Dabei ist die Band wunderbar aufeinander eingespielt. Keine Selbstverständlichkeit, da die Mitglieder aus unterschiedlichen Teilen der Welt kommen. Gitarrist Matt Wicklund (u. a. ex-GOD FORBID, ex-HIMSA) ist z. B. wohnhaft in Bulgarien, während Schlagzeuger Van Williams (v. a. ex-NEVERMORE) aus New York stammt. Und wem diese Namen etwas sagen, der dürfte auch gemerkt haben, dass GHOST SHIP OCTAVIUS keinesfalls unbeschriebene, musikalische Blätter sind. Live-Verstärkung an der Gitarre erhalten sie indes aus Schweden durch Jakob Björnfot (u. a. THE DUSKFALL), der seinem Status als Gastmusiker zum Trotze eine Stimmung macht, als gehöre er fest ins Lineup der Band.
Und die Professionalität gebietet es, dass die Band wie eine Einheit zusammenspielt. So führen die Herren sympathisch und humorvoll durch ihr Set, finden immer wieder Möglichkeiten, das Publikum anzuheizen, und spielen dabei angenehm melodischen Power-Prog, mit dem sich das Geisterschiff an diesem Abend sicher den ein oder anderen, neuen Fan an Bord holt. Nach einem runden, gelungenen Set wird es schließlich Zeit, das Feld zu räumen, um dem Hauptakt Platz zu machen. Das geschieht bei GHOST SHIP OCTAVIUS aber nicht ohne donnerndem Applaus aus dem Publikum. Den haben sie sich aber auch verdient.
Setliste GHOST SHIP OCTAVIUS:
DELIRIUM
MILLS OF THE GODS
BLOOD CASTER
EDGE OF TIME
SATURNINE
TURN TO ICE
BLEEDING ON THE HORNS
IN DREAMS
ALIVE
SATURN AND SKIES
Fast so magisch wie früher: PSYCHOTIC WALTZ
Schließlich ist es soweit: PSYCHOTIC WALTZ betreten die Bühne. Bis sie zu spielen beginnen dauert es aber noch ein bisschen. Vor dem Auftritt nimmt sich der aufgrund partieller Lähmung nach einem Autounfall im Rollstuhl sitzende Gitarrist Brian McAlpin alle Zeit, um sich einzustöpseln und seine Klampfe zu stimmen. Die Unterstützung, Geduld und Sympathie, die er von Band und Publikum dafür erhält, ist bewundernswert. Schließlich ist es soweit und die übrigen Mitglieder machen sich bereit, um das Set mit „Sleeping Dogs“ zu eröffnen und für den Rest des Abends einen Querschnitt aus dem Schaffen mit einigen neuen Schmankerln zu servieren.
Buddy Lackey a.k.a. Devon Graves erweist sich als nicht ganz in stimmlicher Bestform befindlich und kämpft ein bisschen mit den höheren Gesangspassagen, wofür er sich im Laufe des Auftrittes wiederholt beim Publikum entschuldigt. Doch seine exzentrische Bühnenpräsenz macht dieses Manko wieder wett. Allein wie er zum Opener auf die Bühne stolziert kommt, zeigt, was für eine Rampensau er doch eigentlich ist. Dazu passen seine expressiven Gesten wunderbar zu den Songs und unterhalten bestens, selbst wenn seine Vocals nicht immer sitzen. Auch das Spiel auf der Querflöte geht im nach wie vor wunderbar von der Hand.
Was dagegen durchweg sitzt ist natürlich die musikalische Darbietung seiner Kollegen, die zeigen, dass man mit PSYCHOTIC WALTZ auch 2019 immer noch rechnen sollte. Synthesizer kommen dabei aus dem Audiotrack der digitalen Konserve. Dank eines klaren Sounds gelingen die magischen Momente durchweg. Vor allem die geschickterweise hintereinander gespielten Über-Songs „Into The Everflow“ und „I Remember“ reißen das Publikum komplett mit. Unterdessen lassen die Herren die Tracks „Mosquito“, „Ashes“ und „Locust“, die von drei unterschiedlichen Alben stammen, gekonnt und beinahe fließend ineinander übergehen.
Natürlich hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass ein neues Album von PSYCHOTIC WALTZ kommt. Davon schießt die Band mit „Pull The Strings“ und „Back To Black“ gleich zwei neue Songs vor. Zu letzterem kommentiert Lackey, dass besagtes, neues Album just zu niemand geringeren als Jens Bogren in den Mix gegeben worden ist, wobei man als Veröffentlichungszeitraum Februar 2020 angepeilt habe. Nach dem Rausschmeißer „Nothing“ lässt sich die Band von den obligatorischen „Zugabe“-Rufen des Publikums für das BLACK SABBATH-Cover „Children Of The Grave“ doch noch mal auf die Bühne bitten.
Setliste PSYCHOTIC WALTZ
SLEEPING DOGS
PULL THE STRINGS
MORBID
HALO OF THORNS
NORTHERN LIGHTS
PSYCHOTIC WALTZ / ONLY IN A DREAM
HAZE ONE
MOSQUITO / ASHES / LOCUST
INTO THE EVERFLOW
I REMEMBER
AND THE DEVIL CRIED
I OF THE STORM
BACK TO BLACK
NOTHING
Zugabe:
CHILDREN OF THE GRAVE (BLACK SABBATH-Cover)
Trotz leichter Schwierigkeiten von Buddy Lackey gelingt der Band also doch ein Abend voller Prog-Magie. Und mit GHOST SHIP OCTAVIUS haben sich die US-Amerikaner zudem eine hervorragende Support-Band ausgesucht. So geht ein Abend zu Ende, der die Verwirrung vor dem Doors Open wieder vergessen gemacht hat und zeigt, dass die US-Prog-Titanen nichts verlernt haben. Das macht schon richtig Lust auf das neue Album. Aber bis Februar heißt es noch, Geduld zu wahren… und möglicherweise den Backkatalog von GHOST SHIP OCTAVIUS zu studieren.
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