PSOA Herbstoffensive IV
Wie ein unendlich fließender Strom (aus Blut)
Konzertbericht
Am zweiten Tag graut nicht nur der Morgen
Wir lecken unsere Wunden, denn auf dem nächtlichen Heimweg zum Schlafgemach hat uns die frische Luft so sehr motiviert, dass wir noch den torfigen Geschmack diverser schottischer Destillate in einem nahe gelegenen Pub genossen haben. Also legen wir schnell einen Eid ab, der uns verpflichtet, „nie wieder Alkohol“ zu trinken, und erkunden Weimar.
Wir müssen nicht lange suchen, bis wir in der Innenstadt auf die ersten Herbstoffensivler treffen. Darunter auch unsere zwei Neubekanntschaften – selbstredend mit dem ersten Fußpils in der Hand. Und so schnell hat uns das Festivalfieber wieder im Griff.
BICHTHAMMER versus WITCHMASTER
Galerie mit 10 Bildern: Bitchhammer - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023BITCHHAMMER aus Leipzig sind eine klar links positionierte Band – das tut heute sehr gut, wie wir im Tagesverlauf feststellen müssen. Auch musikalisch sind die Leipziger ein wohltuender Opener, denn die zwar einfachen, aber wirkungsvollen Riffs attackieren die Nackenmuskulatur sehr einladend. Direkt nach dem coolen Gig schlüpft die Band in den Fanmodus – zumindest den Basstard Priest sieht man immer wieder vor der Bühne.
Galerie mit 14 Bildern: Witchmaster - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023WITCHMASTER hingegen bedienen das ein oder andere infantile Klischee, zumindest was das gezeigte Artwork auf den angebotenen Merch-Artikeln betrifft. Musikalisch schieben die Polen ordentlich an und rotzen eine wilde Mischung aus Speed-Thrash und War Metal in den frühen Nachmittag. Das macht schon Laune und schickt einen eventuellen Kater vom Vortag über den Jordan.
SCHIZOPHRENIA und die Sache mit dem VoKuHiLa
Death Metal aus Antwerpen. Davon gibt es nicht viel, auch wenn die Herrschaften von SCHIZOPHRENIA auf dem Festival omnipräsent sind. Immer wieder greift der Flurfunk das Thema Merchandise auf, wobei die Belgier extrem gut abschneiden. Gleichzeitig beobachten wir, wie ein paar in der Zeit gefangene Burschen über das Gelände flanieren und sich in bester 80s-Optik geben: PiLoTenbrillen, hautenge Stretchhosen und in Locken wallende Heckspoiler inklusive. Dass es sich dabei um die Musiker von SCHIZOPHRENIA handelt, erfahren wir erst, als dieselben Gestalten wie Karnickel auf Speed über die Bühne springen und ihre Energie nicht bremsen können oder wollen. Darüber hinaus muckern die vier ein amtliches Death-Metal-Brett ins Publikum. Ein wahres Fest!
Galerie mit 14 Bildern: Schizophrenia - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023Die dunkle Seite der Medaille
Während sich DRUDENSANG mit einem überlangen Soundcheck auf ihr anstehendes Set vorbereiten, füllt sich die Halle zusehends. Gerade wird noch ein Altar auf der Bühne zurechtgerückt, als der Fronter den Tontechniker lieblos anweist, den Bedürfnissen der Musiker gerecht zu werden. Wir denken uns: Black Metal halt. Kurz danach ändert sich die Atmosphäre und wir beschließen, den Auftritt der Band nicht zu verfolgen. Wir verzichten gern darauf, den Sauerstoff mit einem völkischen Mob zu teilen, der sich mittlerweile unübersehbar in der Halle eingefunden hat.
Vielsagende Patches, die weit über das große B hinaus die Grauzone verlassen, werden stolz präsentiert und von den Veranstaltern leider toleriert – da waren einschlägige Sachen, die es nicht durch den Einlass hätten schaffen dürfen. Eine Nachfrage bei den Veranstaltern ergibt, dass man „eigentlich geschultes Personal am Einlass“ habe, das Leute in gewissen Bandshirts und Kutten mit bestimmten Patches nicht auf das Gelände lassen würde. Verändert hat sich an der Situation bis zum Ende des Festivaltages nichts.
Natürlich und glücklicherweise sind die erwähnten Personen im Verhältnis zu den Gesamtbesuchenden in der Unterzahl. Gleichzeitig sorgt die Omnipräsenz einer klaren politischen Gesinnung bei einem Event dieser Größenordnung allgemein für eine sehr störende Atmosphäre bei allen Klardenkenden und ist auch immer ein Nährboden für YouTube-Dokumentationen, die nicht jedem schmecken.
Galerie mit 26 Bildern: Drudensang - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023Gut, dass es MALEVOLENT CREATION gibt
MALEVOLENT CREATION aus Florida lindern unsere Angepisstheit mit ihrem rohen und sogleich technisch versierten Paarungstanz zwischen SLAYEResken Thrash-Explosionen und SUFFOCATION-ähnlichem Gemetzel etwas. Dabei lassen sie ab und an eine Flasche Jack Daniels auf der Bühne kreisen und schon haben sie die wenigen verbliebenen Zuschauer im Sack. Allein, wenn du „Mandatory Butchery“ mit einem derart satten Sound eingetrichtert bekommst, möchtest du dankbar auf die Knie sinken und den Death Metal lobpreisen.
Galerie mit 13 Bildern: Malevolent Creation - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023Ein vertonter Horrorfilm von AKHLYS
Du bist den schneidenden Licks und mysteriösen musikalischen Untiefen von AKHLYS verfallen? Dann musst Du jetzt tapfer sein. Sieht man von den lachhaften Hexenmasken ab, haben die Männer aus Colorado durchaus das Zeug dazu, einen Alptraum im Wachzustand auf der Bühne hervorzurufen. Doch nur mit einem Sound, der dieser Untat gerecht wird und eine genau temperierte Melange aus Fläche, Wehklagen und Angst erzeugt – mag nicht einfach sein, ist in einem gut gefüllten Club und mit einem erfahrenen Menschen am Mischpult aber machbar. Leider ist das heute nicht der Fall und so haben wir nicht wegen des dargebotenen Spuks eine Gänsehaut, sondern weil einige Frequenzen aus den Boxen wirklich eine Gräueltat für die Ohren darstellen. Schade.
Galerie mit 17 Bildern: Akhlys - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT lassen das Blut in Strömen fließen
Nach der DRUDENSANG-Show waren die Waschräume stark frequentiert. Dort haben sich einige mit viel Liebe zum Detail das mit Blut bespuckte Gesicht gereinigt. Der Mensch lernt nur selten aus seinen Fehlern und so versammeln sich dieselben Leute kurz vor dem Headlinerslot von DNS erneut in den ersten Reihen. Wieder artet der Soundcheck ein wenig aus, doch mit einer halben Stunde Verspätung und dem genial ätzenden Intro „Inception Of Atemporal Transition“ verwandelt sich der schwierige Sound vom Wochenende in ein Monster mit entblößten Lefzen und roten Augen. Geht doch!
Man kann über diese Band denken, was man will, aber schon optisch sind DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT ein Hochgenuss – insbesondere Onielar, die sich in fast jeder Songpause einen kräftigen Blutschluck aus ihrem Kelch gönnt und ihn mit einem bitteren „Tom-Warrior-Ough“ ins Publikum speit. Und der rohe, eiskalte Black Metal ritzt die Brust so lange, bis das Herz ein gefrorener Klumpen ist. Die Zuschauenden bitten DNS sogar zu einer Zugabe, was gar nicht zum spaßfreien Samstagabend passen mag. Andererseits ist das Black Metal und der pfeift ja bekannt auf jegliche Konventionen.
Galerie mit 21 Bildern: Darkened Nocturn Slaughtercult - Party.San Metal Open Air – Herbstoffensive IV 2023Für uns neigt sich ein Wochenende mit vielen überragenden Bands und einigen tollen Konzerterlebnissen dem Ende. Zugleich konnte das Event einige Qualitätsstandards vom „großen“ Party.San nicht halten und vor allem der Sound war streckenweise nur zu ertragen, wenn wir alle Toleranzreserven aufbrachten.
Wir müssen es nicht erneut vertiefen, doch die ideologisch verquere Offenheit tat der PSOA Herbstoffensive IV selbstverständlich nicht gut. Sicherlich sieht man bestimmte Motive und Bandlogos auch auf größeren Festivals, nur fällt es dort nicht so auf. Das macht es aber weder besser noch rechtfertigt es die hiesige Einlasspolitik. Wir hoffen, dass sich die Veranstalter kritisch und reflektiert damit auseinandersetzen.
Bilder: Stefan Schumann
Text: André Gabriel, Oliver Di Iorio
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