Prophecy Fest 2023
Unser Festivalbericht
Konzertbericht
Freitag, 08.09.2023
Galerie mit 47 Bildern: Prophecy Fest 2023 – Freitag Part IMit der kurzfristigen Absage von ARTHUR BROWN, der als Co-Headliner für den Samstag ausfällt, steht das Prophecy Fest bereits von Anfang an unter Druck. Da so schnell kein adäquater Ersatz gefunden wurde, entscheidet sich der Veranstalter für eine Modifikation des Spielplans und schiebt DARKHER vom Freitag auf den Samstag. Die entstandene Lücke wird mit längeren Setzeiten der Bands kompensiert. Einen Nachteil birgt das Ganze: Sämtliche vorab kommunizierten oder (ab)gedruckten Spielpläne sind nun obsolet.
YEAR OF THE COBRA (Second Stage)
Somit startet der Freitag etwas chaotisch und mit vielen verdutzten Gesichtern, als kurz nach drei nicht LASTER auf der Hauptbühne, sondern YEAR OF THE COBRA auf der Second Stage den Startschuss geben. YEAR OF THE COBRA bieten kernigen Doom Rock mit knarzigem Bass und viel Emotion. Das Duo aus Seattle überzeugt mit intensivem Sound und solidem Stageacting. Der eigenwillige Mix aus Psychedelic Doom und Rock funktioniert auch ohne Gitarren hervorragend und kommt insgesamt vor allem durch die Bühnenpräsenz von Bassistin und Sängerin Amy Tung Barrysmith um einiges authentischer zur Geltung als auf Scheibe.
LASTER (Main Stage)
Jetzt dürfen LASTER aus Utrecht endlich ran. Sie gehören bereits seit 2019 zur Prophecy-Familie und haben mit “Andermans Mijne” ein brandneues Album, das kurz vor Release steht, im Gepäck. Grund genug, sich vor allem auf neues Material zu konzentrieren. LASTER sind auf Platte mit ihrer dissonanten, verproggten Mischung aus <CODE> und VED BUENS ENDE keineswegs leicht verdauliche Kost, setzen das Konzept live aber stark in Szene. Das Zusammenspiel von Musik, ansprechendem Licht und Visuals, gepaart mit den obskuren Masken der Bandmitglieder, macht das Set auf verstörende Art und Weise zum echten Hingucker.
DISILLUSION (Main Stage)
Zu den ewigen Geheimtipps gehören DISILLUSION. Die Zwickauer Formation steuert auf dreißig Jahre Existenz zu, doch trotz größerer Erfolge blieb der Megarun bisher aus. Die Vermischung aus progressivem, dabei sehr melodischem Death Metal mit klassischen Instrumenten wie Trompete und Cello trifft nicht den Nerv eines Mainstreampublikums. Dennoch ist das Ganze eine sehr eigenständige, packende Angelegenheit, die vor allem in der Live-Umsetzung ihre speziellen Reize ausspielt. Highlight der Show ist der deutschsprachige Opener „Am Abgrund“. Das letzte Album „Ayam“ steht mit drei Tracks klar im Vordergrund, aber auch ältere Songs wie „The Black Sea“ vom zweiten Album „Gloria“ finden sich im Set. Insgesamt spielen DISILLUSION eine sehr erfrischende Show, die live vor allem durch das Aufbrechen der klassischen Heavy-Metal-Formation eine sehr individuelle Note erfährt.
1476 (Second Stage)
Nach ihrem akustischen Intermezzo im Rahmen der Overture entern 1476 die Bühne heute mit Stromgitarren. Wer die Band am Vortag gesehen hat, spürt hier deutlich die Veränderung der Grundstimmung. Trotz atmosphärischer Ruhepole erfährt „In Exile“ doch seine überraschendsten Momente in den kräftigen Gitarrenparts. Die Musik ist vielschichtig und allein die Tatsache, dass manche Songs akustisch und andere in “voller Montur” intensiver daherkommen, verleiht beiden präsentierten Sets eine angenehme Ambivalenz. Das Publikum nimmt auch die “plugged” Shows sehr wohlwollend auf und feiert die Band vor der kleinen Bühne ab.
THE VISION BLEAK (Main Stage)
Mit THE VISION BLEAK wird es schaurig auf der Main Stage. Ihr schwer von Lovecraft, Poe und Blake inspirierter Horror Metal funktioniert nach wie vor, und zum zwanzigjährigen Jubiläum von „The Deathship Has A New Captain“ gibt’s die Scheibe heute in voller Länge. Das Werk ist zeitlos und Klassiker wie „Wolfmoon“, „Horror Of Antarctica“ und natürlich „The Night Of The Living Dead“ haben über die Jahre kein bisschen Charme eingebüßt. Die Bühnenshow ist entsprechend effekt- und stimmungsvoll: dichter Nebel, gruselige Requisiten, viel Make-up und passende Kostümierung. Die Band genießt die Euphorie der Fans sichtlich und es macht einfach Spaß, beiden Seiten zuzuschauen.
Galerie mit 51 Bildern: Prophecy Fest 2023 – Freitag Part IIDARKSPACE (Main Stage)
Die kosmische Entität DARKSPACE sind eine Koryphäe im Ambient Black Metal. Nach lichtreichem Soundcheck reisen wir mit den Schweizern in weniger grelle, interstellare Sphären. Das Dreigespann legt immens Wert auf atmosphärische Dichte und präsentiert paralytische Monotonie mit pechschwarzer Erhabenheit, unerbittlich angetrieben von einem unmenschlichen Drumcomputer. Der Verzicht auf Interaktion samt methodischer Unbeweglichkeit der Musiker erzeugt eine Aura der Unnahbarkeit. Die Show bietet nur einen einzigen, bisher unveröffentlichten Track, der in Gänze etwa fünfzig Minuten in Anspruch nimmt. DARKSPACE setzen auf hypnotische Anziehung, ein Konzept, das wider Erwarten aufgeht und das Publikum zwischen Faszination und Ungläubigkeit zurücklässt.
CRONE (Second Stage)
Während DARKSPACE ihr Outro ausklingen lassen, dröhnen von der kleinen Bühne bereits die ersten Töne von CRONE. Die Band um den ehemaligen SECRETS-OF-THE-MOON-Sänger sG zelebriert knackigen Dark Rock mit gewöhnungsbedürftigen Vocals, hat es bisher aber noch nicht aus dem Underground geschafft. Die Show selbst kommt in ihrer Bodenständigkeit authentisch, soundtechnisch mittelmäßig und insgesamt etwas unspektakulär daher. Einen leichten Stand haben sie direkt vor (und nach) den übermächtigen MY DYING BRIDE definitiv nicht.
MY DYING BRIDE (Main Stage)
Mit den britischen Trauerklößen steht nach DARKSPACE der zweite “Label-Ausreißer” auf der Bühne. Die Band um Sänger Aaron Stainthorpe hat den Doom Death Metal zu einer Zeit salonfähig gemacht, als es für diese Art von Musik noch keine Schublade gab. Die Zuschauerdichte im Raum spiegelt MY DYING BRIDEs Einfluss auf die Szene deutlich wider. Während es zu Beginn des Openers „Your River“ noch leichte Soundprobleme gibt, fängt sich der Klang schnell und ebnet den Weg für einen überragenden Auftritt.
MY DYING BRIDE sind inzwischen mehr als dreißig Jahre aktiv und bei der Anzahl an Veröffentlichungen ist es unmöglich, jeden Fan mit einer Setlist zufriedenzustellen. Die Auswahl ist jedoch ehrwürdig und umfasst, abgesehen von „Your Broken Shore“ vom jüngsten Album „The Ghost Of Orion“, nur die frühen und mittleren Phasen der Band. So reihen sich ewige Klassiker wie „Like Gods Of The Sun“, das wütende „She Is The Dark“ oder „Catherine Blake“ nahtlos aneinander. Das obligatorische „The Cry Of Mankind“ darf, natürlich dankbar bejubelt, nicht fehlen. Die Performance der Band ist trotz Stainthorpes gelebtem Pathos an Unaufdringlichkeit kaum zu übertreffen. Mitleiden ist ausdrücklich erwünscht. „The Dreadful Hours“ beendet ein grandioses Set, das an diesem Abend mit Abstand als Highlight gelten darf.
AMENRA (Main Stage)
AMENRA liefern sowohl musikalisch als auch visuell eine völlig anders geartete Show als MY DYING BRIDE ab, müssen sich aber keineswegs verstecken – inzwischen haben die Belgier eine krasse Fanbase. Die Post-Metaller setzen auf garstiges Strobolicht und perfekte Videoanimationen. Sänger Colin H. Van Eeckhout steht die meiste Zeit (wenn auch nicht so häufig wie sonst) mit dem Rücken zum Publikum und schreit sich in bester Hardcore-Manier die Seele aus dem Leib. Da gibt auch der härteste Jeansstoff nach und die Buchse reißt an den Beinen auf. Musikalisch vereinen AMENRA Extreme und nehmen die Hörerschaft mit auf einen Höllentrip zwischen ruhigen Passagen und wuchtigen Parts, die bis ins Mark erschüttern. Der Bruch zum Act davor hätte kaum extremer ausfallen können, aber die vielen Anwesenden, die gemeinsam mit der Band noch einmal das Letzte aus sich herausholen, zeigt auch, wie gut ein solcher Stilmix funktionieren kann.
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