Prophecy Fest 2019
Begraben unter Liedern
Konzertbericht
ZWISCHENSPIEL I
„Ja, hier in der Höhle wurden Mammutknochen gefunden“, teilt ein ortskundiges Mitglied der Festival-Crew jedem mit der es wissen – oder auch nicht wissen – will. Der Fundort ist sogar festgehalten, dort befindet sich aber ein abgetrennter Bereich für die Technik. Ohnehin ist kaum etwas an der Höhle noch naturbelassen, von ihren Ausmaßen einmal abgesehen. Der Fels ist aus Sicherheitsgründen so bearbeitet, dass sich nicht plötzlich Steine lösen können, der Boden ist komplett gepflastert. Gegenüber der Bühne befindet sich ein Bereich, der als „Kapelle“ bezeichnet wird. Wie auch beim letzten Prophecy Fest vor zwei Jahren, finden sich in dieser großen Nische Gemälde, die je einer der auftretenden Bands gewidmet sind. Dieses Mal war David Thiérrée am Werk, der unter anderem die Logos von BEHEMOTH und MÜTIILATION gestaltet hat und inzwischen hauptsächlich als Illustrator arbeitet. Über die Qualität kann man sich freilich streiten, ambitioniert wirken die Bilder allerdings nicht. Jedes enthält das Bandlogo, das aber nur in den seltensten Fällen ins Gesamtwerk eingearbeitet scheint, sondern oft als Fremdkörper und nachträglich eingefügt wirkt – wie eben bei den meisten Album-Covern. (MT)
KATLA
Mit KATLA (benannt nach einem aktiven isländischen Vulkan) wurde es nun ziemlich rockig. Die Isländer um den ehemaligen SOLSTAFIR-Schlagzeuger Guðmundur Óli Pálmason stehen für einen Sound, der alte Heavy Metal-Schule mit einigen modernen Synthie-Elementen und diesem gewissen nordischen Duktus vereint. Das leichte Wehklagen im vielseitigen und markanten Gesang weicht an den richtigen Stellen einem mitreißenden Groove mit eingängigen Hooklines
Dabei geht es in den Stücken überwiegend recht straight nach vorne, man setzt eher auf Zugänglichkeit als auf Überraschungen. Die Power der Studioaufnahmen erreichte man in Balve meiner Meinung nach dabei allerdings nicht immer, einige Stücke plätscherten eher höhepunktarm dahin. Obgleich Guðmundur Óli Pálmason und Co. das Publikum durchaus zu animieren wussten und der Gitarrensound wirklich sehr fein getroffen war, vermisste ich live ein wenig die Wucht hinter den rockigen Songs, welche die etwas flacheren Spannungskurven der einzelnen Stücke gut hätte kontern können. Dennoch erreichten die vier Musiker einen großen Teil der Anwesenden und entfalteten in einer knappen Dreiviertelstunde eine gelöste Stimmung in der Balver Höhle. (MoG)
DISILLUSION
„There is a road that I must travel“, sangen DISILLUSION vor 15 Jahren auf „Back To Times Of Splendor“. Der Weg, den die Band vor sich hatte, zeichnete sich bereits damals ab, beeindruckend ist das Ergebnis aber dennoch. Vom damaligen LineUp ist nur noch Frontmann Vurtox übrig, der jetzt Andy Schmidt heißt und eine überaus fähige Gruppe um sich geschart hat. Auch wenn DISILLUSION nicht gerade als umtriebige Live-Band bekannt sind, spielen die Musiker eine souveräne Show, die sich auf das neue Album „The Liberation“ konzentriert.
Progressiv aber eingängig und melodisch sind die aktuellen Songs, in denen immer wieder die Death-Metal-Wurzeln der Band aufblitzen. Dass Genregrenzen in diesem Fall aber nur bloße Linien im CD-Regal sind, zeigt sich spätestens dann, wenn zu „Alea“ Trompeterin Birgit Horn die Bühne betritt und dem Sound in vervollständigender Weise eine beschwingte Epik verleiht. Die anwesenden Fans der Band mögen so einen großartigen Auftritt erwartet haben, doch der Großteil des Publikums zeigt sich angenehmen überrascht – gebannt sind beide Teile. (MT)
ALCEST
ALCEST sind eine besondere Band mit einer treuen und verschworenen Fanbase. Hörte ich mich vor dem Auftritt auf dem Gelände um, war die Vorfreude hier und da ein wenig durchsetzt von bangen Bedenken, ALCEST könnten ein wenig von ihrem Zauber verloren haben. Das gemeinsame Klatschen nerve auch, schließlich passe es nicht zur Musik. Früher habe es das nicht gegeben. Erwartete uns also nur noch eine light-Version? Mitnichten.
Seit einigen Jahren im atmosphärischen Irgendwo zwischen Post Rock und Blackgaze angesiedelt, überzeugten ALCEST von der ersten Sekunde an mit einem einnehmenden, dichten Sound.
Dieser ist weitläufig und nur noch selten rau, dabei meist sehr melodisch, mit ausladenden hypnotischen Blast Beats durchsetzt. Vielschichtige Riffs, klug miteinander verzahnt, bauen langsam aufeinander auf, sublimieren stetig und führen zu einem schwebenden Klangbild – auf diesem thront dann: das Drumming. Es ist straight, es ist klar und mächtig. Es führt alle Hörer*innen durch die Facetten und kunstvoll arrangierten Klanglandschaften.
Sehr wenige, zurückhaltend gemischte Vocals, die sich auflösen in traumartigen Flächen Teilweise fast ein wenig poppig, doch stets mit einer tiefen Melancholie und im wunderbaren Zusammenspiel mit der Balver Höhle selbst. Und das Klatschen? Ich verstehe, was mit der Kritik gemeint ist. Die Musik würde auch herrlich funktionieren, wenn man das Publikum in alter Shoegaze-Manier komplett ignorierte und es nach dem Ende der Show wortlos und mit allen düsteren Gedanken sich selbst überließe. ALCEST wählen nun allerdings einen anderen Ansatz: Das gemeinsame Klatschen erzeugte eine tiefe Verbundenheit, die intime Atmosphäre in dieser wundersamen Location wurde unterstrichen. Beim Autor und vielen Anwesenden hat das eindrucksvoll funktioniert. Die Franzosen erfüllten alle Erwartungen. (MoG)
STRID
Mit einem schmalen Portfolio im Rücken sind STRID seit einigen Jahren Live unterwegs. Die norwegische Black-Metal-Band, die in den tiefsten 90ern nicht über Demo-Status hinauskam, aber vermutlich gerade deswegen heutzutage abgefeiert wird, zockt ein hypnotisches und stampfendes Set runter. Stellenweise zieht sich der Auftritt dadurch ein bisschen, was aber auch an der fortgeschrittenen Uhrzeit liegen mag. Nach und nach ziehen STRID die Zuhörer jedoch in ihren Bann. Vor einem immer kleiner werdenden Häuflein Zuschauer in einer immer kälter werdenden Höhle, entfalten STRID eine eigentümliche Ausstrahlung. Die Songs fließen ineinander über, die düsteren Klänge hallen hinaus in die sternenklare Nacht und begleiten die letzten Zuhörer in den Schlaf. (MT)
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