Prophecy Fest 2019
Begraben unter Liedern
Konzertbericht
PROLOG
Wer das Sauerland von seiner romantischen Seite kennenlernen möchte, sollte nicht mit der Bahn anreisen. Neben grauen Bahnsteigen, hinter Maschendrahtzäunen und senfgelben Lärmschutzwänden, erblickt man triste Werkshallen und verfallende Fachwerkhäuser. Nur manchmal erahnt man die ländliche Idylle, sieht die schroffen Felswände und dichten Wälder, die diesen Landstrich so unwegsam machen. Baumreiche Hügel, in dieser Gegend beinahe Berge, erstrecken sich am Horizont. Unter einem dieser Hügel liegt sie, die Balver Höhle, Europas größte offene Hallenhöhle. Seit Jahrtausenden von Menschen als Lagerplatz genutzt, findet sie heute immer wieder als Veranstaltungsort Verwendung. Sei es für das Balver Schützenfest, einen Irish-Folk-Abend oder – wie an diesem Wochenende – das Prophecy Fest. (MT)
A FOREST OF STARS
Es gibt dankbarere Aufgaben, als den Opener bei einem kleinen, intimen Festival zu mimen. Eine etwas hektische Anreise und das hastige Aufschlagen des Spätsommerlagers sind zudem nicht förderlich, um der britischen Post-Black-Metal-Band A FOREST OF STARS angemessen zu begegnen. Zumal die Balver Höhle vor allem zu Beginn des Aufenthalts stets selbst ein wenig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht – man ist schließlich nicht alle Tage in einer Felsenhöhle zu Gast.
Die insgesamt sieben Musiker*innen, die sich nach einem Gentlemen’s Club aus dem späten 19. Jahrhundert benannt haben, stehen für einen komplexen und von vielen Einflüssen geprägten Metalsound, der viel Unterhaltung verspricht. Getragene, melodische Passagen weben kunstvoll einen feinen Stoff für den Mann von Welt, nur um ihn dann wenig später brutal von einem sägenden, animalischen Sound zerfetzen zu lassen. Den Stoff – und den Mann gleich mit.
Das erinnert an Poe, an Stevenson und auch an Lovecraft. An blutrünstigen Wahnsinn und verdrehte Gestalten. Inklusive des romantischen Kitsches und der morbiden Klischees. Die stilsicheren Outfits der Upper Class aus dem 19. Jahrhundert verstärken die Immersion. Die Musik entführt die Hörerschaft über mehrere Kapitel in okkulte, mysteriöse Geschichten menschlicher Abgründe. Dabei lebt sie von einer großen Dynamik und hohen Intensität, von einem breiten Spektrum zwischen elektronischen Sounds, Violine und Flöte.
Der Facettenreichtum gilt auch für die drei Stimmen. Beim gutturalen Gesang sind wir auf der eher wilden Seite unterwegs, er wirkt in einigen Momenten eher manisch als kontrolliert. Das ist schon auf der Platte nicht jedermenschs Sache, live fällt es durch den teils extrem lauten Mix noch mehr ins Gewicht. Mir persönlich gefällt diese wilde Attitüde von “Mister Curse”, den ich hier voller Inbrunst flehen, gurgeln und brüllen höre. A FOREST OF STARS boten mit viel Hingabe und einem guten Blick für die Details eine unterhaltsame, vielseitige Show und einen gelungen Auftakt fürs diesjährige Prophecy Fest. (MoG)
SUN OF THE SLEEPLESS
Als einzige Band des Prophecy Fest 2017 dürfen SUN OF THE SLEEPLESS, das sagenumwobene Black-Metal-Projekt aus dem EMPYRIUM-Umfeld, erneut ran. Das klassische Lineup rund um Schwadorf wird von Eviga (DORNENREICH), Martin Falkenstein (MOSAIC), Kreyder und Alsvatr ergänzt. Bewundernswert ist, wie konsequent Schwadorf seine einzelnen Spartenprojekte umsetzt. Egal ob der naturromantische Ansatz von EMPYRIUM, der goth-rockige Mummenschanz eines THE VISION BLEAK oder nunmal die schwarze Ausgestaltung von SUN OF THE SLEEPLESS – immer wird der jeweilige Stil in seiner Essenz auf die Spitze getrieben.
SUN OF THE SLEEPLESS sind heute beiweiten nicht nur die legendäre Split mit NACHTMAHR (2004), sondern insbesondere auch das fantastische Album „To The Elements“, welches vor zwei Jahren erschienen ist. Als Höhepunkt des Sets steht am Ende der beste Song des Albums „Phoenix Rise“. Großartig!
p.s.: Kleine Abwandlung klassischer Live-Review-Retortensätze: Die Band lässt sich nicht von unerwarteten Windows-Updates aus der Ruhe bringen. (SW)
FARSOT & COLDWORLD
Nach diesem erstklassigen Start wartet bereits der nächste Höhepunkt auf das Balver Publikum. Der weltweit erste Live-Auftritt des DSBM-Projekts COLDWORLD, von dem u.a. „Melancholie²“ (2008) im Gedächtnis geblieben ist, wirft seine Schatten voraus. Das dieser Auftritt überhaupt möglich ist verdankt das Prophecy Fest einer Zusammenarbeit mit den thüringischen Black-Metallern von FARSOT, welche die Instrumentalfraktion stellen. Der Gedanke eines Liveauftritts geisterte schon lange durch den Kopf von Georg Börner, dem Mann hinter COLDWORLD. Und ja, COLDWORLD und FARSOT, da klingelt es doch? Tatsächlich haben beide Bands bzw. Projekte im letzten Jahr eine gemeinsame Split-Veröffentlichung namens „Toteninsel“ herausgegeben. Eben jene Split-Veröffentlichung stellt sodann auch den Grundstock der Setlisten. Während FARSOT vertrackter unterwegs sind, zielen COLDWORLD mit markerschütternden Schreien, purer Tristesse und überbordender Melancholie direkt ins Herz. Ein denkwürdiger Auftritt. (SW)
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