Primordial & Swallow the Sun - Heathen Crusade to Doomsday Tour 2022
Vom irischen Tod und finnischem Schwermut
Konzertbericht
Nach zwei Jahren ist die Konzertsaison endlich wieder eröffnet. Natürlich gab es auch zu Pandemiezeiten hier und da kleinere Konzerte, aber durch den Wegfall aller Beschränkungen, können Konzerte nun wieder regelmäßig und im großen Stil stattfinden. Wer könnte daher für einen Wieder-Einstand passender sein als die irische Über-Band PRIMORDIAL. Das denken sich auch viele Kuttenträger aus Berlin und Umland. Schon nach dem Set der ersten Vorband ROME ist die Halle gut gefüllt. Kein Wunder, denn direkt danach tritt mit SWALLOW THE SUN keine Unbekannte auf. Die finnischen Melodic-Death-Doom-Veteranen treten hier auch nicht umsonst als Co-Headliner auf. (Ursprünglich gehörte der Slot MOONSORROW. Da es sich hierbei um nachgeholte Termine handelte, konnten sie nicht mehr teilnehmen.)
Von Vorfreude und verpassten Chancen
Ich spreche wahrscheinlich allen Lesern aus der Seele, dass sich die vergangenen zwei Jahre wie zähes Gummi angefühlt haben. Monat für Monat veröffentlichen Bands um Bands ein gutes (oder weniger gutes) Album nach dem anderen und man sehnt sich danach, die neuen (und alten) Songs endlich live präsentiert zu bekommen. Endlich wieder das olle Schwarze überziehen und mit einem Haufen anderer Verrückter die Nackenmuskulatur zu trainieren und den Schweiß des Vordermannes (oder Frau) zu spüren.
Am 19.04.2022 war es für viele so weit, denn PRIMORDIAL lockeen im Zuge ihrer „Heathen Crusade to Doomsday Tour“ ins Berliner Lido. Auch wenn viele der Anwesenden schon alte Konzerthasen sind. Nach über zwei Jahren Abstinenz ist vielen die Anspannung und Vorfreude anzusehen. Auch wenn so mancher „alter Hase“ versucht, es sich nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Das aus Luxemburg stammende Neofolk/Industrial-Projekt ROME betrat als erstes die Bühne und kann schon einige Musikliebhaber in den Saal locken. Aus terminlichen Gründen, konnte ich das Set nicht sehen. Aber nach den Gesichtern der Fans zu urteilen, haben diese überzeugt.
SWALLOW THE SUN im Rhythmus der finnischen Melancholie
Nach einer nicht allzu langen Umbauphasen betreten SWALLOW THE SUN die Bühne und präsentieren sich nach zwei Jahren Pause routinierter denn je. Ein ums andere sitzen die heftigen Doom-Riffs bis zum letzten Song und sorgen für stetig fliegende Haare in den ersten Reihen. Im klaren Fokus der Setlist stehen vor allem die neueren Songs, bei denen Sänger Mikko Kotamäki seine wunderbar melodische Stimme vollends entfalten kann. SWALLOW THE SUN ruhen sich aber nicht auf ihren letzten beiden Alben aus. Auch ältere Klassiker, die noch mehr Death-Metal-Wumms besitzen, werden immer wieder gespielt. Das freut natürlich besonders die Fans der alten Schule. Als Co-Headliner spielen SWALLOW THE SUN ein über einstündiges Set, dass eigentlich keinen Fan hungrig zurücklässt. Das ist auch dem Ton zu verdanken, der bei jedem Song nahezu perfekt sitzt.
PRIMORDIAL – Die Könige Irlands in Berlin
Nachdem sich die Trommelfelle etwas erholen konnten, ist es so weit und PRIMORDIAL betreten unter tosendem Applaus die Bühne. In gewohnter Manier gelingt es Frontmann A.A. Nemtheanga schon vor den ersten Tönen von „Where Greater Men Have Fallen“, die Meute in die richtige Stimmung zu bringen. Kein Wunder also, dass vor allem der Chorus lautstark mitgegrölt wird. Schlag auf Schlag und nur unterbrochen von Nemtheangas immer gleichen und teilweise unnötigen Reden von Freiheit und Frieden geht es weiter mit Klassikern wie „No Grave Deep Enough“ und „Nail Their Tongues“ oder „The Mouth of Judas“.
Man mochte fast gar nicht glauben, dass es für viele das erste Konzert nach über zwei Jahren gewesen ist. Alles fühlt sich an wie früher. Man ist wieder eine Einheit mit schwarzer Masse und geiler Musik. Hier ist es vor allem auch der enigmatischen Ausstrahlung von Nemtheanga zu verdanken, dass man sich gleich von Beginn an wieder geborgen fühlt. Natürlich sind PRIMORDIAL nicht die erste Band, die seit der Aufhebung der pandemischen Vorschriften in Berlin gespielt hat. Dennoch fühlt es sich fast so an, als ob diese zum endgültigen Befreiungsschlag vieler Metal-Fans gerufen haben.
Allen Widrigkeiten zum Trotz
Leider bleibt es nicht gibt einfach mittendrin den Geist auf. Unbehagen breitet sich bei Nemtheanga und Bandkollegen aus. Denn der Fehler lässt sich nicht so schnell beheben. Kann das Konzert weitergehen? Muss alles frühzeitig abgeblasen werden? Wie lange wird es dauern, bis es weitergehen kann? Um die Wartezeit zu überbrücken stellt sich Schlagzeuger Simon O’Laoghaire kurzerhand hinters Mikrofon und singt (sehr beeindruckend) ein traditionelles, irisches Volkslied. Sowas sieht man auch nicht alle Tage auf einem Metal-Konzert.
Nach gefühlt endlos langer Zeit, ist der Fehler dann (vorerst) behoben und PRIMORDIAL müssen sich alle Mühe geben, die Meute wieder einzuheizen. Diese lassen sich aber die Anspannung nicht anmerken. Profis eben. Doch nach kurzer Zeit kommt die Anlage erneut an ihre Grenzen. Nemtheanga kommentiert es nur noch trocken mit: „Meine Wangenknochen sind zu scharf für die PA-Anlage.“ Dennoch wächst die Anspannung nicht nur bei der Band. Auch das Publikum zeigt sich sichtlich genervt von dem Ausfall und der ebenfalls sehr langen Wartezeit.
PRIMORDIAL werden politisch
Nach dem zweiten Ausfall der Anlage fällt es PRIMORDIAL spürbar schwerer, das mittlerweile leicht ermüdete Publikum wieder richtig in Fahrt zu bringen. Der Ausfall fällt mitten in das Intro zu „To Hell or the Hangman“, den sie nun zum zweiten Mal ankündigen. Dennoch gelingt es ihnen, noch einmal die Kurve zu kriegen. Mit einem politischen Kniff. In der Einleitung zu „The Coffin Ships“ berichtet Nemtheanga, dass der Song eigentlich die Große Hungersnot in Irland des 19. Jahrhunderts behandelt. Angesichts der aktuellen politischen Ereignisse widmen sie den Song aber kurzerhand den Opfern des Ukraine-Krieges. Das wird vom Publikum mit tosendem Applaus empfangen und all die Wut auf diesen Konflikt scheint sich im Moshpit zu entladen.
Als PRIMORDIAL das vorletzte Stück vor der Zugabe ankündigen beginnen sich die Reihen schon langsam zu lichten. Kein Wunder, denn die Uhr zeigt du diesem Zeitpunkt schon 23.30 Uhr an. Zu spät, wer am nächsten Tag arbeiten muss. Andere haben es sich auf den Sitzbänken am Rand gemütlich gemacht und dösen vor sich hin. Eine allgemeine Müdigkeit macht sich im Publikum breit. Auch ich muss das Lido vorzeitig verlassen (dank dem ÖPNV). Der Security am Eingang hätte es mit „Wann hören die denn mal endlich auf zu Spielen?“ nicht treffender formulieren können.
Es ist PRIMORDIAL hoch anzurechnen, dass sie das Konzert trotz technischer Problemen nicht abgebrochen haben. Auch, dass sie das komplette Set bis zum Ende spielen wollten, wurde sicherlich von den eingefleischten Fans dankend entgegen genommen. Dennoch hätte die Band das Set vielleicht um ein bis zwei Songs kürzen können. Allen Debakeln zum Trotz haben PRIMORDIAL trotzdem in gewohnter Manier abgeliefert und vielen einen wunderbaren Konzertabend geliefert, der noch lange in den Ohren hallen wird.
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