Porcupine Tree
Porcupine Tree und Rose Kemp live in Berlin
Konzertbericht
Nach einem ausgedehnten, einlullend-meditativen Intro (man macht es spannend) treten die Meister des komplexen, vielschichtigen Prog-Rocks an zu einem Auftritt, der dem Attribut „perfekt“ sehr nahe kommen sollte. Das wiederkehrende, satte Riff zu „Occam’s Razor“ ertönt, und ohne viel Gerede spielen PORCUPINE TREE fortan die komplette erste CD ihres aktuellen Albums „The Incident“ von vorne bis hinten durch. Die Soundqualität ist optimal, jedes kleine Detail sitzt, die Feinheiten sind deutlich herauszuhören; fast alles ist live gespielt, nur wenige Samples komplettieren in feinen Nuancen das Set. Die Drums von Gavin Harrison donnern mit Hall und reichlich Schmackes durch den Raum, Bassist Colin Edwin komplettiert das Rhythmusgerüst mit seinem variablen Spiel, Keyboarder Richard Barbieri drückt mit seiner einzigartigen Spielweise den sphärischen Kompositionen seinen Stempel auf. Mittig platziert agiert der trotz seiner 42 Jahre jungenhaft wirkende Maestro Wilson: Oft wechselt er seine Gitarren, spielt selbst komplizierte Parts mit beeindruckender Sicherheit und klagt dazu stimmlich die Welt an. Unterstützt wird er durch den ebenso brillant agierenden John Wesley, der stets und nur auf Live-Gigs zum Einsatz kommt.
Es ist kaum ein Unterschied auszumachen zwischen Studio-Album und Live-Set, was im Falle von PORCUPINE TREE durchaus als Kompliment gewertet werden darf, denn nur herausragende Musiker vermögen ein solch anspruchsvolles Klangkonstrukt mit vielen Breaks und Tempi-Wechseln dergestalt auf der Bühne umzusetzen. Hier sind ausnahmslos Könner und Perfektionisten am Werk, selbst der Bildersturm auf der Leinwand passt sich flüssig in die Choreografie des Geschehens ein. Das Publikum ist rasch eingenommen: Mal schließen einige andächtig die Augen und genießen getragene, psychedelisch-fragile Parts, um im nächsten Moment mit brachialen Gitarren aus dem Bann zu erwachen und kräftig mitzubangen. Zu Höhepunkten des ersten Konzertteils geraten das fulminante, in zahlreichen Ebenen verschachtelte 12-Minuten-Epos „Time Flies“ und das letzte Stück „I Drive The Hearse“. Dann, Stichwort perfekte Choreografie, geht die Band von der Bühne, eine digitale Uhr auf der Leinwand zählt den Countdown von 10 Minuten runter auf null, und exakt in dem Moment steht das Quintett zum zweiten Teil bereit, der den ersten noch locker übertreffen sollte.
Bombastisch tönen ältere Stücke zu einem Best-Of der besonderen Art: Es geht los mit „The Start Of Something Beautiful“ (wie passend) und – zu meiner persönlichen Freude – dem selten gespielten Kracher „Russia On Ice“, gefolgt von einer göttlichen Version von „Anesthetize“ (Part 2). Was für ein Auftakt! Wilson geht nun mehr und mehr aus sich heraus, das Publikum legt auch noch mal eine Schippe zu, und so werden „Lazarus“, „Strip The Soul“, „.3“, und „Normal“ folgerichtig mit Ovationen abgefeiert, bis schließlich mit „Bonnie The Cat“ das offizielle Set beendet wird.
Klar, dass nun lautstark Zugaben gefordert werden, und auch diese haben es in sich: Mit zwei Ohrwürmern vom „In Absentia“-Album, Wilsons Abrechnung mit dem Musicbiz „The Sound Of Muzak“ und – natürlich, darauf haben wohl alle gewartet – „Trains“ als Sahnehäubchen findet das Konzert seinen würdigen Abschluss.
Es ist sicher nicht alles Gold, was glänzt: Einige Songs von PORCUPINE TREE haben ihre Längen, einiges ist einen Tick zu verfrickelt und kopflastig, nicht alles zündet. Und sich nur an perfektem Spiel, Sound und Visuals zu ergötzen bringt nicht viel wenn die Emotionen ausbleiben. PORCUPINE TREE haben aber glücklicherweise genügend Songs zu bieten, die mitreißen und auch dieses Bedürfnis befriedigen, das haben sie in Berlin in beeindruckender Manier bewiesen. So bleibt als Fazit nur zu vermerken, dass ich jedem, der auf progressiv-sphärisch-psychedelisch-rockende Musik steht, nur wärmstens empfehlen kann, sich die Briten mal live anzuschauen – es gibt nicht viele Bands auf dem Planeten, die an das gezeigte Niveau heranreichen.
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