Party.San Metal Open Air 2023
Der große Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: Obituary, Hypocrisy, Enslaved, Deicide, Dying Fetus, Kataklysm, Nile, Borknagar, Tribulation, Decapitated, Endstille, Destroyer 666, Midnight, Immolation, Archspire, Illdisposed, Impiety, Gatecreeper, Urgehal, Skinless, Angelus Apatrida, Kanonenfieber und Ellende
Konzert vom 10.08.2023 | Flugplatz Obermehler, Schlotheim

Samstag, 12.08.2023 – Hauptbühne

ATOMWINTER – Dicker Sound zur Mittagszeit

Galerie mit 12 Bildern: Atomwinter - Party.San Metal Open Air 2023

Nanu! So eine breitschultrige Lautstärke ist an diesem Wochenende nicht immer aus der PA gekommen. Ausgerechnet mit dem Openingslot für den letzten Festivaltag knallen ATOMWINTER die letzten Sandkörnchen aus den Augenwinkeln. Und das macht die Band mit ihrem Brutalo-Death-Metal wirklich gut. Die Songs waren schon immer ein Fausthieb in die tiefer liegenden Körperstellen.

Leider haben ATOMWINTER seit dem Sängerwechsel auf Platte ein wenig nachgelassen und so stellt die aktuelle Veröffentlichung „Sakrileg“ eine mittelprächtige Untat in Sachen Death Metal dar. Ähnlich lässt sich der heutige Gig beschreiben. Nicht etwa, weil er untight ist oder sich der kurzfristig eingesprungene Ersatzmann am Bass die Songs nicht draufgeschafft hätte. Die Band versprüht nach all den Jahren einen mitunter ungelenken Charme auf der Bühne. Gerade Sänger Florian Bauer merkt man an, dass er nicht als Rampensau geboren wurde. Das ist schade, denn dadurch wird das Bild von ATOMWINTER als Liveact unnötigerweise verzerrt.

FROZEN SOUL – True Death Metal aus Texas

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Der frühe Samstag ist ein Traum für alle BOLT-THROWER-Fans: Erst der gefeierte Auftritt von SPEARHEAD im Zelt und kurz danach die Amis von FROZEN SOUL auf der Main Stage. Die machen keinen Hehl aus ihren Einflüssen, Bassistin Samantha Mobley trägt sogar ein Shirt der britischen Legenden.

Fronter Chad Green ist ordentlich auf Krawall gebürstet, möchte immer wieder den größten Pit des Festivals sehen – und nimmt sich sogar selbst auf die Schippe, als er sich mit dem Spruch „Everything’s bigger in Texas“ auf seinen stattlichen Bauch klopft. Überhaupt zeigt sich Green als Sympathiebolzen – auch mit seiner ehrlichen Ansage darüber, wie sehr sich die Texaner freuen, ihrer Heimat zu entkommen und Europa bereisen zu dürfen.

Ansonsten ist humorloser, aber verdammt effektiver Death Metal mit Topsound angesagt. Oder auch: „True Death Metal, Motherfuckers“! Die Partysanen danken es mit Dauer-Circlepits und frenetischem Jubel.

SPECTRAL WOUND – Diabolischer Black Metal par excellence

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Von den geschätzten Kollegen bereits zum heimlichen Headliner des ZappenDuster Open Air 2023 erkoren, untermauern SPECTRAL WOUND auch auf dem Party.San 2023 ihren Ruf als ausgezeichnete Liveband. Eine für diese frühe Uhrzeit überraschend große Menschenmenge vor der Bühne scheint diese Einschätzung zu teilen und feiert die Kanadier für ihren finsteren, skandinavisch angehauchten Schwarzmetall alter Schule. Sänger Jonah liefert in Lederjacke und schwarzen Handschuhen große Black-Metal-Gestik und unterstreicht das Dargebotene in ausladenden Posen. Dramatisch ist das immer, aber nie überzogen.

Auch wenn der Sound etwas verwaschen rüberkommt und technische Probleme an der Gitarre den Auftritt ein wenig holprig erscheinen lassen, sind SPECTRAL WOUND mit ihrem Auftritt durchaus zufrieden und verabschieden sich mit ausgiebiger Verbeugung vom begeisterten Publikum. Und von uns gibt es den völlig verdienten GORGOROTH-Gedächtnispreis in Gold dazu.

SKITSYSTEM – Punkattitüde auf dem Party.San

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No Speed – No Punk! So lautet das Motto der Crust-Punk-Legende SKITSYSTEM. Wer sich aufgrund alkoholreicher Vorabende noch in grummeliger Stimmungslage befindet, ändert das spätestens jetzt. Die Männer von SKITSYSTEM haben nicht nur einen guten Sound und spielen ein absolut tightes Set, bei dem alles sitzt – sie übertragen auch eine positive Energie auf das Publikum, die viel mit der sympathischen Ausstrahlung der Band zu tun hat.

Der Wechselgesang zwischen den beiden Gitarristen bringt Abwechslung auf die Bühne und auch die SKITSYSTEM-Fahne auf den Marshallboxen mit der Aufschrift „No Speed – No Punk“ fällt auf. Kurzzeitig verabschiedet sich eine Gitarre, weil versehentlich ein Kabel gezogen wurde. Das sorgt aber nur für eine noch stärkere Punkattitüde. Verdammt, das macht auch trotz gesellschaftskritischer Themen unglaublich Bock!

ELLENDE – Ergriffene Menschen im Regen

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Pünktlich zu Beginn des Sets von ELLENDE öffnen sich die Himmelsschleusen über Schlotheim, weshalb viele ins Zelt oder zurück auf den Campground ziehen. Allen, die den kurzen Schauer aushalten, bietet sich verdammt emotional dargebotener Post Black Metal bei bestem Sound, der trotz Tageslicht und großer Bühne interessanterweise besser funktioniert als im Vorjahr bei den Landsleuten von ANOMALIE im Zelt.

Das liegt vor allem an Mastermind L.G., der mit seiner Bühnenpräsenz sofort fesselt, auch wenn ihm die dunklen Wolken samt Regen dabei durchaus zu Hilfe kommen. Es herrscht eine merkwürdig bedrückte Stimmung, fast schon wie auf einer Beerdigung – und das ist hier keinesfalls negativ gemeint. Die tiefe Traurigkeit des Songmaterials sorgt eher für ergriffene Zuschauer als für Partystimmung. Daher gilt: alles richtig gemacht.

SKINLESS – Der amerikanische Traum ist hier

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Nach 15 Jahren Europause geben sich die Amerikaner von SKINLESS wieder die Ehre. Die Band, die in der Death-Metal-Sturm-und-Drang-Phase von Relapse eines der Schlachtrösser war, gibt sich mit einem Oldschoolset die Ehre. „Progression Towards Evil“ und „Foreshadowing Of Our Demise“ sind wegweisend im Brutal Death Metal und haben ohne großartige technische Spielereien einfach alles weggeblasen.

Die Band hat das Festival gut im Griff, agiert solide, top gelaunt und mit Durchschlagskraft. Sänger Sherwood unterhält die Menge mit seinem Stageacting und seinen Ansagen hervorragend („Mein Hut, der hat drei Ecken“, hat er in der Schule gelernt und nicht vergessen) und erinnert mit Cowboyhut mehr als nur dezent an BRUTAL TRUTH.

Die ganze Show ist eine gelungene Nostalgienummer und mit der Ami-Brutalo-Keule ein echter Gegenwind zum melodischen Schwedenprogramm. Tracks wie „The Optimist“ oder „Tug Of War Intestines“ machen jedenfalls ordentlich was her.

IMPIETY – Für eine Handvoll Patronengurtträger

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„We are the mighty IMPIETY!“ Klar, die finsteren Gesellen aus Singapur umweht ein gewisser Kult, aber sich selbst so zu bezeichnen – sagen wir, es ist mutig. Nun ist War Metal natürlich nicht die Mucke für Feingeister, aber man muss ehrlich sein: Was IMPIETY hier zocken, ist schon extrem grobschlächtiger Kram. „1-2-3-Ba-Ba-Ba-Bam“ umschreibt es wohl treffend.

Der brutale Verzerrer auf dem Mikro von Shyaithan macht nicht nur Überstunden, sondern ist bei den Ansagen auch unfreiwillig komisch. Trotz einer Extraportion Feuer auf dem Drumriser zieht das alles wirklich nur eine Handvoll hartgesottener Patronengurtträger vor die Main Stage, die das stumpfe Geprügel ernsthaft abfeiert – der Rest winkt ab. Realistisch betrachtet wäre die Band im Zelt deutlich besser aufgehoben.

IMMOLATION – No Words Needed?

Wann immer selbst ernannte Death-Metal-Bundestrainer zu Wort kommen, fällt früher oder später der Name IMMOLATION. Nach elf Alben und 25-jähriger Bandgeschichte ist das auch vollkommen nachvollziehbar. Und doch: Bands wie MASSACRE und INCUBUS scheinen stets einen höheren Kultstatus als die New Yorker zu haben, was man auch daran merkt, dass vor der Bühne mehr los sein könnte. Dabei machen IMMOLATION gar kein großes Brimborium, verzichten auf ein Backdrop und zimmern ihren fiesen Oldschoolsound direkt in die Gesichter der Besucher:innen.

Parallel spielen die viel genannten ARSGOATIA auf der kleinen Bühne, was vermutlich eine große Zahl an Festivalgänger:innen neugierig macht und ins Zelt pilgern lässt. Dadurch verpassen viele ein handfestes Death-Metal-Gerangel, das leider vornehmlich mit Songs vom aktuellen Album „Acts Of God“ besetzt ist und einige Klassiker vermissen lässt.

ENDSTILLE – Totale Dominanz?

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ENDSTILLE feiern nach zehn Jahren den Release des neuen Albums „DetoNation“. Mit ebendieser Nummer starten sie auch die Show (Esmeralda leistet das Nötige) und ballern direkt los. Probleme mit den Monitoren dämpfen die kompromisslose „Dominanz“ leider schnell, was dem Gesamtbild des Auftritts ein wenig an Durchschlagskraft raubt.

Die Kieler machen das Beste daraus, ihr Spielfluss wird aber immer wieder unterbrochen. Bald ist eine allgemeine Unsicherheit spürbar und die Versuche, sie zu überspielen, gelingen nur teilweise. Für alle, die sich auf den Gig gefreut haben, gibt es trotz aller Widrigkeiten das volle musikalisch Schlachtprogramm.

Neben Klassikern wie „Conquest Is Atheism“ und „Frühlingserwachen“ präsentieren ENDSTILLE zwei weitere Tracks vom kommenden Album, die die Spannung bis zum Release ordentlich befeuern. Der vorab veröffentlichte Track „Jericho Howls“ und das gänzlich frische „Pro Patria Mori“ passen gut ins aktuelle Set. Insgesamt darf man von einem gelungenen Auftritt sprechen, auch wenn es bei perfekten Soundverhältnissen noch brutaler zur Sache gegangen wäre.

BORKNAGAR – Norwegische Viking-Metal-Legenden, zum Ersten

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Das Set von BORKNAGAR steht klar im Zeichen der beiden jüngsten Veröffentlichungen „True North“ und „Winter Thrice“. Progressiv und getragen geht es bei den Norwegern heuer zu, die Soundmischung aus 70er-Jahre-Rock, Folk und Black Metal lädt eher zum entspannten Zuhören denn zum enthusiastischen Abgehen ein. Sogar das bereits zurückhaltende „Voices“ wird in der Mitte des Sets ausschließlich mit dem Keyboard und somit noch minimalistischer inszeniert, als der Titel auf Platte ohnehin angelegt ist.

Damit sind BORKNAGAR am heutigen Tag soundtechnisch eine willkommene Abwechslung, geradezu ein Ruhepol zwischen all dem ruppigen War, Death und (Punk) Black Metal – auch wenn ihr verträumter Sound fast ein wenig untergeht. In Ergänzung zum später folgenden Auftritt von ENSLAVED hätten ein paar Songs von den ersten Alben – wenigstens von der „The Archaic Curse“ –ganz gut gepasst.

KATAKLYSM – Überraschender Totalabriss

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Seien wir ehrlich: Trotz des prominenten Slots der Kanadier sind vermutlich die wenigsten Party.San-Besucher wegen KATAKLYSM nach Schlotheim gekommen. „Generisch“ oder „Mainstreammist“ hört man die Verschränkte-Arme-Fraktion im Vorfeld ätzen. Aber wie es manchmal so ist, wenn die Erwartungen niedrig sind: Plötzlich wird man umgehauen.

„We shall end this in the right way, in the Death Metal way“ skandiert Maurizio Iacono vollmundig von der Bühne – aber genau das liefert er anschließend auch. Es dauert zwar ein wenig, bis er das PSOA-Publikum in der Tasche hat, doch dann funktioniert es so richtig. Offenbar verstehen langsam alle, dass KATAKLYSM die letzte Chance auf Death Metal beim Party.San 2023 sind. Außerdem möchte natürlich niemand im Security-Stress-Test-Wettbewerb gegen das Brutal Assault abstinken. Und tatsächlich: So viele Crowdsurfer auf einmal hat das Festival zumindest in diesem Jahr definitiv noch nicht gesehen.

Die clever aufgebaute Setlist lockt die Partysanen immer mehr aus der Reserve. Dabei ist die gesamte Band ohnehin tight as fuck. Am Ende wird das Set von KATAKLYSM zur Lehrstunde dafür, wie man ein Publikum, das eigentlich schon müde ist, nochmal ordentlich bei den Eiern packt. Das war mindestens professionell – und ziemlich geil, wenn man ehrlich ist.

ENSLAVED – Der perfekte Festivalabschluss mit „Vikingligr Veldi“

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ENSLAVED geben ihr Debütalbum „Vikingligr Veldi“ zum Abschluss des Party.San 2023 in Gänze – zum ersten Mal außerhalb Norwegens. Schon die Ankündigung dieses speziellen Sets ließ jedes Fanherz höherschlagen. Allerdings dauert es nach dem heftigen Abriss von KATAKLYSM und der knapp Dreiviertelstunde Umbauzeit, bis das deutlich reduzierte Publikum wieder in Gang kommt und die Müdigkeit aus den Knochen schüttelt. Aber man wisse ja, dass bereits drei Tage Festival in den Zuschauenden stecken, erklärt Frontmann Grutle Kjellson gnadenvoll.

ENSLAVED zeigen dennoch Spiellaune und ziehen das Publikum langsam, aber sicher in ihren Bann. Es ist schlicht faszinierend zu beobachten, welche überragenden Songs die Norweger vor knapp dreißig Jahren als Heranwachsende erschaffen haben und mit welcher Hingabe sie diese Titel auch heute noch auf die Bühne bringen – gerade Charmebolzen Ivar Bjørnson nimmt immer wieder Kontakt mit dem Publikum auf und freut sich über die Reaktionen.

Grutle macht in seinen Ansagen auch einen kurzen Ausflug in die Geschichte der Band: Man sei nun mal in Deutschland und da gelte es auch, die deutschen Einflüsse auf ENSLAVED zu würdigen. Die sind besonders in der kosmischen Musik von AMON DÜÜL II und bei KLAUS SCHULZE zu finden, so der Sänger.

Die knapp fünfzig Minuten „Vikingligr Veldi“ vergehen wie im Flug und ENSLAVED verlassen anschließend fix die Bühne, um für eine finale Zugabe zurückzukehren. Und was für eine Zugabe das ist: Als die ersten Töne von „793 (Slaget Om Lindisfarne)“ erklingen, dürfte so manche Fanträne kullern – diesen viertelstündigen Klassiker von „Eld“ noch auf „Vikingligr Veldi“ draufzulegen, rundet das wirklich gelungene Set und das Viking-Metal-Legenden-Paket perfekt ab.

ENSLAVED gelingt ein mehr als würdiger Abschluss des diesjährigen Party.San 2023 und ein Auftritt, der ob seiner Intensität doch noch überrascht. Chapeau, ENSLAVED.

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05.09.2023

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