Co-Headline-Tour 2020
Die Nu-Metal-Welle schwappt zurück!
Konzertbericht
Wer Anfang des Jahrtausends zum ersten Mal mit Metal in Berührung kam, hat höchstwahrscheinlich auch die Hochphase von Bands wie LINKIN PARK, LIMP BIZKIT oder KORN hautnah miterlebt. Nu-Metal stand bei der jungen Generation nicht nur hoch im Kurs, sondern war dank des zeitgemäßen Sounds und der Vielzahl an neuen, trendigen Bands gewissermaßen die optimale Einstiegsdroge in härtere Gefilde.
Und auch wenn der Hype um einstige Szenegrößen inzwischen eindeutig abgeklungen ist, dürfte eine Co-Headline-Tour von PAPA ROACH und HOLLYWOOD UNDEAD für viele Fans ein Pflichttermin sein, um seinen einstigen Idolen noch einmal zu huldigen. Ob die Zeitreise in die frühen 2000er live (noch) funktioniert und wie sich die neuen Songs von Jacoby Shaddix & Co. auf der großen Bühne machen, lest ihr hier. Obendrauf gibt es – wie gewohnt – erstklassiges Bildmaterial vom geschätzten Kollegen Michael Mai aus Offenbach.
ICE NINE KILLS – Cineastisches Breakdown-Gemetzel
Galerie mit 25 Bildern: Ice Nine Kills - Europatour 2020 in Offenbach am MainWährend sich die vorderen Reihen langsam füllen, stimmt das unheilvolle Titelstück von John Carpenters Horrorklassiker „Halloween – Die Nacht des Grauens“ das Publikum atmosphäretechnisch wie thematisch auf das bevorstehende Set von ICE NINE KILLS ein. Der Gesamteindruck passt, schließlich zollen die fünf Metalcore-Metzger auf ihrem neusten Album „The Silver Scream“ legendären Schockern wie „Freitag der 13.“, „Shining“ oder „Der Weiße Hai“ Tribut. Mit „Stabbing in the Dark“ eröffnen die eingefleischten Filmfans ihre Show dementsprechend fulminant und sorgen auf Anhieb für mörderische Stimmung.
Neben donnernden Breakdowns, messerscharfen Riffs und dem vielseitigen Gesang ist auch optisch einiges geboten: Frontmann Spencer Charnas erweist sich als Mann der vielen Gesichter, wirft sich für jeden einzelnen der (leider nur!) sechs Songs neu in Schale und hat stets das passende Requisit parat. So schwingt er – verkleidet als Leatherface – zu „SAVAGES“ dessen ikonische Kettensäge oder wetzt in voller Freddy Krueger-Montur bei „The American Nightmare“ hämisch grinsend seine Klingenfinger. Insgesamt überzeugen ICE NINE KILLS an diesem Abend in jeglicher Hinsicht: Schonungslose Schädelspalter wie „Thank God It’s Friday“ ballern auch an einem Montagabend mit voller Wucht durch die Halle und werden vom Publikum dementsprechend ausgiebig honoriert. Die Bostoner liefern mit ihren von blutrünstigen Hollywoodstreifen inspirierten Songs live das ganz große Kino!
Setlist:
Stabbing in the Dark
Thank God It’s Friday
SAVAGES
Your Number’s Up
The American Nightmare
IT Is The End
HOLLYWOOD UNDEAD – Stimmungsvoller Mix aus Rap und Rock
Galerie mit 26 Bildern: Hollywood Undead - Europatour 2020 in Offenbach am MainApropos Hollywood: Die aus der Stadt der Engel stammenden Metal-Rapper sind – zumindest was die Begeisterung der Zuschauer angeht – wohl die klaren Stars des Abends. Ihre neuste Platte „New Empire Vol. I“ erreichte zwar ’nur‘ Platz 30 der deutschen Albumcharts, aus der Sicht ihrer Fans verdienen Charlie Scene, Johnny 3 Tears & Co. wohl dennoch einen Stern auf dem Walk of Fame. Mit „Time Bomb“ gibt es dann auch direkt den Opener ihres jüngst erschienenen Albums auf die Ohren. HOLLYWOOD UNDEAD geben Vollgas, animieren die Menge und performen souverän eine gut aufeinander abgestimmte Mischung aus alten und neuen Hits.
Während Songs wie „Undead“, „War Child“ oder „Bullet“ regelrechte Euphorieschübe im vorderen Drittel der Halle auslösen, wundert sich der durchschnittliche Zuschauer dann doch etwas über die einerseits zwar durchaus energiegeladene, dafür jedoch leider auch sehr unspektakuläre Show. Immerhin: Zu „Comin‘ in Hot“ erlebt ein Fan sein ganz persönliches Showhighlight – er darf zu HOLLYWOOD UNDEAD auf die Bühne und die nicht ganz jugendfreie Nummer mitperformen. Auch wenn sich die Nu-Metal-Boygroup in Sachen Spektakel für die Zukunft gerne eine Scheibe bei ICE NINE KILLS abschneiden darf, musikalisch liefern sie einwandfrei ab. Gerade die Hits gegen Ende des Sets („Everywhere I Go“, „Hear Me Now“) verdeutlichen, warum die Jungs trotz des abklingenden Hypes nach wie vor eine derart loyale Fangemeinde um sich scharen können.
Setlist:
Time Bomb
Undead
California Dreaming
Heart of a Champion
Whatever It Takes
Comin‘ in Hot
War Child
Empire
Bullet
Day of the Dead
Everywhere I Go
Hear Me Now
PAPA ROACH – Stets bemüht
Galerie mit 25 Bildern: Papa Roach - Europatour 2020 in Offenbach am MainAuch PAPA ROACH haben (musikalisch) mit Sicherheit schon glorreichere Zeiten erlebt. Doch obwohl der Stilwechsel auf Alben wie „Who Do You Trust?“ nicht allen Fans zugesagt hat, gehören die Kalifornier vor allem dank ihres legendäre Zweitlings „Infest“ nach wie vor auf die großen Bühnen der Welt. Dementsprechend souverän rocken Frontmann Jacoby Shaddix und seine Mitmusiker, die auf ihrer aktuellen Tour ohne Gitarrist und Gründungsmitglied Jerry Horton auskommen müssen, los. Leider trübt der miserable Sound die Stimmung schon von Beginn an. Zwar ist das Zenith unter Konzertgängern durchaus dafür berüchtigt, Bands einen ganz neuen – oder weniger diplomatisch ausgedrückt – einen absolut beschissenen Klang zu verleihen, doch während ICE NINE KILLS und HOLLYWOOD UNDEAD noch vergleichsweise gut bedient waren, klingen PAPA ROACH zum Fürchten.
Bass und Drums dröhnen viel zu laut und unangenehm dumpf aus den Verstärkern, während man Gitarre und Gesang phasenweise komplett überhört. Weder die futuristische Lichtshow noch die Tatsache, dass PAPA ROACH tatsächlich anteilig viele Klassiker („Blood Brother“, „Between Angels And Insects“) spielen, trösten darüber hinweg, dass grundsätzlich starke Nummern wie „Renegade Music“ oder „Broken Home“ kaum bis gar keine Wirkung erzielen. Dementsprechend lustlos präsentieren sich auch Teile des Publikums. Selbst ein sichtlich bemühter, beinahe übermotiviert anmutender Jacoby Shaddix kann hier nichts retten. Schlimmer noch: Der Sänger wirkt auf der großen, beinahe komplett leeren Bühne zeitweise recht verloren. Die ausgelutschten, dutzendfach zuvor gehörten 08/15-Ansagen tun ein Übriges.
Doch es kommt noch dicker: Während bei „Elevate“ und „Feel Like Home“ ein kleiner Hoffnungsfunken auf Besserung aufflammt, sind es die Akustikversionen von „Falling Apart“ und „The Ending“, die endgültig Missmut unter den Fans aufkommen lassen. Jacoby Shaddix singt deutlich hörbar mehrmals den falschen Ton und wirkt zeitweise unkonzentriert. Tatsächlich erwähnt der Frontmann eher beiläufig, dass ihn derzeit eine Erkältung plagt. Zudem scheint es immer wieder Probleme mit dem In-Ear-Monitoring zu geben. Ungünstige Rahmenbedingungen für einen Abend, den sich viele Fans wohl ganz anders vorgestellt haben. Denn PAPA ROACH können nicht nur soundtechnisch keine Akzente setzen, auch der komplette Verzicht auf Showelemente ist angesichts des horrenden Ticketpreises nicht zu entschuldigen.
Zum Ende hin beweisen die Nu-Metal-Pioniere dann trotzdem noch, warum sie auch knapp dreißig Jahre nach Bandgründung ein nicht zu unterschätzender Act bleiben. Mit dem THE PRODIGY-Cover „Firestarter“ und ihren bekanntesten Hits („Getting Away With Murder“, „…To Be Loved“) wecken die US-Rocker die müde Menge noch einmal auf und wirken dabei fast selbst ein wenig wie neugeboren – die Soundprobleme bleiben jedoch leider bestehen. Das ändert sich auch nicht bei der Zugabe, deren absolutes Herzstück natürlich das über die Genregrenzen hinaus bekannte „Last Resort“ ist. Konsequent überzeugen können PAPA ROACH an diesem Abend dennoch leider nicht. Fairerweise muss man an dieser Stelle jedoch auch betonen, dass die vier Jungs ihr durchwachsenes Set nicht komplett allein zu verantworten haben, da die Rahmenbedingungen von Anfang an recht ungünstig waren. In beinahe drei Jahrzehnten Bandgeschichte kann eben nicht immer alles glatt laufen.
Setlist:
Dead Cell
I Suffer Well
Blood Brothers
Between Angels And Insects
Renegade Music
Broken Home
Elevate
Feel Like Home
Falling Apart (Akustikversion)
The Ending (Akustikversion)
Schlagzeugsolo
Help
Scars
Getting Away With Murder
Firestarter
…To Be Loved
Who Do You Trust?
Last Resort
Born for Greatness
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