Orphaned Land
“Unsung Prophets & Dead Messiahs”-Tour 2018
Konzertbericht
Einen wilden Mix an verschiedenen Bands gab es im Vorprogramm zu ORPHANED LAND in Berlin. Neben ihren Landsmännern SUBTERRANEAN MASQUERADE haben die Israelis zwei Bands aus Italien mitgebracht. Wie genau da der Zusammenhang ist, wissen wir nicht, aber es ist sicher kein musikalischer. Schön wird es trotzdem werden, auch wenn es zu Beginn noch nicht sehr voll im Berliner Bi Nuu ist.
AEVUM
Galerie mit 8 Bildern: Aevum - "Unsung Prophets & Dead Messiahs"-Tour 2018
Eine Sache gleich mal vorweg, die Italiener AEVUM sind sowohl optisch als auch akustisch vor allem eins: verwirrend. Italienischen Bands sagt man ja gerne mal nach, irgendwie merkwürdig zu sein, und AEVUM werden diesem Ruf definitiv gerecht. Trotz 50% italienischen Erbguts gelingt es mir nicht, das Konzept dieser Band nachzuvollziehen. Musikalisch bewegen sie sich irgendwo zwischen Gothic Metal und Symphonic Metal, werfen dann aber immer wieder Industrial-Einflüsse ein, die eigentlich schon Dubstep sind, wenn man es genau nimmt. Die barocke Optik von Sänger und Sängerin wird durch einen Steampunk-Gitarristen und einen Military-Fetish-Keyboarder in futuristischer Maske ergänzt. Dazu kommt dann noch eine Tänzerin, die mal als Klageweib und mal als Braut die Bühne einnimmt. Kann man mal so machen, ob es aber sein Ziel erreicht, steht auf einem anderen Blatt.
SUBTERRANEAN MASQUERADE
Galerie mit 7 Bildern: Subterranean Masquerade - “Unsung Prophets & Dead Messiahs”-Tour 2018
Als der Auftritt der zweiten Band des Abends näher rückt, beginnt es im Berliner Bi Nuu nach Räucherstäbchen zu duften. Das liegt daran, dass SUBTERRANEAN MASQUERADE aus Israel diese zur Einstimmung auf der Bühne abfackeln. Was vom Namen her erstmal nach Kirmes klingt, stellt sich glücklicherweise als echte Aufwertung im Vergleich zur ersten Band heraus. Doch auch ohne diesen direkten Kontrast könnte sich die Truppe durchaus sehen lassen. Ihrem Progressive Metal mischen SUBTERRANEAN MASQUERADE eine ordentliche Portion traditioneller Einflüsse aus ihrer Heimat bei. Die kommen zwar (zumindest hier) vom Band, was aber nicht weiter stört. ORPHANED LAND machen es ja im Grunde genauso. Ihre beiden Sänger haben die Growls und den Klargesang recht eindeutig untereinander aufgeteilt, übernehmen aber auch mal den Part des anderen. Damit wären wir auch bei dem Highlight der Band: Klarsänger Davidavi Dolev, der leider wohl nur live dabei ist und wie ein Wilder über die Bühne fegt.
LUNARSEA
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Es geht rund zehn Minuten früher als gedacht wieder mit Italienern weiter, doch schon beim ersten Song wird klar, dass sich das merkwürdige Erlebnis vom Anfang des Abends nicht wiederholen wird. LUNARSEA liefern recht geradlinigen Death Metal, ohne viel Klimbim. Ein paar elektronische Elemente sind zwar vorhanden, im großen Ganzen konzentriert sich die Band allerdings auf die Gitarrenarbeit. Hier geht es treibend voran, und vor allem auf die Solos wird viel Wert gelegt. Diese sind intrikat und schnell, dadurch wirklich ambitioniert, und werden einwandfrei abgeliefert. Was bei allem Lob aber fehlt, ist das besondere Etwas, das einen auf Dauer bei der Stange hält. Ein wenig mehr Abwechslung und vielleicht ein paar einnehmendere Melodien hätten den Auftritt noch ein wenig besser gemacht.
ORPHANED LAND
Galerie mit 13 Bildern: Orphaned Land - “Unsung Prophets & Dead Messiahs”-Tour 2018
Wo ist eigentlich Jesus? Das fragt sich jeder, der ORPHANED LAND über die letzten Jahre live gesehen hat und dabei das Bühnenoutfit von Sänger Kobi Farhi bewundern durfte. Das bestand nämlich immer aus einem Kaftan, mal hell und mal dunkel, ist nun aber einer schnöden Hose mit ärmellosem Shirt gewichen. Könnte einem eigentlich egal sein, aber es scheint ihm selbst immerhin so wichtig zu sein, dass er es kommentieren muss. „I no longer dress like Jesus,“ sagt er recht früh im Set an. Und nach einer kurzen Pause: „I lost my virginity, that’s it.“
Überraschend früh, nämlich als zweiter Song, kommt schon „All Is One“, was dazu führt, dass die sowieso schon tanzende Menge in noch mehr Euphorie ausbricht. Besonders voll ist es aber nicht geworden, was bei einer Band wie ORPHANED LAND doch überrascht. So stehen aber wenigstens alle bequem statt gequetscht, auch in den vorderen Reihen. Mehr Platz zum Tanzen, den die meisten auch ausnutzen. ORPHANED LAND haben außerdem auch ihr neues Album „Unsung Prophets & Dead Messiahs“ zu promoten, was sie auch ausgiebig mit neuen Songs im Set tun.
Neues und Altes in Berlin
„We Do Not Resist“, „Like Orpheus“ und „Yedidi“ werden ebenfalls bereits in der ersten Hälfte des Sets gespielt. Zur Studioversion von „Like Orpheus“ steuerte kein geringerer als Hansi Kürsch von BLIND GUARDIAN Gastvocals bei. „Yedidi“ ist auf Hebräisch und gebietet damit vielen – aber nicht allen – Mitsängern kurzzeitig Einhalt. Später werden noch „In Propaganda“ und „All Knowing Eye“ zum Besten gegeben; und da neigt sich das Set von ORPHANED LAND auch schon dem Ende zu. Kobi Farhi fragt zum Abschied noch nach der Herkunft des Publikums und bedankt sich daraufhin in Hebräisch, Arabisch, Türkisch und Deutsch. Seine Message ist die der Band: Im Metal geht es nicht um Politik, „all is one“. Beim Rausschmeißer „Norra El Norra“ können sich alle dann nochmal richtig verausgaben, bevor die letzten Töne verklingen.
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„Im Metal geht es nicht um Politik.“
Wieso soll’s im Metal nicht um Politik gehen? Im Metal kann es um Alles gehen, außer das jemand predigt, worum es im Metal geht.
„all is one“
Wie ich schon sagte „Kumbaya“… :rolleyes: Oder ist damit irgendein blödsinniges religiöses Dogma gemeint?
Wie es scheint hast du dich immernoch nicht wirklich mit der Band auseinander gesetzt. Natürlich „kann“ es im Metal um Politik gehen, das bestreiten Orphaned Land mit Sicherheit nicht. Die Kernbotschaft ist aber die, dass Musik, in diesem Fall Metal, Menschen über religiöse und politische Konflikte hinweg verbindet. Auf einem Metalkonzert ist es egal, ob du Jude, Moslem, Christ, Satanist, schwul, lesbisch, schwarz, weiß, grün, kariert oder sonstwas bist, da genießt man gemeinsam die Musik. Und anders habe ich das persönlich auch noch nie auf einem Metalkonzert erlebt, die Message hat also durchaus Hand und Fuß.
Man macht es sich finde ich halt sehr einfach, wenn man diese Band belächelt ohne sich mit ihrem Background und ihrem kulturellen Umfeld beschäftigt zu haben und sie auf einzelne Phrasen festnagelt. Interessanterweise lief grade erst auf WDR eine Doku über die Band, solltest du dir vielleicht mal anschauen https://www.youtube.com/watch?v=C_pPZQEYr30&feature=youtu.be
„Auf einem Metalkonzert ist es egal, ob du Jude, Moslem, Christ, schwul, lesbisch, schwarz,“
Solte… dann geh mal auf ein NSBM-Konzert. 😀
Danke, ich schau’s gerade an und reflektiere das erstmal. 😉
„Solte… dann geh mal auf ein NSBM-Konzert. ?“
Ähm…Nope! Aber klar, wenn man unbedingt nach Intoleranz suchen will, dann kan man die dort sicherlich finden.
*Gemeint ist natürlich die Metalszene im Allgemeinen. Ich halte eine kleine Randgruppe von rechten Spacken da jetzt nicht für einen repräsentativen Questschnitt.
*Querschnitt, verdammt 🙂
Das mit NSBM war natürlich erstmal ’n Witz, aber dennoch…
Hab’s gerade fertig geschaut.
Sagen wir mal so: Deren Anliegen ist aufgrund der geografischen Herkunft sowohl verständlich als auch löblich und „Kumbaya“ muss ja nicht zwingen was Schlechtes sein. Die ganzen, mich nervenden religiösen Bezüge, sind aus diesem Grunde aber wohl leider notwendig.
Wie die eine Konzertbesucherin von Auswärts sagte, kann man das von hier aus wohl nicht schlußendlich beurteilen oder besser gesagt nachempfinden.