Neaera
Tour 2013
Konzertbericht
Meine letzte NEAERA-Clubshow ist schon einige Jahre her, fand aber auch im Magnet Club statt, allerdings im alten. Danach habe ich die Münsteraner nur noch auf Festivals erlebt, bei denen selbstverständlich ein anderes Publikum anwesend ist, als bei einer Clubshow.
Erste Feststellung des Abends: Ich bin eindeutig gealtert, ganz im Gegensatz zum NEAERA-Publikum, das weitestgehend aus jungen bis ganz jungen Besuchern (einige sogar mit ihren Eltern im Schlepptau) besteht. Ich fühle mich wirklich alt!
Zweite Feststellung: Die parallel stattfindenden Shows von LONG DISTANCE CALLING (Festsaal Kreuzberg) und CANNIBAL CORPSE (im C-Club) haben durchaus Einfluss auf die Anzahl der Anwesenden, wenn auch nicht in solch einer gravierenden Form, wie ursprünglich angenommen. Der Magnet Club ist ordentlich gefüllt, aber Platzangst muss niemand haben.
Aber jetzt rein ins Getümmel:
THE DEFILED:
Noch niemand gehört? Ich auch nicht, besser gesagt, so gut wie niemand. Denn als Sänger/Gitarrist Stich D. das Publikum genau danach fragt, bleibt es bis auf einen weiblichen Die-Hard-Fan ruhig. Die Londoner nehmen’s gelassen, symphatischer noch, ihr Fan darf sich den nächsten Song wünschen. Ansonsten liefern THE DEFILED eine engagierte Leistung ab, die nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass ihre eigenwillige Mischung aus Metalcore, Gothic und Industrial, so vielseitig sie auch klingen mag, am Ende relativ eintönig wirkt – da hilft es auch nicht, dass die Band ein wenig nach THE CURE aussieht. Als sich die schweißtreibende Vorstellung dem Ende neigt und Keyboarder/Sänger The AvD sein Tasteninstrument zum gefühlten aber tausendsten Mal durch die Lüfte schwingt, reicht es aber dennoch zu immer lauterem Applaus. Für einen Opener eine gute Leistung, nicht packend, aber unterhaltsam.
BURY TOMORROW:
Auch der zweite Act des Abends stammt von der Insel, allerdings haben BURY TOMORROW sich in Deutschland schon einen festen Stamm an Fans erspielt. Quasi von der ersten Sekunde an geht das Publikum in den ersten Reihen steil und zeigt sich gerade bei den klar gesungenen Parts von Gitarrist Jason Cameron überaus textsicher. Dass BURY TOMORROW eigentlich nicht allzu innovativ sind, wird von der äußerst energiereichen Leistung des Fünfers aber mehr als wett gemacht. Dem Publikum gefällt’s, mir eher weniger …
Zudem scheint es einen kleinen Unfall gegeben zu haben, jedenfalls wird im Anschluss ein junger Mann im Vorraum von Sanitätern behandelt. Nichts Wildes, aber besonders bitter: Denn es scheint der erste Konzertbesuch des Herren gewesen zu sein.
NEAERA:
Nach dem wirklich schweißtreibenden Auftritt von BURY TOMORROW ist die Luft im Magnet Club zum Schneiden dick, aber das hindert niemanden daran, die Münsteraner lauthals willkommen zu heißen. Die Sympathieträger und immer noch äußerst spontan wirkenden Jungs fackeln dann auch nicht lange. Nach einem kurzen Intro geht es gleich mit dem Titelstück zur aktuellen Scheibe „Ours Is The Storm“ rund und erneut zeigt sich, welch‘ eine überragende Live-Band NEAERA ist. Vor allem aber können sie auch Schwierigkeiten handlen. Die leichten Soundprobleme weiß Frontmann Benny Hilleke mit guter Laune und spaßigen Ansagen zu verdrängen, zumal nicht wirklich etwas dramatisch schief läuft. Warum auch? NEAERA liefern eine beeindruckende Show ab und werden vom Publikum entsprechend gefeiert. Ob das geniale „Walls Instead Of Bridges“ vom Debütalbum, „I Loath“ („Omnicide: Creation Unleashed“) oder das aktuelle „Through Treacherous Flames“, alles wird gefeiert. Ohnehin ist die Setlist sehr ausgewogen, von jedem Album findet sich mindestens ein Song darauf und so ist es nicht verwunderlich, dass das Publikum zu noch mehr Bewegung angestachelt wird. Davon angesteckt hält es auch Fronter Benny Hilleke nicht lange auf der Bühne – der Kontakt zum Publikum gehört bei NEAERA eh zum guten Ton, ebenso die Wall Of Death (die trotz der engen Verhältnisse keine Opfer hinterlässt). Nach den Zugaben „Paradigm Lost“ und „Synergy“ ist dann auch Schluss im Magnet Club. Ein rundum gelungener Abend für das gesamte Publikum, das sich noch schweißgetränkt am Merch-Stand aufhält.
Letzte Feststellung des Abends: Beim Verlassen des Clubs werde ich vor der Tür von einer Dame Mitte dreißig gefragt, ob denn das Konzert schon vorbei war, da sie augenscheinlich auf ihren Nachwuchs wartet – ich fühle mich noch mal alt … aber doch zufrieden.
Text: Jan Wischkowski
Fotos: Andrea Friedrich
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