Neaera
Queens Of Metal 2009
Konzertbericht
SAMSTAG
Und plötzlich ist es Samstagmorgen gegen zehn Uhr Ortszeit. Unglaublich aber wahr. Die letzte Nacht noch in den Knochen, kommt dieser Tag doch etwas zu früh. Aber wie man es kennt von Festivals, die Zeit verfliegt förmlich und ehe man sich versieht, ist die Show vorbei. Das Gelände erfüllt von entspannter Musik aus der Dose. Die Rede ist von Swing/Jazz-Versionen à la „I Was Made For Loving You“, „Paranoid“ oder auch „Hells Bells“. Solch ein Tagesbeginn ist nicht zu verachten. Gedanklich schwebt man irgendwo durch die Lüfte, die Sonne kommt so langsam hinterm Berg vor, müde aber gut gelaunte Gesichter wo man nur hinschaut, man lässt sich wieder in den Liegestuhl sinken…
Path Of Devestation
…und dann kommen PATH OF DEVASTATION und blasen einem das Hirn aus dem Schädel. Dem Technik-Gott hat das wohl auch nicht ganz gepasst, denn dieser versagt erst einmal die Mitarbeit. Schnell ist dieser Missstand aber behoben und die heutigen Opener nutzen die nun noch begrenztere Zeit um mit ziemlich schnellem Gebolze auch die letzten Träumer zurück ins Land von Tod und Vernichtung zu holen. (Christian)
Scharbock
Auf einer etwas anderen Schiene fahren SCHARBOCK aus dem beschaulichen Schwabenländle. Die Kombination Metalcore meets Death meets deutsche Lyrics kommt scheinbar nicht so wahnsinnig gut an, denn einige Zuschauer wandern ab und ziehen sich das eine oder andere Bierchen abseits der Bühne rein. Vielleicht sichern sich die ersten Übervorsichtigen bereits ein Platz unterm Dach, denn das Wetter verschlechtert sich etwas und die ersten Gewitterwolken ziehen auf. (Christian)
Davidian
Die Schwaben geben sich heute scheinbar die Klinke in die Hand, denn nach den Geislingern entern nun die Stuttgarter von DAVIDIAN die Bühne. Ebenfalls dazu gestoßen ist eine ordentliche Portion an Regenwasser, denn der Himmel öffnet sich vorübergehend, stört uns aber nicht weiter. Nach anfänglichen Ansagen, zieht es Sänger Dave doch vor, den Rest des Sets in Englisch zu halten. Festhalten kann sich auch der Basser und zwar an einem Basthut, der den Weg zu ihm findet. Das allseits bekannte MACHINE HEAD Cover, dessen Titel sich auch im Bandname verbirgt, kommt ebenso gut an wie beispielsweise „Judas Cross“. Was bei DAVIDIAN immer großgeschrieben wird, ist zum einen das Stage-Acting, als auch die Energie, welche die Jungs ausstrahlen. Gleich ob in kleinen Clubs oder größeren Festival-Bühnen. (Christian)
Contradiction
CYPECORE übernehmen den Posten der kurzfristig ausgefallenen CONTRADICTION und überraschen auf mehrfache Weise. Vor allem das Alter der Musiker (der Herrschaften dürften alle so um die 20 sein) im Kombination mit dem routinierten und professionellen Auftreten erzwangen der anwesenden Meute ein hohes Maß an Respekts- und Beifallsbekundungen. Auch der Sound der Bande, der sich stilistisch am ehesten in Richtung moderner Death-Metal-Bands mit Industrial-Einflüssen einordnen lässt und sich zu gleichen Teilen aus Fear Factory-Anleihen und groovigen Death-Gewittern zusammensetzt, hat ordentlich Eindruck hinterlassen. Für CYPECORE dürfte sich in Zukunft noch einiges entwickeln, sofern man bereit ist, ihr einen Plattenvertrag zuzugestehen, denn…
Hackneyed
…die altersmäßig auf gleicher Höhe befindlichen HACKNEYED, seit ihrem Labeldeal mit Nuclear Blast in aller Munde, können das auch nicht mehr überbieten. Wenn Teenager ihre Instrumente beherrschen und sich statt für DSDS-Klone für Extrem-Metal interessieren, dann ist das durchaus aller Ehren wert. Die Frage stellt sich jedoch, ob einer Band mit höherem Durchschnittsalter (Gitarrist Devin ist grade mal 15) eine ebensolche Aufmerksamkeit vergönnt wäre, wären die Songs ähnlich unspektakulär und wenig innovativ. Das mag alles im Grunde nicht stören, da die Leistung trotz einer in diesem Alter fast schon erschreckenden Routine im Grunde vollkommen in Ordnung geht, fair ist das, gerade gemessen an vergleichbaren Bands wie der, die noch ein paar Minuten vorher auf der Bühne stand, aber nicht unbedingt.
Dennoch: Es ist schön zu sehen, dass der Nachwuchs lebt und dass die nächste Generation schon in den Startlöchern steht. Und wer weiß: Vielleicht können die zwischen Baden-Württemberg und Bayern beheimateten Metal-Kids ja auch in Zukunft der Szene zum Überleben verhelfen. Technisch gibt es nichts zu meckern – alleine das wirklich überzeugende Songmaterial fehlt noch.
Witchburner
WITCHBURNER bedienen dann wieder die Old-School-Thrash-Fraktion, mit der man es in diesem Jahr offenbar besonders gut meinte. Wie ein Relikt aus den 80ern erscheint dann auch die komplette Band, die, stilecht mit Patronengurt, Nieten und dem ganzen heimischen Arsenal ausgestattet, ordentlich den Hammer kreisen lässt. Bei WITCHBURNER stehen vor allem Schnelligkeit und Aggression im Vordergrund, epische Songstrukturen und ausufernde Melodien sucht man vergebens. Zwar erscheint mir persönlich der erhöhte Krachanteil allmählich etwas ermüdend, die meisten Headbanger jedoch freut’s. Dass von dem Auftritt nicht all zu viel hängen blieb, liegt möglicherweise daran, dass das Songmaterial zumindest für einen Außenstehenden wie mich, dem die Band vorher kein all zu großer Begriff war (man kann ja nicht alles kennen), auf Dauer zu gleichförmig klingt. Auf mich wirkt das Ganze eher wie eine Pflichterfüllung – die beinharten Thrasher werden das aber vermutlich anders sehen. Nun gut. (Heiko)
Enemy Of The Sun
ENEMY OF THE SUN schrauben den Anspruch anschließend direkt um einige Grad höher. Die Band heimste unter anderem im Rock Hard einiges an Lob für ihr Debüt-Album ein, auch live offenbart das Material Einiges an interessanten Details. Ex-GRIP INC.-Gitarrist Waldemar Sorychta begeht auf weiterhin den Pfad den er einst einschlug und lebt mit ENEMY OF THE SUN seine Leidenschaft für nicht zu verschachtelten, aber anspruchsvollen Thrash aus, der gekonnt zwischen harten Parts, Melodien und ein paar zeitgemäßen Einflüssen jongliert und dem Gebräu eine eindeutige eigene Note verpasst. Zwar lässt sich nicht alles, was die Band bietet durch einen einzigen Live-Gig erfassen, weshalb manche der Anwesenden, die ENEMY OF THE SUN gerade neu entdecken noch diverse Anläufe brauchen werden, einen unerschütterlichen Eindruck hinterlassen sie heute aber dennoch. (Heiko)
Cataract
Was mit NEAERA gestern noch melodisch und mit deutlichen Melodic Death-Anleihen bestens funktionierte, führen die Schweizer CATARACT heute etwas basischer und eindeutiger im Hardcore verwurzelt fort. Wie auf Kommando ist sofort wieder die Zielgruppe zur Stelle, und bei den groovenden, von einigen sehr effektvollen Breakdowns durchzogenen Nummern der Eidgenossen bildet sich aufs Neue ein amtlicher Pit und das Energielevel wird noch einmal angehoben. Der ein oder andere Kopf neigt sich gen Himmel, da gerade ein Flugzeug über dem Festival-Gelände kreist, aus dem Luftaufnahmen für die Queens Of Metal-Homepage gemacht werden. Unbeeindruckt davon wird auf der Bühne und davor weiter Gas gegeben, mit einem Mob von Anhängern, der der Band vom Anfang bis zum Ende aus der Hand frisst. Highlight der Show ist der Titelsong des 2004er Albums „With Triumph Comes Loss“, bei dem noch einmal alle Kräfte mobilisiert werden.
Dream Evil
DREM EVIL waren eine willkommene und gelungene Abwechslung für alle, die ihren Heavy Metal eher melodisch mögen. Der Schweden-Fünfer lieferte eine der insgesamt überzeugendste Leistungen des gesamten Festivals, hatte den bestmöglichen Sound und mit dein eingängigen, von Sänger Niklas Isfeldt augenzwinkernd als „Slager Metal“ bezeichneten Songs schnell das Publikum auf seiner Seite. Die ganz großen Renner waren die Hits aus der Frühphase wie „Heavy Metal In The Night“, „Children Of The Night“ und „The Book Of Heavy Metal“, aber auch Hymnen neueren Datums hoben die Laune der Anwesenden ungemein, allen voran „United“. Die Band durfte sogar noch einmal für eine Zugabe zurückkehren und erntete für ihre beinahe schon perfekte Show mehr als Höflichkeitsapplaus. Es gibt sicher Bands mit größeren Klassikern, überzeugt haben Soundlegende Fredrik Nordström, der bei DREAM EVIL die Gitarre bedient und sein Gefolge aber auf ganzer Linie.
Tankard
Nach einer Odyssee aufgrund Fehlinformationen und entsprechend falscher Route haben es TANKARD dann tatsächlich doch noch geschafft, beim Queens Of Metal 2009 rechtzeitig zu erscheinen. Es werden diverse Biere in die Luft gehoben und laut gegrölt, als die Frankfurter Truppe um Frontsau Gerre die Bühne betritt und den alkoholischen Reigen eröffnet. Klarerweise sind es die althergebrachten Songs, wie „Zombie Attack“, „Stay Thirsty“ oder von mir aus auch „Chemical Beer“ welche das Publikum zur Raserei bringen. Die Sittenwächter griffen wieder einmal nicht ein, als der Frontmann seinen extrem athletischen Oberkörper entblößt und auch dann nicht, als es an die Hose geht. Fakt ist, dass die Thrash-Party, stets untermalt von spaßigen Einlagen und diversen Alleingängen des Bassers, Laune macht, obwohl man TANKARD zugegebenermaßen nicht zum ersten Mal gesehen hat. „Die With A Beer In Your Hand“ und „Freibier“. Was bleibt da noch zu sagen? (Christian)
Jon Oliva’s Pain
Mit JON OLIVA’S PAIN war es den Veranstaltern mal wieder gelungen, eine echte Legende auf die Bühne des QOM zu zaubern. Zwar musste der Mountain King aufgrund einiger zeitlicher Verzögerungen bei MISERY INDEX schon als vorletztes die Bretter betreten, der Show indes tat das keinerlei Abbruch. Eine hübsche Menge von Fans freut sich über die astreine Performance, die zu einem großen Teil aus Klassikern des SAVATAGE-Backkatalogs besteht. Bei dem wie immer großartigen „Chance“ bekam er die stimmliche Unterstützung seiner Bandkollegen, bei „Believe“ von der Zuschauermenge. Nicht minder beeindruckend sind „Edge Of Thorns“ (bei dessen ersten Tönen ein Headbanger neben mir in emotionale Freudentränen ausbrach und sich über den Rest der Spielzeit nicht mehr beruhigte), „Gutter Ballet“, „Tonight He Grins Again“ und natürlich „Hall Of The Mountain King“. Die JOP-Songs verkommen angesichts dieser Göttergaben beinahe zur Nebensache, ebenso aber, dass Jon nach wie vor nicht wirklich sehr beweglich agiert und de körperliche Ertüchtigung seinen Bandkollegen überlässt. Insgesamt ein vollkommen überzeugender Gig, der sicherlich auch für die Macher des Queens Of Metal einen Höhepunkt ihrer Lebens- und Leidensgeschichte für das Festival darstellte.
Misery Index
Nach der überwältigenden Show von JON OLIVA’S PAIN und der gedanklichen Einstellung auf SAVATGE, muss ich sagen, kam ich mit MISERY INDEX als Headliner an diesem Abend überhaupt nicht klar. Der Käse war für mein Empfinden bereits gegessen, da ertönt auch schon rasendes Doublebass-Geballer in Kombination in Death/Grindcore-Manier. Die Amis von MISERY INDEX sind nun doch da und geben ihr Können zum Besten. Das Publikum ist nun auch mehr oder weniger komplett ausgetauscht und die Headbanger sind den Jungs vom Circle-Pit gewichen. Die Hauptdarsteller fahren auf, was das Können hergibt. Fieses musikalisches Liedgut in Form von „Traitors“ oder „The Arbiter“ bis hin zu beinahe schon entspannten Klängen bei „Ghost Of Catalonia“ wird nun über die komplette restliche Spielzeit hinweg gezeigt, worum es bei MISERY INDEX geht. Meines Erachtens schade, dass die Headliner getauscht wurden, denn anderes herum wären sicherlich auch nicht so viele Leute abgewandert bei den schnell fallenden Temperaturen, doch manchmal steckt der Veranstalter eben nicht drin, wie man so schön sagt. Schön auch die letzte Nacht auf dem Campground, wesentlich entspannter als das Jahr zuvor und man sieht sich sicherlich auch nächstes Jahr in Kleinwenkheim beim Queens Of Metal Open Air 2010. (Christian)
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