Metal Hammer Paradise 2023
Unser Festivalbericht
Konzertbericht
Freitag, 17.11.2023
Galerie mit 20 Bildern: Screamer - Metal Hammer Paradise 2023Während die vielen Ersteindrücke sacken, eröffnen SCREAMER das Metal Hammer Paradise 2023 musikalisch. Nach der Begrüßung durch den Chefredakteur Sebastian Kessler staunen die Schweden im knüppelvollen Baltic Ballroom über schwingende Matten am Nachmittag – beispielsweise zu „Kingmaker“, dem Titeltrack des aktuellen Albums.
Klassischer Heavy Metal geht hier immer und so liefern Dejan Rosic und seine Mitstreiter eine knappe Stunde beste Unterhaltung, wobei neue Songs wie „The Traveler“ ebenso gut wie die Klassiker „Highway Of Heroes“ und „Shadow Hunter“ funktionieren. Die rund 800 Menschen sind mehr als nur auf Betriebstemperatur, als das Quintett nach „Out Of The Dark“ die Bühne räumt.
Crossover-Mut zum MHP-Jubiläum
Galerie mit 23 Bildern: Impressionen & Riff Alm, Freitag - Metal Hammer Paradise 2023DOG EAT DOG weihen die Maximum Metal Stage ein und verbinden groovige Gitarren mit Rap und Saxofon – solo tut das Instrument in den Ohren weh, doch in der Gesamtkomposition funktioniert es gut. Oder wie John Connor es beschreibt: „Some call it New Metal.” Trotz Legendenstatus geben die Amis von der US-Ostküste nur den Opener auf der Hauptbühne. Das spiegelt auch den Mut wider, einem überwiegend traditionell veranlagten Metalpublikum eine Crossover-Band vorzusetzen. Glücklicherweise geht das Experiment auf, auch wenn sich die Resonanz nicht überschlägt. Wir reisen mit DOG EAT DOG zu den Anfängen, als 1994 das Debütalbum „All Boro Kings“ erschien. Und prompt steigt die Begeisterung unter den Zuschauenden. „1, 2, 3, 4“ zählt der überaus agile Fronter auf Deutsch, um die Stimmung noch mehr zu beleben. „No Fronts!“
Ein bekannter Kritikpunkt, der auch beim Metal Hammer Paradise 2023 laut wird: Die beiden kleinen Venues sind fast immer überfüllt. Gut, dass man die Auftritte inklusive Sound draußen an Fernsehbildschirmen verfolgen kann.
Galerie mit 15 Bildern: Nervosa - Metal Hammer Paradise 2023Bei NERVOSA ist es extravoll, sodass wir uns seitlich platzieren (der Sound ist überraschend okay für den Raum und die Position) – an den Bühnenseiten stehen indes Banner, auf denen Skelette mit Sensen böse in die Menge blicken. Wer aus dem Zelt kommt, erlebt insbesondere einen musikalischen Kontrast, denn der oft schnelle Thrash von NERVOSA gehört im Kosmos des MHP zur extremsten Spielrichtung. Seit den Veränderungen im Bandgefüge haben NERVOSA aber einen bedeutenden Teil verloren: Prika Amaral ist eine gute Fronterin, doch gegen die einmalige Bühnenpräsenz von Fernanda Lira hat sie keine Chance. Trotzdem ein sehr starker Auftritt.
Machen wir uns nichts vor: BRUNHILDE ist und bleibt ein ulkiger Bandname. Das ändert aber nichts am großen Andrang, der eine lange Schlange vor dem Eingang der Riff Alm platziert. Wer drinnen ist, feiert zur Mischung aus Punk und Metal – und einige moshen auch. Es ist schon Wahnsinn, dass auf allen Bühnen gerade Bands spielen und die kleinste Venue trotzdem rappelvoll ist.
Willkommen beim Power Metal Hammer Paradise
Galerie mit 26 Bildern: Orden Ogan - Metal Hammer Paradise 2023Mit dem „Sauerland“-Lied als Intro, „wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen“, kommen ORDEN OGAN mit einer Hommage an ihre Heimatregion auf die Bühne. Die Band ist wie für das Metal Hammer Paradise gemacht – nicht nur 2023. Das gefällt auch den jungen Menschen, die mit Ohrschützern auf den Schultern von Erwachsenen sitzen und dem urtypischen Power Metal ab dem Opener „In The Dawn Of The AI“ gebannt lauschen. Leider übertönt die Stimme den an sich guten Sound oftmals.
ORDEN OGAN ziehen munter durch ihre Diskografie und berücksichtigen mit „The Lord Of The Flies“ und „The New Shores Of Sadness“ sogar „Vale“ aus dem Jahr 2008. Neben dem „Gunman“ sind die Mitsinghymnen „We Are Pirates“, „F.e.v.e.r“, „Fields Of Sorrow“ und der Abschluss „The Things We Believe In“ weitere Highlights. „Wer lange Haare hat, darf sie gern zum Rhythmus der Musik schütteln“, sagt Sebastian „Seeb“ Levermann, der für 2024 einen neuen Longplayer ankündigt.
Da fühlen sich die Kurzhaarträger*innen mitunter ausgeschlossen. Das ist aber nicht der Grund, warum wir das Hauptzelt erst mal verlassen. Nein, der Hunger meldet sich: Also rein in eines der Restaurants, das wie ein Prank wirkt, weil sich nur dunkel gekleidete Menschen darin befinden. Gleich nebenan ist der Spielbereich mit Videogames, Airhockey, Billard, Flipper sowie Kegel- und Bowlingbahn, wo ALL FOR METAL morgen aktiv sein werden – neben der Bühnenaktivität versteht sich.
Auf der kleinsten Stage steht ERIK COHEN, der tatsächlich oder gespielt besoffen gen Publikum pöbelt. Das ist so unsympathisch, dass wir die schlecht gesungene und stumpf instrumentalisierte Reeperbahnmucke (man muss nicht jede Art von Lokalkolorit gleich buchen) nur draußen am TV verfolgen und dem Ausfall von DEATH ANGEL umso mehr nachtrauern. Deren Absage aufgrund einer Lebensmittelvergiftung kam so kurzfristig, dass die Veranstaltenden nicht mehr reagieren konnten. Allein das furchtbare Cover von „Goldener Reiter“ (COHEN: „Ich will sein wie du Joachim“ – ja, das wünschen wir uns auch gerade) motiviert zum Weghören.
Und dann spielen AMORPHIS plötzlich SLAYER
Galerie mit 16 Bildern: Amorphis - Metal Hammer Paradise 2023Gut, dass jetzt AMORPHIS spielen, denn die liefern auf der Main Stage fett ab: Die Stimmung ist extrem gut und der massive Sound errichtet opulente Klangwelten, wenn sich alle Instrumente mit den Vocals verbinden. Tomi Joutsen genießt die Show sichtlich, breitet immer wieder – ob selbstbewusst oder inklusiv – die Arme aus, reckt die Fäuste, umklammert das Mikro energisch und bangt zur eigenen Mucke. So genießen auch wir Songs wie „Black Winter Day“, „Amongst Stars“, bei dem die Gaststimme von Anneke Van Giersbergen vom Band kommt, und die Set-Rarität „The Sky Is Mine“ vom „Skyforger“-Album. Richtig fies wird es, als die Finnen „Raining Blood“ nur kurz anspielen.
Wie prächtig cleane Vocals mit Growls harmonieren, wenn Musiker*innen die beiden Gesangsrichtungen beherrschen, beweist das Metal Hammer Paradise im Jahr 2023 nicht nur mit AMORPHIS, denn Melodic Death Metal kommt heuer mehrfach auf die Bühne.
Galerie mit 14 Bildern: Sólstafir - Metal Hammer Paradise 2023Doch vorher sorgen SÓLSTAFIR für Gänsehaut. Witzig: Vor dem Gig kommt SLAYERs „Raining Blood“ aus der Konserve – da war jemand bei AMORPHIS gewesen und will es zu Ende bringen. Wir fragen uns nur, warum niemand abgeht. Wo ist die Begeisterung? Vermutlich in der schwelgerischen Vorfreude auf SÓLSTAFIR untergegangen.
Mit den Isländern kommt sofort eine unverwechselbare Coolness auf die Bühne – und das liegt nicht nur an der Sonnenbrille von Svavar Austmann. „War schon jemand vor 10 Jahren da?“, fragt Aðalbjörn Tryggvason (er meint die 2014er-Edition) und „erinnert“ sich, dass sie damals „sehr betrunken“ waren. SÓLSTAFIR präsentieren sich einmal mehr als außergewöhnlich gute Band, die im Spaßbad genauso emotional und eindrucksvoll wäre. Ein klares Festivalhighlight!
Wer es moderner mag, geht in der Riff Alm zu LOST SOCIETY ab. Die Finnen haben vor circa zehn Jahren als Thrash-Metal-Band angefangen, doch mittlerweile ist das Quartett in neuzeitlicheren Gefilden unterwegs. Der Versuch, im proppenvollen Laden einen Circlepit anzuzetteln, kann bei der Enge jedoch nicht funktionieren – stattdessen entsteht ein Moshpit. LOST SOCIETY treffen primär den Geschmacksnerv der jungen Generation, während sich die anderen auf KREATOR freuen.
KREATOR sind DER Headliner des Metal Hammer Paradise 2023
Galerie mit 16 Bildern: Kreator - Metal Hammer Paradise 2023Allerdings ist es ein Unding, dass KREATOR beginnen, während SÓLSTAFIR noch spielen – das kann man sicherlich besser timen. Egal, hin zum Headliner, dem das Publikum förmlich aus der Hand frisst, denn jeder Animationsversuch sitzt hier wie das zackige Riff kurz davor. Im Hintergrund wabert kein luftiges Backdrop, sondern eine sehr plastische Figur, die im bestimmten Licht unfassbar realistisch aussieht.
KREATOR feiern mit ihrer „Hordes Of Chaos“ und skandieren: „We are united!“ Danach betreten maskierte Kuttenmenschen mit Fackeln die Bühne und der nächste Song startet mit einem heftigen Knall und rotem Konfetti. Pyros (eine Premiere beim MHP) begleiten „Violent Revolution“ und auch die Band ist Feuer und Flamme: „Wir haben ja schon beim Metal Hammer Paradise gespielt, aber ihr habt das zehnmal getoppt.“
Es folgen unter anderem „Flag Of Hate“, zu dem Mille natürlich mit einer Fahne wedelt und erfolgreich um einen Circlepit bittet (die spätere Wall of Death ist eher schwachbrüstig), und der Setlist-Dauerbrenner „Pleasure To Kill“. Zwar sind nicht alle Details von überall aus gut zu hören, aber insgesamt ist der Auftritt dem eines Headliners absolut würdig.
Gute Na… – ach, wir schauen noch kurz bei der Aftershowparty rein. Jupp, PANTERA gehen immer. Weiterfeiern! Jetzt aber: Gute Nacht.
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