Melechesh
"The Heralds Of The Triumphator"-Tour in Berlin
Konzertbericht
Es ist der erste Mai und viele Berliner Straßen platzen nur so vor Feierwütigen. Da sieht es um den Ostbahnhof noch richtig human aus. Sicher, hier und da flanieren ein paar Einheimische und Touristen, doch von den Massen, durch die man sich vor allem in Kreuzberg drängeln muss, ist in der heute dunklen Ecke von Friedrichshain nichts zu merken. Je näher man dem Postbahnhof kommt, desto schwärzer werden die Shirts, desto düsterer ihre Motive und desto größer wird die Bierseligkeit. MELECHESH und KEEP OF KALESSIN ziehen unter dem Banner „The Heralds Of The Triumphator“ durch die Clubs, um Euch gehörig an den Haarwurzeln zu packen, tatkräftig unterstützt von CORPUS CHRISTII, THE STONE, EMBRYO und MUERT.
Da der Spaß schon um 17:00 Uhr startet, halten sich viele noch draußen im Sonnenschein auf, während MUERT bedeckt unter dichten Kapuzen, beladen mit Nieten und bemalt mit Corpsepaint den Klangkontrast zu den Temperaturen zelebrieren – im vorderen Bereich wohlgemerkt, was zunächst überraschend erscheint, sich im Verlauf des Abends aber als ganz sinnvolle Idee entpuppt. Die Spanier musizieren eher brachial als filigran und würzen ihren Black nicht nur optisch mit etwas War Metal. Doch Berlin ist noch nicht so richtig in Dunkellaune, man stößt lieber im Außenbereich oder gar vor den Toren des Fritzclubs an, unterhält sich und reckt das Gesicht gen Sonnenball. So läuft der Opener recht belanglos am eigentlichen Geschehen vorbei.
Wie so oft gibt es eine Band, die nicht ganz ins Ensemble passt. Am heutigen Abend sind das EMBRYO. Im Publikumsbereich gähnt nach wie vor die Leere, doch diesmal korreliert das auch mit der Darbietung. Gehüllt in übersteuerten Rumpelsound präsentieren die Italiener ihre lahmen Modern-Death-Nummern, immer wieder angereichert, aber nicht wirklich untermalt, durch flache Keyboardklimpereien. Sänger Roberto Pasolini macht noch die beste Figur, weil sowohl Growls als auch Schreie sitzen und die Mischung stimmt. Instrumental wälzt man sich bis auf wenige Tapping-Ausnahmen äußerst stumpf durchs Set. Dann kommt der Titelsong vom aktuellen Longplayer („Embryo“) und die ganze Chose sinkt um weitere Negativpunkte ab, weil die Nummer schlichtweg bahnbrechend mies ist, das Prädikat „stumpf“ hier eine Untertreibung wäre, Langeweile vorherrscht und gerade der moderne Part um ein Vielfaches zu gewollt klingt. Gut, dass jetzt CORPUS CHRISTII kommen!
Und wie! Der Kontrast könnte kaum ausgeprägter sein: modern versus oldschool. Jetzt steht die alte Schule auf der Bühne, das sieht man schon am Look. Abgewetzte Shirts mit Bandlogos, die so verlebt sind, dass man sie noch schwieriger entziffern kann als eh schon. Ein paar mehr Leutchen trauen sich in den Publikumsbereich, überraschend leer ist es aber immer noch. Die Portugiesen haben trotzdem Lust und zocken Altbewährtes sowie neue Songs vom überaus starken 2015er-Album „PaleMoon“. Insbesondere das Monster „Under Beastcraft“, auf Platte schon ein echtes Highlight, kommt live richtig gut an. Das liegt auch am guten Sound, der sich vor allem bei den melodischeren Black-Metal-Riffs auszahlt. So wechseln CORPUS CHRISTII zwischen traditioneller Gitarrenarbeit im Schwarzwurzelsegment und brachialen Blackened-Thrash-Angriffen. Wer jetzt noch nicht auf Satans Seite steht, wird spätestens durch die energischen Vocals von Bandkopf Nocturnus Horrendus in die Dunkelheit gezogen. Ein Fest für Black Metaller!
Die schwarze Messe führen THE STONE nur allzu gerne fort. Wie erwartet wird die Bühne mit dicht gebundenen Stricken geentert, das Gesicht von Sänger Nefas ist zudem in THE-COMMITTEE-Manier verhüllt. Der Sound präsentiert sich noch ein Stück ausgefeilter als bei CORPUS CHRISTII, die Zahl der Zuhörer pendelt hingegen im ähnlich niedrigen Bereich. Das Partybarometer steigt aber langsam, und hin und wieder fliegen einem nassgeschwitzte Haarsträhnen entgegen – muss nicht sein, zeugt aber von gehobener Stimmung. Musikalisch kann man THE STONE, die mit „Nekroza“ ihr siebtes Studioalbum herausgebracht haben, durchaus in die unmittelbare Nachbarschaft ihrer Bühnenvorgänger verorten, auch wenn die Serben ein wenig atmosphärischer zu Werke gehen. Insgesamt aber ein schönes, eher klassisch veranlagtes Black-Metal-Doppel, das uns hier zur Mitte des Konzerts präsentiert wird.
Mit KEEP OF KALESSIN rotiert noch mehr Atmosphäre parallel zu den Köpfen eifriger Anhänger. Übersichtlich ist es im Rund aber nach wie vor, und nun kann ich es auch verraten: Richtig voll wird es heute gar nicht mehr. Etwas voller offenbart sich hingegen der Sound oder nennen wir es eher dichter. Die Norweger ziehen eine ordentliche Klangwand hoch und polstern die Intensität noch durch doppelte Vocals. Samples reichern die Darbietung ebenfalls an, und die Melange aus all diesen Elementen sorgt dann auch für ein sehr ansprechendes Live-Erlebnis. Wem die Nummern auf Platte (zuletzt: „Epistemology“) inzwischen zu glatt und ausufernd sind, kann sich heute face to face von der durchaus vorhandenen KEEP-OF-KALESSIN-Qualität überzeugen. Gerade die Mischung aus brutalen Ausbrüchen mit reichlich Haar-Propeller-Action seitens der Band und gut inszenierter Epik schwappt prächtig über den Bühnenrand!
MELECHESH sind live eine Bank. Und musikalisch eh eine Klasse für sich. So kommt noch mal die nötige Portion Abwechslung ins Spiel, denn die Songs der Saitenhexer strotzen nur so vor technischer Präzision und Feingefühl hinsichtlich der Würze orientalischer Klänge. Der „mesopotamische Metal-Sturm“, wie die Band in unserer Besprechung des letzten Werks „Enki“ genannt wird, fegt mal heftig, mal harmonisch und stets experimentell exotisch durch den Club. Gesehen wird das Spektakel von der bisherigen Höchstzahl an Zuschauern, doch „gut besucht“ sieht nach wie vor anders aus. Bassist und Gitarrist kommen im vermummten Partnerlook raus, Sänger Ashmedi scheint etwas zugenommen zu haben. Ansonsten regieren die Songs, die immer neue Reize versprühen, ob nun geballert wird oder das Midtempo regiert. Das muss man schon betonen: MELECHESH haben sich ihre ganz eigene Nische erspielt, in der sie ziemlich konkurrenzlos agieren. Diese Leidenschaft sieht und hört man auch!
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