Marilyn Manson
Am 25. November 2017 live in Berlin.
Konzertbericht
MARILYN MANSON, lebende Legende und Gesamtkunstwerk, hat im Rahmen der aktuellen Tour auch einige deutsche Bühnen bespielt. Wir waren am 25. November in Berlin dabei und haben ein Konzert erlebt, dass einer der besseren Abende für MARILYN MANSON war, im Vergleich zu anderen aktuellen Touren aber eher enttäuschte. Die Enttäuschung begann schon mit dem Support-Act, der unpassender nicht hätte sein können.
Am Intellekt vorbei
Mit düsteren, sphärischen Klängen startet an diesem Abend DINOS CHAPMAN in ein sich langsam aufbauendes, diffuses und vielschichtiges DJ-Set. Der einsam am Pult stehende Brite wiegt sich nicht, sondern geht konzentriert an die Konstruktion eines präzisen Klangkontinuums, das durch Ordnung den Eindruck von Chaos hervorbringt, um mit dem nicht Gedachten, dem Unterbewussten zu interagieren. Das funktioniert im richtigen Club bestimmt super, aber hier als Vorband eines Schockrockers für ziemlich genau die Länge eines normalen Songs. Nur dass es da nicht aufhört. Es dröhnt einfach weiter, ohne Songstruktur, ohne Refrain, ohne Höhen, ohne Pausen. Die anfängliche Faszination ist verflogen und weicht einem Zweifelnden: Echt jetzt? Der Unmut breitet sich aus, schlägt dem Musiker in Form von Pfiffen und Buhrufen entgegen. Keine live gespielten Instrumente, keine Lichtshow, keiner fotografiert, wieso auch. Der könnte da oben auch Windows installieren. Diese Besetzung ist nicht nur eine Enttäuschung für die Konzertgänger und eine Demütigung für den Künstler, sondern auch eine verpasste Gelegenheit für all die Bands, die dafür getötet hätten, hier dieses Publikum anzuheizen.
The Doctor is in
Nach dreiviertelstündiger Umbaupause startet MARILYN MANSON vom fahrbaren Thron kraftvoll mit „Revelation #12“ in einen sehr gemischten Auftritt. Die Verletzung vom Auftritt in New York Ende September wurde gekonnt in die Show integriert: Zwei als Chirurgen verkleidete Pfleger, eine Liege, die Beinschiene. Alles ist für die Bühne umfunktioniert. Die Setlist ist ein toller Mix aus alten Gassenhauern („This Is The New Shit“, „Mobscene“, „The Dope Show“ und „The Beautiful People“) und neueren Stücken von den letzten Alben, wobei wir „Killing Strangers“ von „The Pale Emperor“ vermissen. Außerdem fehlen Biss, deutliche Artikulation und Souveränität.
Seine Songs schockieren nicht nur, sie verführen gleichzeitig, hypnotisieren einen. Heute Abend fehlt dies aber, denn zur Verführung gehört Kontrolle, Fokus und Geistesgegenwart. Der Frontmann ist dazu aber zu benebelt. Die Bühne wird zwischen den Songs immer wieder minutenlang dunkel und ungewollte Rückkopplungen, Pfiffe und schlechte Laune folgen. Vielleicht ist der Sänger gesundheitlich in weit schlechterem Zustand, als man denkt und sollte eigentlich nicht auf der Bühne stehen. Verglichen mit anderen Künstlern ist diese Performance kaum ihr Geld wert und so gut die Musik vom Band ist oder die Konzerte früher vielleicht mal gewesen sein mögen, das heute hier macht nicht gerade Lust auf mehr.
Ist halt Manson…?
Die Liveauftritte des amerikanischen Schockrockers zeigten über die Jahre einen deutlichen Abwärtstrend. Eine stilistische Kehrtwende markiert sicherlich das 2015 erschienene Album „The Pale Emperor“, das teilweise deutlich langsamer und durchdachter daher kam. Diese musikalische Weiterentwicklung brach mit dem frontalen Provokateur-Image und wurde, natürlich, sehr unterschiedlich aufgenommen. Dies hatte aber wenig Einfluss auf die Bühne. Es ist die Schocker-Ikone MARILYN MANSON, die die Stadien füllt und von der abzuweichen, direkte finanzielle Konsequenzen bedeutet. Zu diesem Image gehört eine gehörige Portion Aggression und Leidenschaft, die so radikal nicht ewig durch zu halten ist. Brian Warner ist nicht zu alt dafür, aber vielleicht ist er zu müde. An diesem, wie an vielen anderen Abenden ist er eher eine Imitation dieser Figur. In Berlin ist er heute lebendiger, vor allem seine Screams haben Kraft, auch wenn wahrscheinlich nicht der Frust über die Gesellschaft der Treibstoff ist.
Dennoch
MARILYN MANSON macht sehr gute Musik und begeistert Millionen. Selbst wenn teilweise minutenlang die Bühne dunkel bleibt und die Show insgesamt nur eine gute Stunde dauert, haben viele Fans großen Spaß und andere streichen von ihrer Liste, diese lebende Legende einmal live gesehen zu haben. Es gibt Ansagen, die zwar etwas gewollt und teilweise unverständlich sind, aber es entsteht immer wieder diese besondere Energie zwischen Publikum und Künstler, die ein gutes Konzert ausmachen. Brian Warner scherzt mit den Fans und will auf der Bühne stehen. Es ist nicht alles verloren, doch es könnte, sollte, besser sein als heute Abend.
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