Lorna Shore
Pain Remains Tour 2023
Konzertbericht
Eine fette Tour über insgesamt fünf Wochen haben die US-amerikanischen Deathcore-Asse LORNA SHORE nach dem 22er-Release „Pain Remains“ geschnürt. metal.de war sowohl in der Tourmitte in München, sowie zum krönenden Abschluss in Wiesbaden am Start.
Auf der Webseite des Wiesbadener Schlachthofes ist die Veranstaltung zum Jahresende bereits seit Monaten ausverkauft. Von daher erscheint die Intention richtig, an dieser Stelle etwas früher loszufahren und am Bahnhof noch einen der letzten freien Parkplätze zu ergattern. In der Halle selbst ist die Zwischenwand entfernt, um letztlich noch etwas mehr Raum generieren zu können.
Deathcore vom Reißbrett
Zu dieser Zeit machen sich die Holländer DISTANT für einen 30-minütigen Einheizer bereit und spulen derweil alle Trademarks ab, die im Deathcore dazugehören. Ob das Publikum zum Springen zu animieren, Circle-Pits und eine Wall Of Death – hier ist alles dabei. Musikalisch agieren die Niederländer allerdings bemerkenswert gleichförmig und liefern einen eher faden Beweis dafür, warum das Genre um die 2010er-Jahre so hoffnungslos überfüllt war. Das gilt im Besonderen im Vergleich mit den folgenden Truppen.
Galerie mit 29 Bildern: Ingested - The Pain Remains Tour 2023 in MünchenAuch wenn es den Engländern mit ihrem aktuellen Langspieler „Ashes Lie Still“ noch immer nicht gelungen ist, in die Spitzengruppe zwischen Brutal Death Metal und Deathcore vorzustoßen, ist das Ganze an diesem Abend musikalisch zweifellos ein Schritt in andere Sphären. Weil eben das moderne Material mit einer nicht unwesentlichen Portion Todesblei angereichert ist, agieren die beiden Gitarristen hier entschieden filigraner und entwickeln eine ganz andere Durchschlagskraft.
INGESTED passen ideal ins Line-Up
Das funktioniert ganz besonders gut, als die Briten mit „Skinned And Fucked“ einen Titel aus dem allerersten Album „Surpassing The Boundaries Of Human Suffering“ auspacken, der dazu unverkennbar nach Slam duftet. Jay Evans wird zwar an diesem Abend nicht die beeindruckendste Vocaleinlage hinlegen, dennoch weiß auch der 36-Jährige einiges mit seinem Organ zu veranstalten und bringt eine fette Artikulation der Lyrics ins Spiel. Für sich gesehen machen INGESTED hier jedenfalls fast alles richtig und passen auch inhaltlich besser zum Headliner als jede andere Band des Abends.
Galerie mit 21 Bildern: Rivers Of Nihil - The Pain Remains Tour 2023 in MünchenMit Letzterem hat nämlich das Quartett aus Pennsylvania zu kämpfen. Spätestens seit deren neustem Werk „The Work“ haben RIVERS OF NIHIL die Bühne aus gängigen Elementen verlassen und bedienen ihre Zuhörerschaft mit progressivem Death Metal, der immer öfter von hippen Rock-Passagen oder Pop-Elementen durchstoßen wird. Teilweise arbeiten sich die US-Amerikaner durch überlange Stücke, die durch sphärische Gitarrenarbeit stets auch in ruhigere Fahrwasser getragen werden und bei dem im Schnitt recht jungen, offenbar eher partywütigem Publikum nur bedingt ankommen.
Die feine Feder kommt nicht immer rüber
Das ist eigentlich schade, denn lässt man sich auf die ausufernden Tracks ein, gelingt es dem Vierer, den Hörer auf eine musikalische Reise zu schicken, die zugegebenermaßen mit Deathcore nur wenig gemein hat. Einige Zuschauer scheinen sich auf die feine Feder der Amerikaner einzulassen, einige mehr bereiten sich derweil lieber auf den Headliner vor.
Galerie mit 30 Bildern: Lorna Shore - The Pain Remains Tour 2023 in MünchenMan erinnere sich noch an das Summer Breeze Open Air 2022, als LORNA SHORE durch die Bank weg auch solche überzeugen konnten, die sich musikalisch eigentlich an ganz anderen Fronten sehen. An diesem Donnerstagabend ist die Frauenquote in Wiesbaden erwartbar hoch, dazu ist das Publikum vergleichsweise jung und anhand der Shirt-Zusammenstellung eher im modernen Bereich verortet. Die ersten Takte von „Welcome Back, O‘ Sleeping Dreamer“ vom aktuellen Album „Pain Remains“ machen dennoch alle gleichermaßen glücklich.
Deathcore-Manifest
Manche wegen Will Ramos, manche wegen der kolossalen Soundwand, andere aufgrund des tollen Riffings von Gitarrist Adam De Micco, der in entsprechenden Passagen auch optisch in den Vordergrund rückt. Das Set ist gespickt mit Hits wie „Cursed To Die“, „Into The Earth“ oder „To The Hellfire“ – dem von Ramos als stärksten Track angekündigten, vermeintlichen Schlusspunkt. Doch es wäre eben nicht die Pain Remains Tour, wenn die US-Amerikaner nicht noch das Highlight ihres aktuellen Albums anhängen und mit der titelgebenden Trilogie beenden würden. Hier vereinen sich nochmals in Perfektion dramatisch schnelle Riffs, eingängige Hooks und eine fast schon cineastische Atmosphäre. Damit treffen LORNA SHORE und Sänger Ramos auch am Ende einer reichlich langen Tour noch jeden Ton und vollziehen ein herausragendes Deathcore-Manifest.
Setlist:
01. Welcome Back, O‘ Sleeping Dreamer
02. Of The Abyss
03. …And I Return To Nothingness
04. Sun//Eater
05. Cursed To Die
06. Immortal
07. Into The Earth
08. To The Hellfire
09. Pain Remains I: Dancing Like Flames
10. Pain Remains II: After All I’ve Done, I’ll Disappear
11. Pain Remains III: In A Sea Of Fire
Texte: Patrick Olbrich (Wiesbaden)
Fotos: Lea Wittkamm (München)
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