Linkin Park und Machine Gun Kelly
Live in Berlin

Konzertbericht

Billing: Linkin Park
Konzert vom 12.06.2017 | Mercedes-Benz Arena, Berlin

Fotos: Andrea Friedrich

Oh LINKIN PARK, du einstige Jugendliebe. Wie viel Zeit haben wir zwischen 2001 und 2004 miteinander verbracht. Aber, wir sind beide älter geworden, haben uns auseinander entwickelt, und abgesehen von einem kurzen Techtelmechtel, das aufgrund zu hoher Erwartungen 2008 in der Waldbühne in Berlin in die Hose ging, hatten wir uns kaum etwas zu sagen. Dein „hallo, ich bin noch da“ in Form von „The Hunting Party“ habe ich natürlich wohlwollend zur Kenntnis genommen. Und jetzt, bald 16 Jahre nach unserer ersten Live-Begegnung am 12.09.2001 sehen wir uns wieder – in der Mercedes-Benz-Arena, vor Tausenden von Menschen – ich bin etwas nervös. Aber wie Chester Bennington so schön sagte und öfter betonte: „Ich mag Wodka, ich mag Wasser, aber wenn ich Wasser erwarte und Wodka bekomme, dann pfffft.“. Die Konsequenz: Erwartungen ausblenden und auf sich zukommen lassen. Das – wird einem schließlich auch im Gefühlsleben geraten.

MACHINE GUN KELLY

Aber zunächst einmal Geduld bewahren. Hohe Sicherheitsvorkehrungen, ein Einlass ab 18 Uhr und mittags noch die Botschaft eines verdächtigen Funds in einer Straßenbahn auf der Warschauer Brücke. Der Tag hätte mehr Sonnenschein verdient. Aber trotzdem: Pünktlich um 20 Uhr betritt MACHINE GUN KELLY (was ein Name) die Bühne, flankiert von seiner Band und liefert ein interessantes, aber zwischendurch auch anstrengendes musikalisches Sammelsurium ab. Von Proleten-Rap über Teenie-Herzschmerz-Alternative-Rock bis hin zu ziemlich schmissigem Crossover ist alles dabei. Interessant deshalb, weil der junge Mann unlängst mit seiner aktuellen Scheibe auf Platz #43 der deutschen Albumcharts landete und seine Animationsversuche zu Beginn der Show auf wenig Gegenliebe stoßen. Als dann aber auch mal die E-Gitarre ausgepackt und zum Solo angesetzt, oder nur der Härtegerad der Songs angezogen wird, kommt schon mehr Stimmung auf – gegen Ende herrschte sogar lauter Applaus im weiten Rund der sehr gut gefüllten, in den oberen Rängen aber ein bisschen Leerstand offenbarenden, Mercedes-Benz-Arena. Nein, metal.de- relevant ist MACHINE GUN KELLY nicht, aber Show, Vielseitigkeit und Unterhaltungswert sind während der 30 Minuten durchaus gegeben – ein bisschen unschlüssig, was das nun eigentlich war, bleibe ich am Ende dennoch.

LINKIN PARK

Galerie mit 32 Bildern: Linkin Park - One More Light Tour 2017 in Berlin

Dann 30 Minuten Pause bis LINKIN PARK. Meine Erwartungshaltung ist niedrig, oder besser: bewusst ausgeschaltet. Zeit, einen Blick ins Rund und aufs Publikum zu werfen, und das ist bunt: Von ganzen Familien mit Kindern, über aufgeregte Teenager und Sonnenstudio-Dauerkartenbesitzer im Polohemd hin zu Metallern in Kutte. Und die Stimmung: Gut, ausgelassen, vorfreudig und angenehm sympathisch. Etwas, dass LINKIN PARK immer geschafft haben: Ein breites Publikum anzusprechen und vor der Bühne zu vereinen.

Dann gehen endlich die Lichter aus. Neben der Bühne läuft ein kurzer Film über die Band zur Einstimmung, Jubel brandet auf und dann endlich, nach einem kurzen Werbespot erhellt ein einzelner Spot Chester Bennington. Der singt zunächst die erste Strophe und Refrain von „One More Light“ a capella, und das emotional, kraftvoll und bei perfektem Sound. Kitschig, ja, aber auch großes Kino – denn es gibt einen ersten Hinweis auf den fantastischen Sound und die gute Verfassung des Frontmanns. Und ja, der Sound ist der Wahnsinn und kaum mit dem Niveau zu vergleichen, das üblicherweise auf Metal-Shows vorhanden ist. Druckvoll, klar, ausdifferenziert und ideal abgestimmt – fantastisch. Dazu kommt die Lichtshow, die als einziger Zusatz zum spartanischen Bühnenbild und der agilen Band kommt. Als sich dann nach ein paar Sekunden auch der Rest der Band zu Bennington gesellt und mit „Talking To Myself“ loslegt, gibt es gleich mehrere Erkenntnisse: Das Publikum ist absolut textsicher, die Band hat Bock und ist perfekt aufeinander eingespielt. Und so geht es munter weiter, bei „Burn It Down“, „The Catalyst“ und „Wastelands“ geht es richtig rund: Es wird gesprungen, gesungen und geklatscht. Bei einer Anzahl von mehr als 15.000 Personen ein beeindruckendes Schauspiel.

Begeisterte Routine auf der Bühne, Ausgelassenheit davor

Das gilt auch für die Nostalgie-Gänsehaut, die einem beim Anfangsriff von „One Step Closer“ über den Rücken läuft – was für eine brachiale Wand in diesem Soundgewand. Und LINKIN PARK zeigen sich höchst aktiv, insbesondere Multi-Instrumentalist Mike Shinoda wechselt immer wieder zwischen Keyboard und Gitarre – wie nebenbei rappt er absolut auf den Punkt und steuert Gesang bei. Und der Rest bewegt sich ebenso zielsicher wie flott über die Bühne, post immer wieder im richtigen Moment und erntet dafür großen Applaus. Auch „Castle Of Glass“, „Good Goodbye“ und „Lost In Echo“ werden gefeiert – und in einer Lautstärke mitgesungen, dass selbst LINKIN PARK zwischendurch erstaunt aussehen. Obwohl sie es vermutlich gewöhnt sind. Eins ist allerdings schnell klar. Spontanität, oder Ausrutscher gibt es bei einer so professionellen Band nicht. Einerseits beruhigend, andererseits raubt es etwas Live-Feeling: Begeisterte Routine auf der Bühne, Ausgelassenheit davor. Passt.

Konzertfoto Linkin Park am 12. Juni 2017 in der Mercedes Benz Arena, Berlin

Linkin Park am 12. Juni 2017 in der Mercedes Benz Arena, Berlin

Nach dem großartigen „New Divide“ leitete „Invisible“ einen eher ruhigen Konzertabschnitt ein. Das bliebt auch den Zuschauern nicht verborgen, die zwar eifrig ihre Stimmbänder strapazieren, aber die Stimmung droht etwas zu verflachen. Erst bei „Breaking The Habbit“ ist das Feuer wieder entfacht, und als das Publikum mit instrumentaler Unterstützung einige Textzeilen eigenständig singen darf, ist die Begeisterung wieder bei einhundert Prozent – und die Gänsehaut sowieso. Es folgen der Titeltrack des neuen Werks „One More Light“ und eine verkürzte, in seiner Intensität aber kaum zu übertreffende Piano-Version von „Crawling“, bei der nur Bennington und Shinoda im Mittelpunkt stehen. Ab „Points Of Authority“ geht das Energielevel wieder spürbar nach oben, und es köchelt in der Arena. Angespornt durch die beiden LINKIN-PARK-Gesichter schlechthin springt nicht nur der Innenraum; sondern auch auf den Rängen hält es niemanden mehr auf seinem Platz.

Konzertfoto Linkin Park am 12. Juni 2017 in der Mercedes Benz Arena, Berlin

Linkin Park am 12. Juni 2017 in der Mercedes Benz Arena, Berlin

Es folgt der wohl imposanteste Moment des ganzen Abends: Die ersten Töne von „In The End“ erklingen, und abgesehen von hingeworfen Schlagworten verzichten LINKIN PARK in der ersten Minute komplett auf den Gesang. Wer jetzt Stille erwartet, könnte nicht falscher liegen, sondern es erklingt ein Chor aus tausenden von Stimmen, textsicher, durch Bennington auf Kurs gehalten, großartig! Bei „What I’ve Done“ und „Faint“ brodelt die Party noch einmal ausgelassen und dann ist erst einmal Schluss …

… für ein paar Minuten. Denn der Applaus lockt LINKIN PARK zurück auf die Bühne. Wobei zunächst nur Chester Bennington und Brad Delson, die „bewaffnet“ mit Gitarren, im Rampenlicht stehen. Gespielt wird eine Premiere: „Sharp Edges“ als Akustikversion – und es funktioniert, wie fast alles an dem Abend. Es folgen „Numb“, „Heavy“, „Papercut“ und das große Finale „Bleed It Out“. Danach ist endgültig Schluss.

Konzertfoto Linkin Park am 12. Juni 2017 in der Mercedes Benz Arena, Berlin

Linkin Park am 12. Juni 2017 in der Mercedes Benz Arena, Berlin

LINKIN PARK liefern den Beweis, dass auch eine einstige Jugendliebe noch viel zu bieten hat

Am Ende bleibt ein für mich versöhnlicher Eindruck. Neben dem beeindruckenden Sound und der guten Stimmung bleibt vor allem eine Band, die aus großartigen Musikern besteht und dies auch auf die Bühne bringt. Planbarkeit kann LINKIN PARK vielleicht vorgeworfen werden, aber schlussendlich ist es eine Band, die sich stetig gewandelt und nie das gemacht hat, was von ihr erwartet wurde. Dementsprechend respektabel ist das Schaffen, auch wenn „One More Light“ wohl nicht in meinem Regal landen wird. Dafür zeigt eine einstige Jugendliebe, dass ein heutiges Treffen im Erwachsenenalter lohnen kann. Überraschenderweise hat es gepasst, und bei aller Nostalgie zeigen LINKIN PARK, dass auch nach „Hybrid Theory“ und „Meteora“ verdammt gute Songs entstanden sind. In welcher Schublade das dann steckt, egal. Wir sehen uns sicher mal wieder.

14.06.2017

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2 Kommentare zu Linkin Park und Machine Gun Kelly - Live in Berlin

  1. Oliver Dittrich sagt:

    Absolut brillanter Bericht! Allein beim lesen bekam ich Gänsehaut, als ich an diesen Abend erinnert wurde. Das mein erstes LP-Konzert so großartig wird hätte selbst ich, als Dauerenthusiast der Band nicht erwartet.

  2. FrauMaxi sagt:

    „Wir sehen uns sicher mal wieder.“…. bricht mir gerade sehr das Herz..