Leprous
Aphelion European Tour 2023
Konzertbericht
Der Februar 2023 markiert halboffiziell das Ende der Pandemie und verspricht einen weiteren Schritt zur Rückkehr in die Normalität, was auch immer das dieser Tage bedeutet. Am 04.02.23 ist die Essigfabrik in Köln anlässlich der Aphelion-Tour mit KALANDRA, MONUMENTS und LEPROUS ausverkauft. Ein paar Menschen tragen eine FFP2-Maske, andere tragen auch im vollen Innenraum eine Wollmütze. Das scheint als Normalität gut annehmbar.
KALANDRA
KALANDRA aus Norwegen und Schweden starten ihr Set mit der verträumten Textzeile „On the borders of safety, that‘s where I find peace“. An diesen Ort des Friedens transportieren die Vier den vollen Saal scheinbar mühelos, mit Zerrklängen, Cellobogen auf der Gitarre, Horn und der großartigen Stimme von Sängerin Katrine Stenbekk, die von hauchzart bis Urschrei ein beeindruckendes Spektrum abdeckt. Dabei greift sie immer wieder zur Teetasse, kann sich den einen oder anderen Huster nicht verkneifen und entschuldigt sich, dass sie mit „Virkelighetens Etterklang“ einen Gang zurück schaltet, um das Instrument zu schonen. Zu hören ist davon nichts. Der eingängige Rock-Pop-Mix mit deutlichem Folk-Einschlag zündet beim Publikum allerspätestens mit dem letzten Titel „Brave New World“. „That was short, but sweet“ sagt Stenbekk zum Abschied und hinterlässt eine Menge, die erfolgreich aus dem Alltag in die eigenwillige Welt der Klänge des laufenden Abends abgeholt wurde und sich nun die Glieder für das Kontrastprogramm mit MONUMENTS warmgeschaukelt hat.
Setlist Kalandra:
1. Veiviseren
2. Borders
3. Slow Motion
4. Virkelighetens Etterklang
5. Naive
6. Ensom
7. Brave New World
MONUMENTS
MONUMENTS haben den Saal ab dem ersten Akkord voll im Griff. Der wechselgeplagte Vierer hat erst drei Tage zuvor auf Facebook den berufsbedingten Ausstieg von Basser Adam Swan und Volleinstieg von Live-Vertretung Werner Erkelens bekannt gegeben. Auf der Bühne zu Köln könnte die Band eingespielter und abgestimmter jedoch kaum wirken. Spätestens zu „Leviathan“ kocht vor der Bühne ein Moshpit und das Publikum wirkt auch bei Titeln wie „Arch Essence“ vom aktuellen Album „In Stasis“ überraschend textsicher.
Sänger Andy Cizek erweist sich auch zwischen den Songs als erfolgreicher Anheizer. Einen Rest Pandemie spüren Alle, als er sich ausdrücklich bei Soundtechs und Crew für ihren Einsatz bedankt und dafür deutlich mehr, als bloß höflichen Applaus erntet. Sichtlich peinlich ist ihm ein Verhaspler, als er sich bei LEPROUS „for opening for us“ bedankt – statt umgekehrt. Die zahlreichen Crowdsurfer würden ihm jedoch durchaus Recht damit geben, sich als Co-Headliner zu fühlen. Zum Abschiedsbrett „The Cimmerian“ bleibt kein Muskel ungezuckt und es scheint gar nicht selbstverständlich, dass die im Vergleich eher ruhigen Norweger in Sachen Stimmung hier noch eins drauf legen werden.
Setlist MONUMENTS:
1. I, the Creator
2. Opiate
3. Leviathan
4. Cardinal Red
5. Arch Essence
6. False Providence
7. The Cimmerian
LEPROUS
LEPROUS ziehen an diesem Abend des Wandels schließlich eine dritte, völlig andere Klangwand hoch. Die Band tröpfelt zunächst – heute zu sechst mit Cello – mit „Have You Ever?“ auf die Bühne. Das folgende „The Price“ lässt die Temperatur in der Halle dann schlagartig steigen und wer noch nicht von Sänger Einar Solbergs Stimme fasziniert war, kann sich dem Bann spätestens jetzt nicht mehr entziehen. Der erkundigt sich dann freundlich, wer die Band denn an gleicher Stelle einst beim EUROBLAST FESTIVAL 2014 und 2015 gesehen habe. Ein paar Hände gehen in die Luft. „Wir haben da also zehn neue Fans gewonnen. Gut zu wissen, dass sich das gelohnt hat!“ Der augenzwinkernde Humor des LEPROUS-Frontmanns scheint wie der rote Faden zum Abend, denn eigentlich mutet die Kombination der Acts seltsam unpassend und könnte doch runder nicht sein. Solberg bringt es dann auch selbst auf den Punkt: „Ich mag keine Genres, ich mag Musik.“ Und seine Musik wird gemocht, ohne jeden Zweifel. Insbesondere „The Flood“, „Out Of Here“ und „Below“ scheinen es dem Publikum angetan zu haben. Mit „Castaway Angels“ werden ernstere Töne angeschlagen, denn die Band widmet den Song dem ukrainischen Volk. Gut, dass „From The Flame“ danach den Saal nochmals ordentlich in Wallung bringt. Und Wandel bleibt das Motto der Veranstaltung. Nicht nur wechseln die Musiker nahtlos zwischen Instrumenten hin und her. Auch das Publikum schwingt beherzt zwischen den Extremen. Während eben noch Alles gegröhlt und getobt hat, wird der arme Kerl, der während des Cello-Solos bei „Distant Bells“ laut lacht, kollektiv ausgePSSSSSTet. Einen letzten Schmunzler gibt es, als Solberg den letzten Song ankündigt und auf den enttäuschten Protest so tut, als wolle er die Bühne verlassen, weil man diesen Song ja offenbar gar nicht hören wolle. Klar, so kann man das sehen, einer ist noch übrig. Und natürlich wird das Publikum nach „Nighttime Disguise“ noch mit einer Zugabe belohnt.
Setlist LEPROUS:
1. Have You Ever?
2. The Price
3. Foe
4. The Flood
5. On Hold
6. Castaway Angels
7. From the Flame
8. I Lose Hope
9. Out of Here
10. The Silent Revelation
11. Distant Bells
12. Below
13. Nighttime Disguise
14. (Zugabe) The Sky Is Red
Draußen steht der nächste Wandel an, der dieses Mal gerne ohne uns stattfinden kann. Jugendliche in HipHop-Kluft steigen für das Nachtclub-Programm aus dem Taxi. Keiner trägt Maske, ein paar Menschen tragen Wollmützen und überdimensionierte Falschgoldketten. Es war ein großartiger Abend in der Essigfabrik, außergewöhnlich gut genug, dass er wohl nie ganz zur Normalität gehören wird.
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