Leaves' Eyes
live in München 2018

Konzertbericht

Billing: Leaves' Eyes, MaYaN und Almanac
Konzert vom 24.04.2018 | Backstage, München

Wenn LEAVES‘ EYES es sich zum Ziel gesetzt haben, auf ihrer „Sign Of The Dragonhead Tour“ einen Eindruck von der Vielseitigkeit des Symphonic-Metal-Genres zu vermitteln, ist ihnen das mit der Wahl ihrer Begleitbands hervorragend gelungen. Sowohl die (überwiegend) holländische Allstar-Truppe MAYAN als auch Victor Smolskis ALAMANAC müssen in vollkommen unterschiedliche Ecken dieser musikalischen Schublade einsortiert werden. An Abwechslung mangelt es auf dieser Tour also sicherlich nicht. Dennoch ist die 260 Quadratmeter große Halle im Münchener „Backstage“ nur etwa zur Hälfte gefüllt, was aber an einem Dienstagabend auch nicht wirklich überraschend scheint. Während sich der Text im Folgenden also explizit auf die Show in München bezieht, wurden die Fotos allesamt von Kollegin Andrea beim Konzert am 03.05. in Berlin gemacht.

Konzertfoto von Leaves' Eyes - Tour Of The Dragonhead

Leaves‘ Eyes – Tour Of The Dragonhead

ALMANAC

Als sich die Wege von Victor Smolski und RAGE Anfang 2015 trennten, war der weitere musikalische Weg beider Parteien bereits abzusehen: Peavy Wagner steuerte das altgediente deutsche Power-Metal-Flaggschiff weg vom Symphonic-Bombast und zurück in rauere Gewässer, während Smolskis mit neuen muskalischen Mitstreitern an die unter dem „Lingua Mortis“-Banner vollbrachten Orchester-Metal-Pionierleistungen seiner Ex-Band anknüpfte. Zwei exzellente Alben haben ALMANAC inzwischen veröffentlicht, für die sie im Rahmen ihres rund 40-minütigen Sets ordentlich die Werbetrommel rühren.

Obwohl David Readman zweifellos ein hervorragender Sänger ist und im vokalen Wechsel mit Jeannette Marchewka keinerlei gesangliche Schwächen erkennen lässt, hat sein vor kurzem aus Zeitgründen ausgestiegener Gegenpart Andy B. Franck (BRAINSTORM) doch eine Lücke im Line-Up hinterlassen. Mehr noch als das für enorme Abwechslung sorgende Wechselspiel der beiden Weltklasse-Sänger ist es jedoch das alles überstrahlende Charisma einer geborenen Rampensau, über das Readman nicht im selben Maße verfügt. So fehlt der nichtsdestoweniger mitreißenden Show von ALMANAC heute jenes letzte Quäntchen an Brillanz, welches man von ihren früheren Shows noch in wohliger Erinnerung hatte.

Musikalisch dominiert hingegen die technische Präzision von Saitenhexer Victor Smolski, welcher den Stücken eine progressiv-frickelige Note und sich selbst gerne den Raum für ausgiebige Solo-Einlagen gibt. Dass ALMANAC sich dennoch nicht in selbstzweckhaftem Griffbrettgewichse verlieren, ist insbesondere den eingängigen Refrain-Melodien zu verdanken, die nach und nach auch das anfangs noch etwas träge wirkende Publikum zum Mitsingen animieren. Geschickterweise hat man den großen Überhit „Self-Blinded Eyes“ vom Debütalbum „Tsar“ ans Ende des Sets gestellt und erntet damit verdient euphorische Reaktionen.

Galerie mit 19 Bildern: Almanac - Tour Of The Dragonhead in Berlin

MAYAN

Nun zieht der Härtegrad merklich an – im direkten Vergleich mit den heute als Co-Headliner auftretenden MAYAN könnte man die anderen beiden Gruppen geradezu als „weichgespült“ bezeichnen. Mastermind Mark Jansen (EPICA, ex-AFTER FOREVER) hat seine Nebenspielwiese tief im Death Metal verwurzelt, was in Kombination mit dem überbordenden Symphonic-Bombast eine gleichermaßen spannende wie anspruchsvolle Mischung ergibt, die für das ungeübte Ohr nur schwer zu durchdringen ist. Doch obwohl MAYAN damit so weit vom Easy-Listening entfernt sind, wie es ohne den Verzicht auf Harmonien und klare Songstrukturen nur möglich ist, legt die Band eine dermaßen mitreißende Show auf die Bretter, dass das Publikum gar nicht anders kann, als ordentlich mitzugehen.

Ganze zehn Musiker tummeln sich auf den Brettern, die größtenteils aus den Niederlanden stammen und in der dortigen Szene allesamt bereits deutliche Spuren hinterlassen haben. Neben seinem EPICA-Kollegen Ariën van Weesenbeek hat Mark Jansen unter anderem Frank Schiphorst (MY PROPANE, APEX), Jack Driessen (AFTER FOREVER), Roel Käller (SKULLSUIT, APEX) und die beiden Sängerinnen Laura Macrì (DIV4S) und Marcela Bovio (ELFONIA, STREAM OF PASSION) an Bord geholt. Für die Growls zeichnet neben Jansen selbst George Oosthoek (SHINIGAMI, ORPHANAGE) verantwortlich, während als Ersatz für Clean-Sänger Henning Basse (FIREWIND) Adam Denlinger an Bord ist. Gitarristin Merel Bechtold schließlich befindet sich derzeit mit ihrer Hauptband DELAIN in Amerika auf Tour und wird daher von Arjan Rijnen (REVAMP) vertreten.

Doch genug des Namedroppings, was zählt ist schließlich auf der Bühne. Und da darf man heute einen Haufen gleichermaßen engagierter wie talentierter Musiker erleben, die einander stets Raum zur Entfaltung geben. Das sorgt für Abwechslung, es herrscht ständige Bewegung und macht doch erfreulich selten einen überladenen Eindruck. MAYAN profitieren ungemein davon, dass sie für alle Beteiligten „nur“ ein Nebenprojekt darstellen, das aus Spaß an der Freude und ohne den Zwang zum kommerziellen Erfolg betrieben wird. Da darf dann das Songmaterial auch sperrig und unbequem sein, lässt man sich jedoch erst einmal auf die Stücke ein, entfalten Stücke wie „Burn Your Witches“, „Human Sacrifice“ oder das finale „Bite The Bullet“ unerwartete Ohrwurm-Qualitäten.

Bemerkenswerterweise hält es die Band auch gar nicht für nötig, von der Bühne aus auf ihr zum Zeitpunkt des Konzerts noch laufendes und inzwischen erfolgreich abgeschlossenes Crowdfunding hinzuweisen. Die Fanfinanzierung in Höhe von mehr als 40.000 Euro erlaubt MAYAN die Verwendung echter Orchesteraufnahmen für ihr voraussichtlich im Herbst erscheinendes drittes Album „Dhyana“. Und während der Hinweis auf die zugehörige Indiegogo-Kampagne lediglich in Form von am Merch-Stand ausliegenden Flyern erfolgt, stellt die eigentliche Show doch letztlich die beste Werbung für eine Unterstützung der Band dar. Denn natürlich geben MAYAN mit „The Power Process“ und „Tornado Of Thoughts“ auch zwei neue Stücke zum Besten, die große Erwartungen an das finale Album wecken.

Galerie mit 33 Bildern: Mayan - Tour Of The Dragonhead in Berlin

LEAVES‘ EYES

Wem MAYANs harsche Todesblei-Attacken eine Spur zu heftig waren, der darf nun wieder erleichtert aufatmen. LEAVES‘ EYES präsentieren ihren symphonischen Metal so sanft und melodiebetont, wie man es von dem Genre gewohnt ist. Für Eigenständigkeit sorgen hingegen die immer wieder durchscheinenden skandinavischen Folk-Elemente. Die Trennung von Frontlady Liv Kristine war vor zwei Jahren noch für eine Menge Szene-Gossip gut, inzwischen haben sich die Wogen um die Band herum jedoch merklich geglättet. So setzten Alex Krull und seine Mannen Anfang des Jahres mit „Sign Of The Dragonhead“ und Neu-Sängerin Elina Siirala (ANGEL NATION) die Segel für den nächsten Abschnitt ihrer Bandgeschichte. Und ohne damit die Stimme oder den Charme von Liv Kristine klein reden zu wollen, hat LEAVES‘ EYES die Erneuerung doch merklich gut getan.

Natürlich dominiert das aktuelle Album auch die Setlist. Dabei lässt gerade die veränderte Gesangsstimme LEAVES‘ EYES anno 2018 deutlich geerdeter wirken als in der Vergangenheit. Wo die elfenhafte Liv Kristine sich gerne einmal in sphärischen Schwelgereien erging, wirkt Elina Siirala geerdeter und gleicht das, was ihr in den höheren Tonlagen an Opernhaftigkeit fehlt, durch eine rockigeres Stimmvolumen aus. So verändert sich der Charakter von Bandklassikern wie „Farewell Proud Men“ oder „My Destiny“ hörbar und lässt den aufgeschlossenen Zuhörer die Stücke noch einmal neu entdecken.

Als männlicher Counterpart zu Frau Siirala hat Bandkopf Alex Krull nicht weniger Spaß bei der Arbeit und überschlägt sich förmlich darin, das Publikum immer wieder zum Mitmachen und Abfeiern zu animieren. Freilich schießt er damit ein wenig übers Ziel hinaus und wirkt bis hart an die Fremdscham-Grenze affektierter als es der Show eigentlich gut tun würde. Dennoch sollte einem der ungebremste Enthusiasmus und die ehrliche Begeisterung für den eigenen Job Respekt abringen. Der Mann mit dem sympathischen schwäbischen Zungenschlag steht zu mindestens einhundertfünfzig Prozent hinter der Musik von LEAVES‘ EYES und fühlt sich im Umkreis seiner Mitmusiker ebenso pudelwohl wie als Vortänzer der begeisterten Menge.

Das eigene Wikinger-Image wird mit den passenden Bühnenaccesoires (unter anderem Banner und Rundschilde) gepflegt, bis Alex Krull das große Finale sogar in voller Kampfmontur bestreitet und dabei sein Schwert so engagiert durch die Luft schwingt, dass man nicht recht weiß, ob man mehr Angst um die Fans in den vorderen Reihen oder um den Musiker selbst haben soll. Glücklicherweise endet der Abend jedoch unblutig und Gäste wie Musiker können schließlich glücklich, zufrieden und vor allem auch im Vollbesitz ihrer Körperteile die Halle wieder verlassen.

Galerie mit 27 Bildern: Leaves' Eyes - Tour Of The Dragonhead in Berlin
12.05.2018

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