Leafmeal - A Feast Of Friends
Auftakt in Dortmund – Bericht vom Leafmeal Festival 2015
Konzertbericht
Ein Bericht von Alex Klug, Sven Lattemann und Eckart Maronde. Alle Fotos von Dagmar Geiger.
HEXVESSEL haben an diesem Abend hingegen einen eher schweren Stand. In der Spielzeit eingeklemmt zwischen den beiden Todesmetall-Truppen SULPHUR AEON und DISILLUSION, wartet die Band dank ihres Psychedelic Forest Folk mit einem gewissen Exotenstatus auf. Da gähnt der Zuschauerraum zunächst noch vor den Kollegen Klug sichtlich schockierender Leere. Dem nordischen Quintett auf der Bühne scheint das aber eher wenig auszumachen, weshalb Mastermind Kvohst und Kollegen lieber gleich mal Gitarren und Orgeln sprechen lassen. Ja aber Moment mal, wo bleiben denn eigentlich Geige und Trompete? Die machen ja plötzlich richtige Rockmusik. Auch Kollege Lattemann merkt schnell: „Das ist soooooo Sechziger!“
Stimmt – insbesondere die vier neuen Songs vom Ende Januar erscheinenden Studioalbum „When We Are Death“ transportieren tatsächlich einen unverkennbaren THE DOORS-Vibe. Dass sich die Einbettung in den urtypisch Schwurbelsound der Finnen verdauerlicher denn je gestaltet, weiß dann zum Glück auch wieder die Kuttenträger-Fraktion zu schätzen. Und so sorgt die äußerst gelungene Mischung zwar für eine ordentliche Fluktuationsrate, aber eben auch für zahlreiche zufriedenen Mienen im Raum. Die mutig verfremdete Coverversion von TIAMATs „Gaia“ tut ihr Übriges, um generationsübergreifend Glücksemotionen hervorzurrufen. Let it roll, all night long!
Setlist:
- I Am The Ritual
- Teeth Of The Mountain
- Earth Over Us
- Sacred Marriage
- Transparent Eyeball
- Cosmic Truth
- Gaia (Tiamat Cover)
- His Portal Tomb
- Woods To Conjure
Für alle, die bei so viel Hippietum noch kein eigenes Kopfkino auffahren können, wird es nun schon multimedialer: Das Münsteraner Quartett ZODIAC fährt als eine der ersten Bands an diesem Abend Projektionen auf, und das ergibt mit dem teils harten, teils psychedelisch angehauchten Bluesrock eine ziemlich gelungene Mischung. Wer die Band nicht kennt: Im Mittelpunkt steht Sänger und Gitarrist Nick van Delft, der mehr oder minder die gesamte Show alleine reißt, allerdings auch nicht ohne seine Mitstreiter kann – allen voran LONG DISTANCE CALLING-Drummer Janosch Rathmer, der einen heftigen Groove vorgibt, und Bassist Ruben Claro zu seiner Linken. Dass die Band schon Headliner-Auftritte hinter sich hat, merkt man; selbst freier improvisierte Stellen klingen tight und druckvoll, vor allem aber merkt man der Band an, dass sie Bock auf die große Bühne hat – und die anwesenden Zuschauer haben Bock auf ZODIAC. Guter Auftritt, attestiert der Chef.
Setlist:
- Intro – Who Am I
- Swinging On The Run
- Moonshine
- Cortez The Killer
- A Penny And A Dead Horse
- Diamond Shoes
- Coming Home
Ein gefühltes Heimspiel hat die Death-Metal-Fraktion SULPHUR AEON, so begeistert wird die Truppe im Anschluss empfangen: Lovecrafts R’lyeh liegt anscheinend nicht unweit von Dortmund entfernt. Die Zuschauerzahl ist entsprechend beeindruckend: Vor der Clubstage ist es richtig voll, der Sauerstoffanteil in der Atemluft nimmt rapide ab. Der stimmungsvolle Bühnenaufbau, die schummrige Beleuchtung und der düstere Death Metal der Truppe bieten das Gerüst für das Ritual dieses Abends. Bei einer ausgewogenen Mischung von „Gateway To The Antisphere“ und älteren Songs werden richtig ordentlich die Matten geschwungen. Die Großen Alten dürften wie immer zufrieden sein mit der Arbeit ihrer Kultisten. Kollege Lattemann ist es auch.
Setlist:
- Incantation
- Abysshex
- Calls From Below
- Inexorable Spirits
- Gateway To The Antisphere
- Titans
- Swallowed By The Oceans’s Tide
- Devotion To The Cosmic Chaos
- Onwards… Towards Kadath!
Althippie Eckart setzt derweil zum Vergleich an. Was ihren südwestschwedischen Kollegen BOMBUS noch ein wenig abgeht, vereinen DEAD LORD mit Leichtigkeit: Das Quartett aus Stockholm hat mit Hakim Krim einen Frontmann, der allein schon mit seiner Korkenzieherlockenmähne ein Blickfang per se ist, aber vor allem locker durch das Set plaudert und immer wieder seinen Nebenmann, Gitarrist Olle Hedenström, zu seiner Rechten in Szene setzt – der darf auf seiner Flying V sogar viele, viele Soli spielen. Und singen kann Hakim wie einst Phil Lynott, das hat Kollege Protzak jedenfalls fast so bestätigt. Also, ob jetzt die Band cooler als ihre Songs ist, oder ob es umgekehrt ist, spielt heute keine Rolle – DEAD LORD rocken, und jeder der Anwesenden hat seinen Spaß!
Setlist:
- Strained Fools
- Ruins
- Because Of Spite
- No Regrets
- Onkalo
- Hank
- When History Repeats Itself
- Stone Dead
- Hammer To The Heart
Danach wird es Zeit für einen besonderen Moment im Freizeitzentrum West: DISILLUSION, das progressive-todesmetallische Soundwunder aus Sachsen, lädt zum Gastspiel. Neun Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung „Gloria“ findet man sich für wenige Live-Konzerte zusammen, um den vertrackt-groovigen Death Metal auf die wartende Meute loszulassen. Und dann wird anlässlich des Leafmeal Festivals auch noch „Back To Times Of Splendor“, das wegweisende Werk von 2004, in Gänze dargeboten! Fanboy-Herz, was willst du mehr?
Obwohl man so lange nichts aus dem Hause DISILLUSION hat hören lassen, wirkt der Auftritt des Quartetts weder in spielerischer, noch in dramaturgischer Hinsicht eingerostet. Es wird komplex gezupft und getrommelt, dass es eine wahre Freude ist. Offensichtlich haben die Protagonisten auf der Bühne, genauso wie das Publikum, richtig Spaß: Frontmann Andy ist ob der Textsicherheit der Zuschauer sichtbar verblüfft, und weist zurecht darauf hin, dass „Back To Times Of Splendor“ ja bereits elf Jahre auf dem Buckel hat. Aber was sind schon elf Jahre im Metal-Universum? (Na ja, für Kollege Klug immerhin das halbe Leben.) DISILLUSION können die hohen Erwartungen an diesem Abend mehr als erfüllen und hinterlassen ein glückliches Publikum. Lattemann? „Denkwürdig!“
Setlist (natürlich):
- …And The Mirror Cracked
- Fall
- Alone I Stand In Fires
- Back to Times Of Splendor
- A Day By The Lake
- The Sleep Of Restless Hours
- The Black Sea
Galerie mit 18 Bildern: Disillusion - Leafmeal Festival 2015
„Please buy our EP to bring us back home.“ Ob es um die finanzielle Situation des britischen PPPKs (Post-Progressive-Psychedelic-Kollektiv) tatsächlich so übel bestellt ist, kann Kollege Klug zwar nicht überliefern, doch an organisatorische Turbulenzen sollten sich CRIPPLED BLACK PHOENIX inzwischen gewöhnt haben. Nachdem Bandpapa Justin Greaves seit nunmehr einem Jahr im Zwist mit seinen ex-Saitencaballeros Karl Demata und Christian Heilmann liegt, scheint der Sea-Shepherd-Fanatiker mit dem grimmigen Blick die Rechte am Bandnamen vorerst wiedererlangt haben. Auch die dicke Luft zwischen ihm und so manchem Ex-Label sollte allmählich der Vergangenheit angehören, ist die Truppe seit besagter EP doch wohlig bei Season Of Mist untergekommen.
Das Release jener „New Dark Age“-EP gilt es entsprechend zu feiern – zwar ohne die 45-minütige Coverversion der FLOYD’schen „Echoes“, dafür aber mit einem atmosphärischen Diskografie-Querschnitt, der trotz massivem Einsatz von Synthesizern und Delay-Pedalen niemals den Halt auf dem durch und durch rockigen Fundament verliert. Wenngleich der Fokus auf dem aktuellen Studioalbum „White Light Generator“ (2014) liegt, zeugt gerade das Titelstück der neuen Platte wieder einmal von der enormen Wandlungsfähigkeit des Septetts. Und auch ältere Hitfaktor-Longtracks wie „We Forgotten Who We Are“ beweisen, warum sich das einstige Geheimtipp-Chamäleon längst eine internationale Fanbase erspielt hat – und somit zurecht auch mal einen Headliner-Slot bekleidet. Zwar scheint der Hauptsaal des FZW nicht hundertprozentig bis zum Ersticken mit langhaarigen Wesen vollgestopft, aber dafür gibt’s ja nebenan auch amtliche Konkurrenz. Nicht wahr, Mister Lattemann?
Setlist:
- Rise Up And Fight
- Black Light Generator
- NO! Part 1
- NO! Part 2
- New Dark Age
- 444
- We Forgotten Who We Are
- Burnt Reynolds
Galerie mit 16 Bildern: Crippled Black Phoenix - Leafmeal Festival 2015
Die gibt es tatsächlich und zwar in Form von SORCERER. Und diese lassen es bekanntlich gerne einmal etwas langsamer angehen: 1988 gegründet, kam das Debütalbum „In The Shadow Of The Inverted Cross“ erst in diesem Jahr auf den Markt. Aber vielleicht ist die Zeit inzwischen einfach reif für den epischen Doom Metal der fünf Schweden. Auch wenn die letzte Band des Abends auf der Club Stage mit Besucherschwund zu kämpfen hat: Schuld daran ist sicherlich nicht der engagierte Auftritt des Quartetts. Frontmann Anders Engberg kann stimmlich absolut überzeugen, es wird munter in Richtung Publikum gepost und zum Mitmachen aufgerufen. So bilden SORCERER einen schönen Abschluss im Nebenraum. Bleibt zu hoffen, dass die Truppe noch häufiger auf der Bühne zu sehen sein wird.
Setlist:
- Born With Fear
- The Dark Tower Of The Sorcerer
- Lake Of The Lost Souls
- Nothern Seas
- Sumerian Script
Galerie mit 15 Bildern: Sorcerer - Leafmeal Festival 2015
LONG DISTANCE CALLING sah man übrigens in der Tat schon häufiger die Bretter des FZWs besteigen. Doch das war, bevor es in den letztens 12 Monaten erstaunlich ruhig um die westfälische Post-/Progressive-Rock-Institution wurde. Nach einer „An Evening With LDC“-Show am Vortag (wir berichteten), bietet das Leafmeal hier und heute beste Gelegenheit, sich auch in der Heimat angemessen zurückzumelden. Vorzugsweise mit vielen Klassikern, wie etwa dem einleitenden „Into The Black Wide Open“, zu dem Drummer Janosch Rathmer zum zweiten Mal am heutigen Freitag seine unersättliche Tightness zur Schau stellt. Selbiges gilt natürlich auch – so viel Gossip muss sein – für seinen brandneuen Anthony-Kiedis-Gedächtnis-Schnauzer.
Ob dieser den rifflastigen Soundtüftlern Sympathiepunkte bei den zu später Stunde immer dünner gesäten wilden Siebzigern im Publikum einbringt, ist ungewiss. Zwar schießt Kollege Klug beim Blick durch den halbgefüllten Hauptsaal zunächst nur ein zynisches „Nur die Harten kommen in den Garten“ durch den Kopf, doch dafür zeigen die treuen Anwesenden keine Scheu, sich vollständig in hypnotischen Nummern wie „Ductus“ zu verlieren. Gequält von langen Arbeitstagen, alkoholischen Getränken und allgegenwärtiger Müdigkeit werden selbst Headbang-Momente à la „Arecibo“ zum einzigartigen Tranceakt. Auch ohne den verhinderten Gesangs- und Tastenmeister Marsen Fischer betten LONG DISTANCE CALLING die tapferen Leafmeal-Besucher in ein nicht immer nur weiches Instrumental-Kissen, bevor endgültig die Nachtruhe eingeläutet wird. Und die haben sich die Leafmeal-Musikfreunde veranstaltender wie nutznießender Natur nach diesem grandiosen Auftakt auch redlich verdient. A Feast Of Friends eben.
Setlist:
- Into The Black Wide Open
- Ductus
- Black Paper Planes
- Timebends
- Trauma
- Invisible Giants
- Arecibo (Long Distance Calling)
- Metulsky Curse Revisited
- Beyond The Void
Galerie mit 15 Bildern: Long Distance Calling - Leafmeal Festival 2015
Das zweite Leafmeal-Festival wird am 5. November 2016 abermals im FZW stattfinden. Damit kommen die Veranstalter dem vielfach geäußerten Fanwunsch nach einem Samstagstermin nach. Dortmund, wir sehen uns wieder!
Ein Bericht von Alex Klug, Sven Lattemann und Eckart Maronde. Alle Fotos von Dagmar Geiger.
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