Live From Your Living Room
Aus Norwegen in die Welt
Konzertbericht
Als Anfang März die Ausbreitung des Coronavirus unaufhaltsam voranschritt, kam das öffentliche Leben nahezu vollständig zum Erliegen. Seitdem bestimmen Begriffe wie Homeoffice, Quarantäne, Ausgehverbot, Sicherheitsabstand und Hamsterkauf unser Leben. Und auch wenn sich der Großteil von uns glücklich schätzen darf, vergleichsweise unbeschadet aus dieser Krise hervorzugehen, so lässt sich nicht leugnen, dass der Verlust eines geregelten Alltags und der mit der Epidemie einhergehende Verzicht auf nahezu alles, was Spaß macht, sehr an den Menschen nagt.
Insbesondere fleißige Konzertbesucher können davon ein Lied singen, denn seit Mitte März wurden beinahe alle Touren und Shows kollektiv abgesagt, darunter selbstverständlich auch KVELERTAKs aktuelle Tour zu ihrem neusten Meisterwerk „Splid“. Doch so schnell geben sich die Norweger nicht geschlagen: Wenn niemand mehr zu Konzerten gehen kann und alle daheim bleiben sollen, dann bringt man die Show eben in die Wohnzimmer der Fans, oder? Gesagt, getan! Wie viele andere Bands nutzen KVELERTAK die Möglichkeit, ihre Show unter dem Motto „Live From Your Living Room“ zu streamen. Hierfür haben sich Ivar Nikolaisen, Bjarte Rolland, Maciek Ofstad & Co. extra in der Artilleriverkstedet in Horten zusammengefunden, um ihre unbestreitbaren Live-Qualitäten über das Internet in die Welt zu senden. KVELERTAK in den eigenen vier Wänden? Wie das klingt, lest ihr hier!
Bereits eine halbe Stunde vor Showbeginn tummeln sich zahlreiche Fans im Livechat und senden aus allen Teilen der Welt internationale Grüße nach Horten, Norwegen. Ein derart durchmischtes Publikum hatten die Norweger wohl noch nie. Ein weiterer Nebeneffekt: Durch die verschiedenen Zeitzonen kann man – je nach Wohnort – KVELERTAK endlich einmal zum Mittagessen (Los Angeles), beim Nachmittagskaffee (São Paulo) oder im Morgengrauen (Brisbane) „live“ erleben. Vermutlich einer der wenigen Vorzüge, welche der aktuelle Ausnahmezustand so mit sich bringt.
Die Artilleriverkstedet, eine ausgediente, für Events umgerüstete Fabrikhalle, die sich auch für Videoclipdrehs bestens eignen würde, überzeugt als Venue für eine derartige Show auf Anhieb. Das liegt nicht zuletzt an der hervorragenden Produktion, die hinter „Live From Your Living Room“ steckt: Verschiedene Kameraeinstellungen und -winkel zeigen eine hoch motivierte Band, die auch soundtechnisch mächtig auftrumpfen kann. KVELERTAK haben offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheut, um ihre Fans vor dem heimischen Bildschirm zu entzücken.
Der Opener „Rogaland“, seit dem Release von „Splid“ fester Bestandteil jeder Setlist, eröffnet eine fulminante Show, bei der neben Krachern wie „Crack of Doom“ oder dem wilden „Necrosoft“ auch Pyroelemente, eine stimmige Lichtshow und die ein oder andere Ansage von Frontmann Ivar Nikolaisen vollends überzeugen. Mehrfach bedankt sich der Sänger bei den Fans zu Hause, kann sich jedoch manch scharfzüngigen, nicht immer ernst gemeinten Kommentar nicht ganz verkneifen. Besonders die Tatsache, dass er heute niemanden im Publikum anspucken könne, sei schlimm für ihn, betont er. Vielleicht sollte er das in naher Zukunft auch erst einmal ganz sein lassen.
Wer KVELERTAK schon einmal live gesehen hat, weiß jedoch, wie diese Aussage zu verstehen ist. Die Norweger leben ihre Shows wie kaum eine andere Band, sind mitreißend bis zum letzten Riff und entfesseln mit Hymnen wie „Mjød“ oder „Blodtørst“ ein regelrechtes Chaos. Selbstverständlich lassen es die Jungs auch an diesem Abend krachen, dennoch merkt man jedem der Musiker, die ganz löblich beinahe das komplette Set im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zueinander verbringen, an, wie gern sie doch ihre Tour zu Ende gespielt hätten. Nichtsdestotrotz bleiben die Black ’n‘ Roller gekonnt souverän, sorgen mit Hits wie „1985“ oder „Ulvetid“ für jede Menge Spaß und machen den aktuellen Wahnsinn sogar für eine Weile vergessen.
Zum Abschluss gibt es – so viel Zeit muss sein – auch noch eine Zugabe, bei der jedoch der Stream unglücklicherweise während der letzten Takte kurzzeitig ausfällt. Sehr schade, angesichts des vorangegangenen Feuerwerks jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wer jetzt noch Lust hat, kann KVELERTAK bei einer kleinen Fragerunde beiwohnen, in der ausgesprochen wichtige Themen diskutiert werden, darunter die Frage, welches Bandmitglied wohl am ehesten in der Pornoindustrie landen würde. Die norwegischen Ausnahmemusiker scheint allein die Vorstellung, einer von ihnen könne bald mit Schmuddelfilmchen Karriere machen, sehr zu amüsieren. Und letztendlich geht es in einer Zeit wie dieser doch genau darum: Man darf seinen Humor einfach nicht verlieren!
Setlist:
Rogaland
Crack of Doom
Bruane Brenn
Necrosoft
Discord
1985
Tevling
Stevnemøte med Satan
Ulvetid
Blodtørst
Berserkr
Mjød
Bråtebrann
Fanden ta dette hull!
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