Knock Out Festival 2023
überzeugt als Indoor-Festival
Konzertbericht
Auf Festivals war ich schon oft. Aber ein Festival in der Halle? Im Winter? Und auch noch kurz vor Weihnachten? Ich bin gespannt.
10 Minuten vor offiziellem Beginn an der Karlsruher Schwarzwaldhalle angekommen, denke ich mir noch, dass ich mir mit dem obligatorischen Vor-Konzert-Prozedere Zeit lassen kann: nochmal aufs Klo gehen, Jacke wegbringen und sich mit dem ersten Bier versorgen.
ALL FOR METAL
Doch weit gefehlt, denn überpünktlich ertönen die ersten Klänge von ALL FOR METAL, die mir so gut gefallen, dass ich mich tatsächlich beeile. Zum Glück hat sich bei keiner meiner drei Anlaufstellen eine lange Schlange gebildet, was den ganzen Abend so bleibt – ein riesiges Lob an die Orga!
Beim ersten Blick auf die Bühne wird mir ein Überraschungsmoment geschenkt. Zunächst ist da dieser halbnackte, langhaarige, vollbärtige, tätowierte Hüne, der aussieht, also könnte er „Halvar“ persönlich sein, und der sich mittig in Pose gebracht hat. Ebenfalls oben ohne wuselt ein zweiter, für den melodiösen Gesang zuständiger Sänger zwischen den beiden Gitarristinnen über die Bühne. Bassist sowie Schlagzeuger schützen ihre Identität mit Masken. Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Ob man die zwei Tänzerinnen, die ihre einstudierten Choreografien abspulen, zusätzlich braucht, sei dahingestellt. Optisch ist mit den acht Künstler*innen auf jeden Fall einiges geboten.
Und musikalisch? Statt „Let The Hammer Fall“ gibt es „Raise Your Hammer“, statt „God Of War“ ein „Fury Of The Gods“, anstelle von „Valhalla“ kommt „Born In Valhalla“ und statt „Die For Metal“ hören wir „All For Metal“. Musikalisch bewegen sich die Newcomer irgendwo zwischen HAMMERFALL, SABATON, BLIND GUARDIAN und MANOWAR. Hört sich nach zu oft bedienten Klischees und abgegriffen an, doch dem Publikum und mir gefällt es. Richtig gut sogar. Es ist was los, man spürt die Frische, die Power und die Sexyness. Mit einem lang gezogenen Schrei beenden ALL FOR METAL den 30-minütigen Auftakt und wir sind gespannt, welche Überraschungen der Abend sonst noch für uns bereithält.
Galerie mit 23 Bildern: All For Metal - Knock Out Festival 2023 in KarlsruheVANDENBERG
Statt „Halvar“ am Mikro gibt es bei VANDENBERG „Hagrid“ an der Gitarre und die Anzahl der Personen auf der Bühne halbiert sich. Fast könnte man meinen, die Stimmung auch: ordentlicher Hard Rock à la GUNS N´ ROSES, man sieht Kopfnicken und Fußwippen, arg viel mehr aber auch nicht. Vielleicht ist der Sound zu monoton, die Interaktion mit den Anwesenden zu gering – ja irgendwie verpassen es die vier Schweden, eine Beziehung zum Publikum herzustellen.
Wir ergreifen daher die Gunst der Stunde und schlendern indoor zur zweiten Halle, wo wir eine Auswahl an gutem Essen zu fairen Preisen finden – nicht nur den üblichen Mainstream, sondern zum Beispiel auch Chili con/sin Carne und Gulasch. Hier wird mir auch klar, warum sich das KNOCK OUT FESTIVAL als „Festival“ deklariert. Man wird in der Essensschlange von Bier-Bauchläden versorgt, kann shoppen gehen, sich tätowieren lassen oder am einarmigen Banditen von Radio BOB sein Glück versuchen.
Galerie mit 22 Bildern: Vandenberg - Knock Out Festival 2023 in KarlsruheTHE DEAD DAISIES
Wieder zurück erwarten uns THE DEAD DAISIES, die es von der ersten Sekunde an schaffen, Stimmung zu transportieren. Optisch auffällig ist Sänger John Corabi durch seinen schwarzen Vollbart, seine silbernen Ketten, Ringe und Armbänder, das weiße Hemd und die Jeansschlaghose. Gemeinsam haben (fast) alle Bandmitglieder, dass sie berühmten Kombos entsprungen sind. Kurzum: Wir haben den Ex-Sänger von MÖTLEY CRÜE, den Ex-Gitarristen von WHITESNAKE und DIO sowie den Ex-Drummer von BILLY IDOL vor uns.
Als THE DEAD DAISIES sind alle vier seit elf Jahren eine Einheit, die viel Leidenschaft auf die Bühne bringt: Sie wechseln ständig ihre Positionen und bieten dem meist grauhaarigen Publikum fortwährend ein anderes Bild, während sie die Leute immer wieder einbinden – und sei es nur mit einem „everybody says yeah“. Mit Hardrock weg vom winterlichen Schmuddelwetter hin zu „sun, sandy beaches, señoritas“, dem Motto des Songs „Mexico“, bei dem man die Energie der Gitarren nur so spürt und der in Erinnerung bleibt.
Galerie mit 23 Bildern: The Dead Daisies - Knock Out Festival 2023 in KarlsruhePHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS
Deutlich beengter vor und härter auf der Bühne wird’s mit PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS, die ein MOTÖRHEAD-Best-of abliefern (schade eigentlich, dass sie keine eigenen Lieder untergemogelt haben). Ich muss zugeben, dass ich gar nicht wusste, wie viele gute Lieder MOTÖRHEAD doch haben.
Die Stimmung steigt erneut, Menschen klettern ohne Hemmungen über die Absperrung, um im VIP-Bereich abzugehen, zum ersten Mal wird zum Hüpfen aufgefordert und die Halle springt und singt textsicher zu den Klassikern „Born To Raise Hell“, „Ace Of Spades“ und „Killed By Death“. Getreu dem Motto: Der Boden klebt, die Stimmung bebt. Der Stimme fehlt mir persönlich das Raue, manche Passagen sind zu klar, sonst gibt’s nicht viel zu meckern.
Galerie mit 21 Bildern: Phil Campbell And The Bastard Sons - Knock Out Festival 2023 in KarlsruheGOTTHARD
Der Zeitplan wird durchweg penibel eingehalten und so stürmen die sechs Musiker von GOTTHARD um Punkt 22 Uhr nach vorn. Man sieht fünf strahlende Gesichter auf der Bühne – und 4.500 davor. Ich bin kurzerhand schockverliebt in Sänger Nic Maeder, der mich mit seiner Präsenz, Energie und Dauer-Gute-Laune aus den Socken haut – und dabei waren es gerade GOTTHARD, die mich im Vorfeld am wenigsten gereizt haben. So soll es sein.
Auch wir bekommen ein „Ihr seid fantastisch!“ zugerufen und Maeder unterhält uns die nächsten 60 Minuten lang unter anderem mit kurzen Anekdoten: „Das nächste Lied ist für meine Ex.“ Raunen im Saal – Grinsen bei Maeder: „Sie hat mein Auto gestohlen.“ Auch die anderen Jungs haben Spaß, spielen hinterm Kopf Gitarre und agieren miteinander. Das Publikum hat bei jedem Lied etwas zu tun.
Als Highlight lässt sich Maeder auf den Schultern eines Securitys durch das Publikum tragen. Das ist der Grund, warum man auf Konzerte geht, und für manch eine/n war es vielleicht sogar das bis dato beste – zumindest des Jahres 2023. Es gibt die erste Zugabe des Abends und beim Cover von „Mighty Quinn“ verwandelt sich die ganze Halle in einen riesigen Chor. Mein persönliches Fazit: GOTTHARD live macht glücklich.
Galerie mit 26 Bildern: Gotthard - Knock Out Festival 2023 in KarlsruheACCEPT
Groß als „die Metal-Legende aus Deutschland“ angekündigt, begrüßt und begleitet sie uns durch den restlichen Abend auf Englisch. Klar, Mark Tornillo ist Ami – ein kleiner Widerspruch zur Ansage, was wir aber gerne durchgehen lassen. Einstiegslied ist das zwei Jahre alte „Zombie Apocalypse“, es folgen „Symphony Of Pain“, „Restless And Wild“ und „Midnight Mover“.
Schnell werden drei Dinge klar. Erstens: In den Bereichen Tempo, Härte, Licht- und Nebeleffekte legen ACCEPT im Vergleich zu den Vorgänger-Bands nochmal ’ne ordentliche Schippe drauf. Zweitens: Publikumsanimateur und Rampensau ist nicht Tornillo, sondern klar Wolf Hoffmann – wie es scheint, gehört zu ACCEPT einfach ein Glatzkopf als „Frontmann“. Und drittens: Es wird ein Best-of-Auftritt mit allen Highlights aus mehr als 50 Jahren ACCEPT. Das Publikum ist eh schon heißgelaufen und die Party steigt von der ersten Sekunde an.
Charakteristisch sind die vielen Instrumentalpassagen, bei denen uns Hoffmann die komplette Palette seines Mienenspiels darbietet: grimmig, freundlich, glücklich, scherzend, genau beobachtend, lachend, böse, dabei mittig auf dem großen Lautsprecher stehend. Genial. Und nicht nur hier unterstützt das Publikum fleißig mit der Luftgitarre. Bei „Shadow Soldiers“ gibt es eine kurze Flaute – wahrscheinlich pures Kalkül, denn so haut das folgende „Princess Of The Dawn“ erst richtig rein. Bevor Tornillo überhaupt zum Einsatz kommt, hat sich das Publikum schon heiser „ge-ohhh-t“. Die „Für Elise“-Passagen scheinen endlos, die Fans sind im Glück, die Band gibt alles und Tornillo überzeugt in der Königsdisziplin, die ich diesem Lied zuschreibe.
Es geht Schlag auf Schlag weiter mit einem lustigen „Heidi, Heido, Heida“, das in „Fast As A Shark“ samt Gummihai fürs Publikum mündet. „Metal Heart“ übernimmt und nach „Balls To The Wall“ und dem traditionellen Konzertabschluss „I’m A Rebell“ hat zum einen jeder einen Ohrwurm für den Nachhauseweg und zum anderen haben ACCEPT eine hervorragende Bühnenleistung abgeliefert.
Galerie mit 26 Bildern: Accept - Knock Out Festival 2023 in KarlsruheNach acht Stunden ist jeder bedient und macht sich entspannt auf den Rückweg. Zusammenfassend lässt sich sagen: Top Orga, top Sound, top Stimmung, top neue Bekanntschaften, faire Preise und mit GOTTHARD für mich sogar eine Überraschung des Abends. Das KNOCK OUT FESTIVAL als Indoor-Festival hat überzeugt.
Text: Susi Schlecht
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