In Hearts Wake
In Hearts Wake sind mit ihrer Arche auf Tour
Konzertbericht
Vom anderen Ende der Welt kommen IN HEARTS WAKE. Sie schippern ihr Tour-Schiff rund um den Globus, um die Menschen zu mehr Menschlichkeit und Umweltbewusstsein anzuhalten. Aber das machen sie nicht auf die sanfte Tour!
Im Stuttgarter Keller Klub stehen bereits eine Stunde vor Öffnung ein paar ganz Eifrige vor dem Eingang. IN HEARTS WAKE und GIDEON sollen spielen. Die early birds werden damit belohnt, dass immer mal wieder ein Mitglied von IN HEARTS WAKE auftaucht und fragt, wo man hier etwas einkaufen kann. Und da zeigen sich die Tücken des Tourlebens, „grocery shopping“ (Lebensmitteleinkäufe) mitten im Herzen Stuttgarts sind schwierig, vor allem, wenn man sich nicht auskennt und wenig Zeit hat. Die Jungs kommen jedenfalls immer mit leeren Händen zurück.
Verhungern muss auf dieser Tour aber keiner, im Gegenteil: Beide Bands machen heute enorm viel Druck und wirken kein bisschen kraftlos. Leider mussten SILENT SCREAMS absagen, da sich Sänger Joel eine Rippenfellentzündung geholt hat (wie gesagt, das Tourleben ist hart). Heute ist kein lokaler Ersatz dabei, für die Stuttgarter bedeutet das, dass sie sich ganz auf GIDEON und IN HEARTS WAKE konzentrieren können.
GIDEON
Galerie mit 15 Bildern: Gideon - live in Stuttgart 2017Der Keller Klub ist klein, aber gut gefüllt und für eine christliche Band kommen GIDEON echt heftig und unversöhnlich daher: „This Is A Call For Revenge“, „Life’s Not A Bed Of Roses It’s A Bed Of Nails“ singen sie. Von Anfang an geht auch das Publikum steil und bereits beim ersten Song fange ich mir eine blaue Rippe ein. Ich sehe das einfach als Qualitätsmerkmal und meide den Rest des Abends die Gefahrenzone. Weiter geht es mit Breakdowns, aggressivem Shouting und genügend Stellen zum „Tanzen“ im Moshpit. GIDEON spielen ihren melodischen Hardcore tight und druckvoll und neben der Bühne steht Kyle Erich von IN HEARTS WAKE und geht voll ab. Damit outet er sich direkt als Fan der Amerikaner und irgendwie zeigt es auch den Zusammenhalt in der Szene. Besonders das hardcorelastige „Freedom“ kommt gut an und heizt die Leute weiter auf. Bei „Calloused“ schreit dann die ganze Meute immer wieder: „Calloused. Cold. Out of control!“ Ja, da geht was! Mit „Prodigal Son“ beenden GIDEON ihr Set und Shouter Daniel McWhorter rast direkt von der Bühne zum Merch-Stand. In der Umbaupause verkauft er Shirts und CDs und gesteht, dass er nach einem Auftritt immer ziemlich k.o. ist. Die Setlist weiß er auch nicht mehr auswendig, er muss sich von einem Bandkollegen helfen lassen. „So ein Auftritt läuft bei mir immer ab wie ein Film“, gesteht er.
Setlist GIDEON:
Cursed
Pulling Teeth
Bad Blood
Freedom
Survive
Calloused
Champions
Prodigal Son
IN HEARTS WAKE
Galerie mit 24 Bildern: In Hearts Wake auf European Tour 2017: StuttgartAls dann IN HEARTS WAKE auf der (winzigen) Bühne erscheinen, kocht die Bude schon. Die australischen Jungs werden mit lautem Gejohle begrüßt, Sänger Jake Taylor erklärt, wie wohl sich die Band in Deutschland fühlt und die Band startet gleich mit dem Intro vom neuen Album „Ark“. Das Backdrop mit dem Coverartwork hängt direkt hinter dem Schlagzeug: Unsere Erdkugel, drum herum immer wieder das Wort „Ark“ in allen möglichen Sprachen und Schriften. Auch das deutsche „Arche“ steht da. Für heute Abend verstehen wir das so: IN HEARTS WAKE sind auf der Reise um die Welt und in ihrem Schiffchen haben sie keine Tiere, die die Welt erhalten sollen, sondern Songs und die sollen den gleichen Zweck erfüllen. Die Aussies haben nämlich eine Vision: wenn sich genügend Leute aufraffen, dann ist unsere Welt noch zu retten. Aber es ist knapp, also macht alle mit, verdammt noch mal!
„Passage“ ist der erste Song und aus vielen Kehlen erklingt „Who’s steering the ship? We just drift in the eye of the sto-ho-ho-horm!“. Das fängt gut an und geht gut weiter mit Krachern vom neuen Album und alten Hits. Ein bisschen ruhiger als die anderen Songs ist „Frequency“. Man könnte es fast schon als Halbballade bezeichnen und Basser Kyle Erich zeigt hier, dass er gesangstechnisch enorm zugelegt hat. Er hat eine schöne, warme Stimme und trägt ganze Passagen des Songs alleine – und er trägt sie gut! Shouter Jake erklärt, dass es in diesem Lied um einen Wal geht, der auf einer ganz anderen Frequenz singt als andere Wale und deshalb sehr einsam ist.
Irgendwann kommt Jake mit einem Schlauchboot daher und die Meute johlt. Der Frontmann muss mit dem Bootchen übers weite Meer aus Menschen fahren und etwas abholen. „The flag! The flag!“ brüllen einige, die schon Bescheid wissen. Jake zeigt sich etwas besorgt, denn die Decke hier im Keller Klub ist echt niedrig und da hängen auch noch Discokugeln und glitzernde Totenköpfe. Er bittet das Publikum, besonders vorsichtig zu sein und fährt tatsächlich mit eingezogenem Kopf ganz nach hinten zum Mischpult und wieder zurück, stolz die Fahne reckend. Auf der steht „SS Humanity“. SS ist die internationale Bezeichnung für Segelschiff, für den, der Böses dabei denkt.
Irgendwann schreit plötzlich ein Mädel ganz verzweifelt, dass sie im Gedränge ihr Handy verloren hat. Es ist ein winziger Club und sogar Jake auf der Bühne bekommt das mit und sucht nach dem verflixten Teil, das dann auch wieder auftaucht. Gottseidank, jetzt kann das Konzert weitergehen, die Umstehenden sind schon ganz genervt.
Die Band hat ein gutes Zusammenspiel und Jake ist ein aufmerksamer Frontmann. Immer wieder dreht er sich zu seinen Kameraden um und wirft ihnen liebevolle Blicke zu oder lässt ihnen Raum, sich musikalisch zu entfalten. Die Australier sind schon seit Monaten auf Tour, aber man hat keine Minute das Gefühl, dass sie hier einfach nur eine Nummer abreißen. In den ersten Reihen stehen jede Menge Fans, die alle Texte mitsingen können und so schaukeln sich Musiker und Publikum gegenseitig hoch. „Warcry“ vom neuen Album entpuppt sich als DIE Live-Hymne. Aufmerksame CD-Hörer haben sich das schon gedacht, der Song hat Potential ohne Ende und ist ein echter Kriegsschrei, der auf die Massen losgelassen werden muss.
Im Keller Klub ist es wirklich heiß geworden, die Jungs und Mädels drängen immer weiter nach vorne und mit „Earthwalker“ ist bald schon der letzte Song zu Ende. Als Zugabe haben sich IN HEARTS WAKE etwas ganz Besonderes ausgedacht, nämlich „Refuge“. Das ist ein Song von der Split-EP mit NORTHLANE, sprich das haben IN HEARTS WAKE und NORTHLANE zusammen geschrieben. Tolle Idee, absolut toller Song und ein würdiger Abschluss für einen außergewöhnlichen Konzertabend! Die Australier haben nicht nur mitreißende Mucke, sondern auch eine tolle Show geboten. Da würde man sich ja gerne mal ein Konzert in ihrem Heimatland anschauen, wo sie als Headliner in großen Hallen spielen.
Die Band verabschiedet sich noch per Handschlag von ihren Fans in den ersten Reihen und dann geht es ans Aufräumen. Habe ich schon erwähnt, dass das Tourleben hart ist? IN HEARTS WAKE räumen ihren eigenen Kram jedenfalls selbst weg, in Europa sind sie – noch – ein kleines Licht.
Jetzt kann man nur noch hoffen, dass die Botschaft von IN HEARTS WAKE ankommt und dass sich die Leute auch zu Herzen nehmen, was sie mit der Band zusammen gesungen haben.
Setlist IN HEARTS WAKE:
Passage
Nomad
Healer
Badlands
Frequency
Skydancer
Wildflower
Survival (The Chariot)
Warcry
Waterborne
Divine
Breakaway
Gaia
Earthwalker
Refuge
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